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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB
  • Date: Sun, 05 Oct 2014 20:29:47 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Patrik,

jedenfalls verstehe ich jetzt besser, wieso Du so penetrant gegen Arne zu argumentieren versuchst (wobei ich in diesem Punkt - es braucht das Dokument ebenso wie das immaterielle Rechtsverhältnis, das eine Bedeutungsstruktur darstellt, die institutionell mit Gewalt durchgesetzt werden kann) gar keinen wesentlichen Widerspruch zwischen meiner und Deiner Sicht der Dinge sehe).

Nein, es geht darum, dass die Zentralbank Zettel herausgibt (wie der reiche), die "irgendwie" ein Anspruch auf irgendetwas darstellen sollen, faktisch aber nur selbstreferenziell sind, und somit einen Anspruch auf gar nichts darstellen, oder eben (semantischer Trick) einen "abstrakten Anspruch", also du kannst irgendwann irgendetwas von irgendjemandem verlangen - was und wer das sein soll, bleibt aber offen, es ist "abstrakt". Normalerweise würde kein Mensch, der klar denken kann im Gegenzug zu so einem nonsense, irgendetwas tun oder gar herausgeben, es sei denn, er ist ist davon überzeugt, dass diese Zettel "irgendwie" einen Wert darstellen.

Ok, dann sind wir wieder mal bei der alten Frage, "stellen ZB-Noten eine Forderung dar oder nicht", und "wenn nicht, was dann?". Dann hatte ich die Stoßrichtung Deiner ganzen Argumention mißverstanden. Immerhin haben wir dann jetzt offensichtlich den Kernpunkt des Streits präziser am Wickel.

Ich habe das mal an dem Beispiel eines Kaufhausgutscheines dargestellt, der dich berechtigt einen Kaufhausgutschein in selber Höhe verlangen zu dürfen. Das würde jeder als Verarschung ansehen, bei Geld heisst es "abstrakter Anspruch". Wieso? ;-)

Ok, jetzt ist es klar, worum es Dir geht. Dein Vergleich ist im übrigen von vorneherein irreführend, da ein Kaufhaus ein privates Unternehmen mit einzelwirtschaftlichen Zielen und eine ZB ein Monopol mit gesamtwirtschaftlichen Zielen / gesamtwirtschaftlichem Auftrag darstellt. Genau daraus - aus ihren geldpolitischen Funktionen - ergibt sich auch die Natur von ZB-Noten als "nichteinlösbar" (was eben nicht heißt, daß sie per se nie Forderungen repräsentieren würden, s.u.) als geldpolitisch und gesamtwirtschaftlich völlig richtige und funktionale institutionelle Anordnung (s.u.).

Ich bin in diesem zentralen Punkt weder mit Dir noch mit Arne einig.

Sondern bin der Ansicht, sowohl Arnes Definitionen, 1) Eine ZB-Note stellt eine Forderung gegen die ZB dar als auch 2) Geld ist eine Forderung auf Geld, ZB-Geld also das Ende der rekursiven Begründungskette und Deine Definition, "Eine ZB-Note stellt keine Forderung auf irgendetwas dar, da man für sie nichts fordern kann", sind völlig irreführend und führen zu falschen Schlußfolgerungen.

Warum?

Weil sie viel zu fixiert sind auf die ZB-Noten, dabei aber das, worum es bei den ZB-Noten und der Institution ZB tatsächlich geht, völlig ausblenden und damit unverstanden lassen. Dafür muß man nicht nur den Gesamtprozess der verschiedenen Geldschöpfungsarten (bzw. -Möglichkeiten) der ZB betrachten, sondern auch die Gründe für ihre historische Entstehung und die gesamtwirtschaftlichen Funktionen und Aufgaben der ZB.

Ich kann das heute abend nicht alles von A bis Z aufrollen, will aber nur ein Beispiel bringen, das genügen sollte: werden ZB-Noten im Rahmen eines Pensionsgeschäfts emittiert, repräsentieren sie natürlich keine "Forderung gegen die ZB", da, wie Du sagst, die GBen bei Einlieferung einer Note lediglich die Note gewechselt bekommen. Sie "repräsentieren" aber die gesamten Voraussetzungen ihrer Entstehung. Und genau die blenden Du und Arne bei euren verkürzten Definitionen m.E. aus.

Das bedeutet: damit die ZB die Note emittiert, muß sich zuvor eine private Nichtbank oder ein Staat verschuldet haben - zum Beispiel für einen Kauf. Eine solche Forderung wird dann von einer Geschäftsbank "monetisiert"m indem diese sie ankauft (Bilanzverlängerung). Die Geschäftsbank kann dann diese Forderung ihrerseits wieder auf 2. Ebene (Zentralbankgeld) monetisieren.

Diese pensionierte Forderung also ist es, die die ZB-Note nicht "direkt repräsentiert", aber eben voraussetzt.

Natürlich aber kann eine ZB-Note im Prinzip auch dadurch von der ZB "in Umlauf" gebracht werden, daß sie im Rahmen geldpolitischer Operationen Sachwerte ankauft. Diese Noten repräsentieren dann - wiederum natürlich nicht direkt, da sie sozusagen vertretbare "Sachen" darstellen - eben keine Forderung mit Termin.

