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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Euroabwicklung?

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ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Euroabwicklung?


Chronologisch Thread 
  • From: Rolf Müller <rolf.mueller9 AT t-online.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Euroabwicklung?
  • Date: Tue, 18 Feb 2014 20:05:29 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>


Am 18.02.2014 01:12, schrieb moneymind:
Wie stehen die Piraten AG-intern zu Europa?

Vielen Mitstreitern in der AG ist das strukturelle Demokratiedefizit der EU bewußt. Es dürfte kaum jemanden geben der die Chancen einer engen Kooperation der europäischen Staaten nicht hoch einschätzt. Ich bin überzeugt dass sowohl geopolitisch als auch globalwirtschaftlich eine solche Kooperation immer notwendiger wird. Die Frage ist jedoch zu wessen Nutzen sie betrieben wird. Ich sehe eine EU die nicht nur aktuell sondern auch historisch vornehmlich die Interessen des (Binnen-)Grosskapitals vertritt, bei der zunehmend das "Binnen" zwangsläufig unschärfer wird (international agierende Konzerne).
Dass die Interessen der Bürger immer mehr in den Hintergrund treten liegt daran, dass die EU von Anfang an nie als demokratisches Projekt angelegt war. Es fehlt die Lobby der Arbeiter- und Bürgerinteressen; die Lobby des Internationalen Grosskapitals ist in der EU mittlerweile übermächtig.
Da ich ja gerade versuche, eine Diskussion zum Schulmeister'schen lange-Zyklen-Modell als Interpretations- und Orientierungsfolie für die gegenwärtige Situation und als Orientierungsraster für die strategische Planung (politisches Programm) anzuleiern:

Hier ein "Test" für das Modell: welche Sicht auf den Euro und die EU ergibt sich durch die Brille dieses Modells?

Diese: http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/EuroabwicklungDerFinaleSchrittInDenWirtschaftskrieg.pdf

Mit Deinem Link habe ich bemerkt, dass ich schon mehr von Schulmeister gelesen habe als mir bewußt ist. Allein sein Name ist bei mir nicht haften geblieben.

Das o. g. Problem des strukturellen Demokratiedefizites wurde bereits im Debattenbeitrag von Wolfgang Streeck der Blätter für Deutsche und internationale Politik, auf die sich Schulmeister bezieht, benannt. In einer Erwiderung von Gerhard Stuby auf den oben verlinkten Schulmeisterartikel schreibt er völlig zutreffend:
"In der Oktober-Ausgabe der „Blätter“ kommt Stephan Schulmeister zu dem Schluss, dass es sich bei der Europäischen Union um das größte anti-neoliberale Projekt handelt.[1] Wolfgang Streeck weist hingegen zu Recht auf die erheblichen demokratischen Defizite der EU hin, die in den letzten Jahren allzu deutlich hervorgetreten sind.[2] Das eigentliche Skandalon lässt er jedoch unerwähnt: dass nämlich antidemokratische Traditionen das EU-Projekt von Beginn seiner Schöpfung an begleitetet haben."
https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2013/dezember/europas-zukunft-mit-oder-ohne-demokratie

Über lange Strecken beschreibt Schulmeister die destruktive neoliberale Wirtschaftspolitik in allen Staaten des Euro-Raumes und die treibende Rolle Deutschlands. Diese hat als solche hinsichtlich der Frage 'Festhalten an der Währungsunion oder Auflösung bzw. Ausscheiden einzelner Staaten' keine direkte Aussagekraft.

Eine Passage an der er ökonomisch tatsächlich zugunsten der Aufrechterhaltung der WU zu argumentieren scheint, ist entweder eine Nebelkerze oder (was ich mir eigentlich nicht recht vorstellen kann) Wissenslücken hinsichtlich der terms of trade.
So sagt er "In den 1950er und 1960er Jahren haben die Länder Südeuropas ihre Währungen gerade nicht abgewertet. Gleichzeitig haben sie – bei stabilem und kräftigem Wirtschaftswachstum – stetig gegenüber den höher entwickelten Ländern aufgeholt. Hier bereits zeigte sich, dass feste Wechselkurse eine wesentliche Komponente für funktionierende realkapitalistische Rahmenbedingungen sind." Wechselkurse spiegeln die Produktivität der Volkswirtschaften wider. Nur dann wenn die eigene Produktivitätsentwicklung längere Zeit hinter die PE der anderen Volkswirtschaften zurückfällt wird eine Abwertung nötig. Hier liegt eine wechselseitige Bedingtheit vor, die Schulmeister als (widersinnige) Kausalbedingung verkauft. Wichtig ist die Möglichkeit abwerten zu können - Niemand nimmt an man müsse nur oft genug die eigene Währung abwerten um Wirtschaftswachstum zu verursachen. Auch scheint er hier zu suggerieren dass die Alternative zur Aufrechterhaltung der WU ein System freier Wechselkurse wäre. Was sollte die Staaten der bisherigen Eurozone hindern zu dem Wechselkursregime vor der Vollendung der WU zurückzukehren? - Wikipedia(Wechselkurssystem):"Im März 1979 trat das Europäische Währungssystem in Kraft, welches die Wechselkurse innerhalb der Europäischen Union bis 1998 in Form eines Bandbreitensystems regelte."
Ähnliches ist zu dem Argument, des "Problems" 153 Währungskurse festlegen zu müssen, zu sagen. Was hält die Staaten davon ab zur ECU Referenz zurückzukehren? 

