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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Sparen ist nicht der Teufel

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Sparen ist nicht der Teufel


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
  • Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Sparen ist nicht der Teufel
  • Date: Fri, 29 Jun 2012 00:16:58 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>




>
>> 1) Das Wasser regnet vom Himmel - kommt sozusagen aus dem Nichts - sammelt
>> sich in Flüssen und treibt damit ein Wasserrad an. Das Wasserrad steht für
>> die Volkswirtschaft, der Regen für das Geld.
>
> Das Geld regnet nicht vom Himmel. Zumindest nicht in der Realwirtschaft.
>
> Wenn du ein Wasserrad in deinem Bild haben willst, dann nimm doch
> bitte ein Bild von Escher. Das Wasserrad ist die Realwirtschaft, es
> wird von einem Wasserkanal angetrieben, das Wasser sammelt sich unter
> dem Rad und fließt dann durch den gleichen Wasserkanal wieder zum Rad.
> [1]
>
> Jemand, der spart, zwackt einen Teil des Wassers vom Kanal ab, bevor
> es auf das Rad fließt. Jemand, der einen Kredit aufnimmt, führt dem
> Kanal neues Wasser hinzu.
>
> Genau in diesem Sinne ist Sparen ein Nachfrageausfall.
>
> [1] http://www.stroems.de/main/Dark/Images/WaterfallLg.jpg

Nein, das Bild von Escher trifft eben nicht zu, und es wundert mich, dass
grade du zu der Ansicht neigst, dass das Geld kreist. Das tut es zwar zum
Teil in privaten Sektor - und auch da nur bei den Nichtbanken - aber im
wesentlichen wird Geld per Kredit aus den Nichts geschöpft, regnet also vom
Himmel, und verschwindet auch wieder durch Tilgung ins Nichts, verdunstet
also wieder in den Himmel.

Die Wirtschaft ist also heutzutage überhaupt nicht auf den "Geldkreislauf"
angewiesen - solange immer genug Geld geschöpft wird, um die
realwirtschaftlichen Vorgänge zu bedienen, und gleichzeitig immer genug
verschwindet, um eine Inflation zu vermeiden, ist alles bestens.

Bei Escher fliesst Wasser aufgrund eines optischen Tricks wieder aufwärts, in
der Realität kann es das nicht und tut es deswegen auch nicht - und das Geld
tut es genauso wenig; es wird geschöpft, verwendet, getilgt. Im
metaphysischen Sinne kann man höchstens den Himmel auch noch ins System mit
aufnehmen und einen übergeordneten Kreislauf annehmen, ähnlich des
meteorologischen Kreislaufs - Verdunstung, Wolkenbildung, Regen - aber das
führt doch ein bisschen zu weit. Ein geschlossener Geldkreislauf ist heute
weder notwendig noch vorhanden.
>
>> 2) Bis zu einem gewissen Grad bedeutet mehr Wasser, mehr Leistung - oder
>> analog mehr Geld, mehr BIP - dieser Zusammenhang ist empirisch sogar
>> nachweisbar.
>
> Richtig. Und wenn lange genug viel Wasser läuft, dann wird auch das
> Wasserrad größer, sprich: die Kapazitäten der Wirtschaft vergrößern
> sich - und umgekehrt. Das nennt man dann path dependence oder
> Hysterese.

Das Wasserrad kann nicht von alleine Wachsen, es wird nur größer, wenn man es
aktiv umbaut.

Dies erfordert aktive Arbeit und neues Material. Unser Problem ist, dass
heutzutage zwar genug Wasser vorhanden ist, aber keiner mehr an dem Rad bauen
will, weil die Leute denken, dass das Wasser an sich schon einen Wert hat.
Tatsächlich wird es aber erst in dem Moment nützlich, in dem es das Rad
antreibt. Dieses fundamentale Missverständnis führt dazu, dass sinnloserweise
immer mehr Wasser gestaut wird, statt mehr Räder zu bauen und das Wasser
darüber fliessen zu lassen.

Vielleicht muss man das Bild noch etwas erweitern; selbst das Drehen des
Rades an sich hat auch noch keinen Wert, die Leistung des Rades muss für
etwas sinnvolles eingesetzt werden. Stellen wir uns also vor, das Rad treibt
eine Mühle an, die Mehl herstellt. Je schneller das Rad dreht und je größer
es ist, desto mehr Mehl kommt heraus. Wenn nun weiss, dass man mit einen
Kubikmeter Wasser, ein Kilo Mehl herstellen kann, dann kann man natürlich
sehr schnell auf den Fehlschluss kommen, dass ein Kubikmeter Wasser soviel
wert sei, wie ein Kilo Mehl - genau DAS ist aber der FUNDAMENTALE
Trugschluss, der Leute veranlasst Wasser zu stauen.

Ein Kubikmeter Wasser ist genau gar nichts wert, es sei denn er wird über ein
Wasserrad geleitet, das an eine Mühle angeschlossen ist.

Der Wert liegt nicht im Medium, sondern im Prozess!

Du sagst, dass zuwenig Wasser zum vorhandenen Wasserrad fliesst, ich meine,
dass es zuwenig Wasserräder gibt, um das vorhandene Wasser aufzunehmen. Wir
leben in den Tropen und tun dennoch so als müssten wir mit Wasser sparsam
umgehen.

Wir brauchen massiv mehr Investitionen und Tätigkeit.

Wir haben heute in Form des Finanzsektors auf der einen Seite einen Staudamm,
der überläuft, und auf der anderen Seite verweigern wir uns selbst jede
notwenige Investition in Infrastruktur, Bildung und Forschung, weil "kein
Geld da ist". Was soll der Schwachsinn?

>
>> 4) Das Wasser führt nur noch zu Überschwemmungen und muss abgeleitet
>> werden.
>> Gibt es aber keinen Fluss, kann es nur noch verdunsten, also zurück in den
>> Himmel verschwinden. Haben wir also eine Geldschwemme - und die haben wir
>> in
>> Form eines stetig wuchenden Finanzsektors - muss das Geld also auch wieder
>> verschwinden, z.B. mittels einer Geldvermögenssteuer und einer
>> Finanztransaktionssteuer
>
> Aber genau hier geht dein Bild kaputt. Denn in der Gegend um das
> Wasserrad gibt es eben *keine* Geldschwemme. Vielmehr gibt es irgendwo
> anders noch ein Reservoir, das immer voller und voller wird.

Woran erkennst, dass das Wasserrad nicht voll ist? Die Unis platzen aus allen
nähten, es gibt ei der Gesundheitsversorgung Engpässe auf dem Land, die
Schulklassen werden immer größer, auf den Straßen stauen sich die Autos, die
Flughäfen laufen am Anschlag, usw., usf.

Unser Wasserrad ist am Anschlag, und müsste größer werden, nur von alleine
tut es das nicht, da müssen wir schon aktiv ran!
>
>
>> Ich denke, dass wir im Moment eine Schwemme haben. Deshalb geht es im
>> Moment
>> nicht primär darum noch mehr Wasser auf das Wasserrad zu lenken, sondern
>> das
>> überschüssige Wasser von den Feldern zu bekommen.
>>
>> Für rationale Gegenargumente wäre ich dankbar.
>
> Es gibt eben *keine* Geldschwemme um das Wasserrad herum. Ja, es gibt
> diese Schwemme in den Finanzmärkten. Aber die Reaktion der Politik
> darauf ist zur Zeit, das Wasserrad noch weiter aus zu trocknen - und
> das ist einfach unsinnig.

Zumindest da sind wir uns einig.



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