Will sagen: zu welchem Anteil ZB-Noten Forderungen "repräsentieren" im Sinne von monetisieren, sieht man daran, welche monetisierten Aktiva ihnen in der ZB-Bilanz gegenüberstehen.

Daß die ZB die Wahl hat, inwieweit sie Forderungen gegen Private, Forderungen gegen Staaten oder auch Sachwerte monetisieren will, sollte klar sein - das ist dasselbe wie bei einer Geschäftsbank. Nur tut die ZB das natürlich mit anderen Zielen - nämlich mit gesamtwirtschaftlichen, geldpolitischen Zielen. Und wegen ihrer (natürlich jederzeit auch mißbrauchbaren) Monopolstellung braucht sie auch keine Einlöseversprechen zu geben, um ihren Noten Akzeptanz zu verschaffen.

Eine solide Geldpolitik zu betreiben, genügt vollauf - die ist allerdings nur möglich, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind (Zivilrecht: Eigentums- und Vertragsrecht, was für viele Länder keineswegs selbstverständlich ist; dann sind currency boards meist auch keine langfristig funktionsfähigen Lösungen, ist aber ein anderes Thema).

Banken verleihen nicht Werte, sondern sie spekulieren auf Gewinn- und Verlustrisiken (der Zins ist dabei im wesentlichen eine Risikoprämie).
Nun, ich denke schon, dass die Banken zumindest einreden, dass sie die im Falle eines Kredites etwas werthaltiges geben, nämlich Geld.

Schon die Vorstellung, daß eine Forderung "Wert enthält", ist für mich eine "out of this world"-Verdinglichung analog zu der, daß der liebe Gott mit langem Bart auf Wolke 7 rumlungert. "Wert" besteht aus intersubjektiv (im Kontext bilanzierter vertraglicher Verpflichtungen) gebildeten, immateriellen Erwartungen, die dann in Forderungen "festgeschrieben" und für eine gewisse Zeit (bis zur Tilgung) "objektiviert" werden.

Banken geben bei Krediten nie irgendetwas "werthaltiges", sie erhalten dafür auch nichts "werthaltiges". sondern sie sichern Kreditrisiken ab und berechnen dafür Zinsen. Beim Ankauf von Sachwerten gehen sie ebenso nur Risiken ein - Liqui-Risiken (denn angekaufte Grundstücke refinanziert die ZB nicht, also braucht sie dafür liquide, ZB-fähige Aktiva), und Wertschwankungsrisiken. Auch das sind rein spekulative Geschäfte. Oder sie nutzt die Sachwerte und muß sie abschreiben, ihre beim Kauf eingegangenen Verbindlichkeiten aber bleiben gleich hoch.

Den automatischen, im System eingebauten free lunch für Banken gibt es nicht, er ist eine Fiktion - in der gegenwärtigen Situation gibt es ihn, aber nur wegen krottenfalscher, von den Banken natürlich ideologisch promoteter Wirtschaftspolitik.

Die von Dir in der Geschichte beschriebene Situation, daß alle Forderungen zum Termin einfach zu Null verrechnet werden und Zinszahlungen sofort verkonsumiert werden, ist ja gerade ein Grenzfall, der deswegen fast nie auftritt, weil die Beteiligten ja als "freie und gleiche" eben unabhängig voneinander entscheiden und handeln. Praktisch alle entscheidenden Prozesse der Geldwirtschaft, wie die Rolle der Bewertung der Sicherheiten bei der Kreditvergabe, kreditäre booms und busts, die Rolle des Sparens über die Fälligkeitstermine der zugrundliegenden Kredite hinaus, die eben alle zu individuellen Risiken führen, blendest Du aus.
Nein, ich verkürze nur, damit das Wesentliche offensichtlich wird.

Das FÜR DICH wesentlich erscheinende, ja. So gut wie alles FÜR MICH wesentlich erscheinende ist komplett rausgekürzt.

Man kann auch noch eine Variante C einführen, bei der die Schuldverschreibungen auf den "reichen Mann" eine Weile im Dorf zirkulieren, noch lange nachdem jener das Dorf verlassen hat. Schließlich sind die Dörfler überzeugt, dass sie im Austausch für ihre Güter in Form der Schuldscheine etwas gleichwertiges erhalten. Zwar weiß man nicht, wo sich dieser reiche Mann grade aufhält, weil er ständig in seiner goldenen Kutsche rumreist, aber man ist überzeugt, dass wenn ihn finden würde, er garantiert seiner Verpflichtung nachkommen wird. Aus der ehemals konkreten Forderung gegen jemanden greifbaren ist eine "abstrakte" geworden, die nur noch davon lebt, dass alle überzeugt sind, dass man "irgendwie" seine Ansprüche schon einlösen können wird. Tatsächlich ist der reiche Mann aber schon lange im Wald von den Wölfen gefressen worden. Damit entfällt auch die Möglichkeit seine Ansprüche jemals einlösen zu können, aber das ist praktisch unerheblich, solange keiner nachfragt bzw. es herausfindet. Tatsächlich sind die Schuldscheine nichts weiter als Zettel mit etwas Tinte drauf, ohne weitere Bedeutung. Weil aber alle der "Wertillusion der Zettel" unterliegen, machen sie sich fortwährend den Rücken krum im Austausch für faktisch NICHTS.