Wenn man wie Schulmeister von der ökonomischen, politischen und sozialen Katastrophe der Auflösung der Währungsunion spricht, dann sollte man auch die durch die Währungsunion bis dato und in Zukunft hervorgebrachten ökonomischen, politischen und sozialen Verheerungen gegenüber zu stellen, bemüht sein und zwar in einem gleichen Szenario bezüglich der wirtschatspolitischen Ausrichtung (Fortbestand der neoliberalen Agenda und Deregulierung oder aber eine Kehrtwende).
Sonst ist dies unseriös bzw. es bleibt ein reines Glaubensbekenntnis das unterm Strich in dem einen Fall alles viel, viel schlimmer sein wird.
Interessanterweise eine andere (und m.E. voranweisende) Sicht als die, die z.B. von Flaßbeck, den Nachdenkseiten oder Lafontaine, aber auch von der AfD vertreten werden.

Diese "andere" Sicht erreicht Schulmeister durch historischen Vergleich und historische Tiefenschärfe.

Schulmeister hat in 2 Vorträgen übereinstimmend die Aussage getroffen, dass der Horizont seiner Arbeiten maximal 10-20 Jahre in die Zukunft reicht - sozusagen Tiefenschärfe vornehmlich im Rückspiegel.
Bislang habe ich den Eindruck gewonnen, dass er die "langen Zyklen" als eine Art Naturgewalt betrachtet oder aber keinerlei Hoffnung hat diesen Prozessen etwas entgegenzusetzen. Er benennt zwar die Verteilungskonflikte und die Machtverschiebungen sucht aber nicht nach Wegen diese Zyklen nachhaltig zu durchbrechen also ökonomische, politische und soziale Rahmenbedingungen zu suchen die eine dauerhafte Orientierung am Gesamtwohl sichern. Vielleicht greift er dies ja in Arbeiten auf, die ich noch nicht kenne.
Für solch ein Unterfangen muss man Demokratietheoretisch den Antagonismus hervorheben: Demokratie und Kapitalismus haben zwei grundverschiedene Ansichten über die angemessene Verteilung von Macht.
Und mir scheint dass sich nach jedem weiteren langen Zyklus ganz im Sinne des Kapitalismus eine weiter gestiegene Ungleichverteilung der Macht eingestellt hat. Es gibt keine obere Schranke der Kapitalakkumulationen. Die wird sich fortsetzen bis alles Kapital in einer Hand (Generalkartell) vereint ist.
Wenn man aus der Geschichte nichts lernt, läuft man Gefahr die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Gleiches trifft zu wenn gelerntes, insbesondere Ökonomisches Wissen, historisch vergessen wird. Wie ist es möglich daß Erkenntnisse wie die Volkswirtschaftliche Saldenmechanik und die Geldtheorie seit den 70er Jahren sukzessive aus den Lehrbüchern der Hochschulen getilgt wurden? - Die herrschende Geschichte ist die Geschichte der Herrschenden. Eine nachhaltige Veränderung, ein Durchbrechen der 'langen Zyklen' wird ohne eine Veränderung der Herrschaftsstrukturen m. E. nicht gelingen.

Würde mich über Kommentare und Meinungen dazu freuen.

Wie Du halte ich eine historische Betrachtung für unabdingbar, bin aber mehr daran interessiert hierzu Informationsquellen ausfindig zu machen als mich an Schulmeisters Interpretationen entlangzuhangeln. In Bezug auf die Geldtheorie bin ich besonders an der Geldpolitik der Zentralbanken, insbesondere der Reichsbank und der Bundesbank seit Ihrer Gründung interessiert. Z. B. hat die frühere Ausgestaltung der Mindestreserveklassen m. E. n. Relevanz hinsichtlich einer von der heutigen Aufgabenstellung abweichenden Zielsetzung der Geldpolitik. Womöglich ersparen einem solche Informationen die Neuerfindung des einen oder anderen Rades. Hast Du dazu Informationen oder Informationsquellen?
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instead of focusing on our differences, 
we should look at what we all have in common...
http://www.youtube.com/watch?v=qLci5DoZqHU



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