Sorry, nimm es mir nicht übel, ich halte von solchen fiktiven Stories nichts.

Man kann sie nicht hinterfragen, man landet in Beliebigkeit und Fabulieren jenseits der praktischen Realität. Als Denkexperiment - ok. Aber dann muß doch der Vergleich mit dem folgen, was wirklich gemacht wird. DAS läßt sich auch in der Wirklichkeit recherchieren und nachvollziehen.

Laß uns real betrachten, was Zentralbanken wirklich machen, und warum und wozu.

Solltest Du rein auf die Macht von privaten Monopolen angespielt haben, wäre das etwas anderes. Aber das sind Zentralbanken ja nicht, und gegen Großbanken muß kartellrechtlich vorgegangen werden.
Glaubst du tatsächlich, dass die deutsche Kartellbehörde die globalen Beziehungen der internationalen Banken wirklich überblickt? Und selbst wenn, was sollte sie dagegen ausrichten, wenn bestimmte Eigentümer maßgeblich direkt oder indirekt mehrere Banken kontrollieren? Wir leben zwar nicht mehr in Zeiten von J.P. Morgan, wo ein einzelner offensichtlich das Kreditangebot dominiert, aber ich denke, dass die oberen 2% heute diese Rolle ausfüllen.

Anderes Thema. Konzentrieren wir uns lieber auf die (sinnvolle) Monopolstellung der ZBen.

Sie kaufen mittels der Banken Aktiva auf (bspw. Unternehmensanteile, Land, Minen, was auch immer) und zahlen mit Giralgeld, das vorgeblich einen Anspruch auf Zentralbankgeld darstellen soll (welches in sich auch nichts weiter als ein Anspruch auf Zentralbankgeld ist, siehe Kaufhausgutschein), aber bei konsolidierter Betrachtung (und nur darum geht es) wird wie du schon richtig gesagt hast, es NIE vorkommen, dass sie ihre Verpflichtung jemals einlösen müssen. Es ist tatsächlich ein "Free lunch". Sie kriegen etwas und müssen tatsächlich nie wirklich leisten. Statt zu kaufen, können sie auch Kredite vergeben - im Endeffekt ist es egal, wie sie an die "Früchte" kommen. Fakt bleibt, dass sie sich zu etwas verpflichten, das sie nie einlösen müssen und dafür ganz reales Einkommen oder gar Vermögen erhalten.

Du meinst, wegen der Bailouts und der gegenwärtigen ZB-Politik? Das ist doch nicht systembedingt, sondern rein durch die wirtschaftspolitische Konstellation bedingt (die natürlich auch Resultat der Ideologisierung der Politiker seitens der Banken ist). Das hat aber nichts mit dem Geldsystem zu tun, sondern damit, wie es jetzt momentan gemanaged wird. Bankenpleiten müssen möglich sein und auch stattfinden können. Den Schiß davor hat die Politik jetzt nur, weil ihnen ihre fiskalpolitische Omnipotenz nicht mehr klar ist, weil sie ihnen von den Banken ausgeredet wurde.

Du verallgemeinerst da Beobachtungen der heutigen Zeit m.E. falsch aufs System als solches bzw. stützt Deinen Fehlschluß durch eine verkürzte Interpretation dessen, was ZB-Noten repräsentieren.

M.E. führt das zu grandiosen Fehlschlüssen über die Funkionsweise des Systems insgesamt, sorry.

Also ... entweder verstehe ich Dich völlig falsch, oder ich fasse es einfach nicht, daß Du die Essenz von Kreditwirtschaft auf eine solche Geschichte reduzieren willst, in der alles Entscheidende ja gerade fehlt.
Ich denke, du musst einfach nur die Mosaiksteinchen richtig zusammensetzen. Wesentlich ist die Erkenntnis, dass "die Banken" ihre Verpflichtungen faktisch nie erfüllen müssen - und eine Verbindlichkeit, die man nie bedienen muss, ist faktisch keine. Das ist wie die Variante B oder C.

Das ist, wie gesagt, m.E. nicht generell systembedingt, sondern Folge der falschen Politik, zu der die Banken die Politik mithilfe von Ideologie und Fehlinterpretationen der Funktionsweise des Gesamtsystems, besonders der Rolle des Staates, überredet haben.

Sorry, aber an dieser Frage werden wir dranbleiben müssen, meine ich.

Es geht um das Verständnis von ZB-Noten und der Funktion der ZB insgesamt, und um die Frage nach dem "free lunch" für Banken, bzw. den Gründen für deren möglichen "Geldschöpfungsgewinn" - oder eben auch Geldschöpfungsverlust, für dessen Möglichkeit monetär souveräne Staaten systematisch sorgen müssen.

Gruß
Wolfgang




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