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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Gescheitertes Grillfest Geldschöpfungsgewinn?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Gescheitertes Grillfest Geldschöpfungsgewinn?


Chronologisch Thread 
  • From: "Arne Pfeilsticker" <Arne.Pfeilsticker AT pfeilsticker.de>
  • To: "'Nicolai Haehnle'" <nhaehnle AT gmail.com>, "'Christoph Ulrich Mayer'" <CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Gescheitertes Grillfest Geldschöpfungsgewinn?
  • Date: Thu, 7 Jun 2012 19:38:17 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Nikolai,

mit deinem 1. Satz stimme ich voll und ganz überein.

 

Beim 2. Satz beginnt der Dissens. Bei der Darlehensvergabe gibt es zwei unterschiedliche objektive Situationen, die entscheidend sind:

Nach § 488 BGB Absatz 1 Satz 1 hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen.

 

1.      Wenn der zur Verfügung zu stellende Geldbetrage der Darlehensgeber in voller Höhe mit eigener Liquidität zu leisten hat, dann liegt keine Geldschöpfung vor und es entsteht weder jetzt noch in Zukunft ein Geldschöpfungsgewinn beim Darlehensgeber.
Diese Situation tritt bei einer „horizontalen“ Kreditvergabe auf:

a.      Wenn eine Nichtbank einer anderen Nichtbank ein Darlehen gewährt. Dieses Darlehen wird per Geschäftsbank-Überweisung oder bar bezahlt. Der Darlehensgeber muss dieses Darlehen in voller Höhe mit eigener Liquidität (= Geschäftsbanken-Giralgeld oder Bargeld) bezahlen.

b.      Wenn eine Geschäftsbank einer anderen Geschäftsbank ein Darlehen gewährt. Dieses Darlehen wird per Zentralbank-Überweisung bezahlt. Der Darlehensgeber muss dieses Darlehen in voller Höhe mit eigener Liquidität ( = Zentralbankgiralgeld) bezahlen.

c.       Wenn eine Zentralbank einer anderen Zentralbank ein Darlehen gewährt. Der Darlehensgeber muss dieses Darlehen in voller Höhe mit Sonderziehungsrechte, Devisen oder Währungsgold bezahlen.

2.      Wenn der zur Verfügung zu stellende Geldbetrag der Darlehensgeber nicht oder nur teilweise mit eigener Liquidität zu leisten hat, dann liegt ganz oder teilweise eine Geldschöpfung vor. Der Geldschöpfungsgewinn ist der Barwert der ersparten Zinsens auf die nicht zu leistende eigene Liquidität, des Geldschöpfer oder Bankensektor.
Diese Situation tritt bei einer „vertikalen“ Kreditvergabe auf:

a.      Bank an Nichtbank

b.      Zentralbank an Geschäftsbank

c.       IWF an Zentralbank (Diese Aussage ist unter Vorbehalt, weil ich sie nicht detailliert analysiert habe.)

 

Der Geldschöpfungsgewinn bei der Kreditvergabe ist deshalb so schwer zu erkennen, weil er bei der Kreditvergabe zwar entsteht, aber noch nicht realisiert ist und weil derjenige, der den Gewinn am Ende realisiert nicht der Geldschöpfer sein muss.

 

Der „Barwert der ersparten Zinsen auf nicht zu leistende Liquidität“ sind sog. aufwandsungleiche Kosten.  Das bedeutet, dass sie in einer Bilanz, die auf der Ertrags/Aufwandsebene durchgeführt wird, nicht direkt sichtbar sind. Eine Auswirkung auf den Gewinn ist bestenfalls indirekt und oft überhaupt nicht sichtbar.

 

Anschaulicher Vergleich: Wenn ich vor eine Kameralinse ein Grünfilter einbaue, dann muss ich mich nicht wundern, wenn auf dem Bild keine grüne Farbe zu sehen ist.

 

Immer dann, wenn aufwandsungleiche Kosten oder ertragsungleicher Erlös bzw. ertragsungleiche Leistungen vorliegen muss der Gewinn mit Hilfe der Kosten- Erlös/Leistungsrechnung durchgeführt werden. Eine Gewinnermittlung auf der Aufwand/Ertrags-Ebene, wie sie im Kontrapapier durchgeführt wurde, reicht nicht aus.

 

Die im Kontrapapier ansatzweise formulierte Theorie ist nicht widerspruchsfrei. Im Kapitel Geldschöpfung und Geldschöpfungsgewinn wird formuliert:

Ein Geldschöpfungsgewinn liegt vor, wenn

A1: zwischen Nennwert und Herstellungskosten eine Differenz vorliegt.

A2: das Geld in Umlauf gebracht wurde.

A3: derjenige, der das Geld „in den Umlauf“ bringt verzeichnet einen einmaligen Vermögenszuwachs.

A4: das Geld bleibt dauerhaft „im Umlauf“.

 

A4 ist m.E. falsch weil keine Geldart diese Bedingung erfüllen kann. Selbst Münzen werden im Durchschnitt nach 20 Jahren aus dem Verkehr gezogen. Das typische am Giralgeld ist, dass es nur eine begrenzte Lebensdauer von der Geldschöpfung bis zur Rückzahlung des Darlehens hat.

 

Nicht explizit aufgeführt ist die Tatsache:

            A5: Nennwert > Herstellungskosten Münzen > Herstellungskosten Banknoten > Herstellungskosten Giralgeld > 0.

 

A1 formuliert den Geldschöpfungsgewinn entsprechend der Kosten- und Erlösrechnung:

            A1‘: Erlös(= Nennwert) – Herstellungskosten = Geldschöpfungsgewinn

 

Unter Berücksichtigung der Tatsache A5 ergibt sich folgende Ungleichung:

            S1: Geldschöpfungsgewinn Giralgeld > Geldschöpfungsgewinn Banknoten > Geldschöpfungsgewinn Münzen > 0

 

Die Schlussfolgerung S1 steht im Widerspruch zum Ergebnis des Kontrapapiers (Bild g002: Zusammenfassung Geldschöpfung Nichtbanken):

            T1: Geldschöpfungsgewinn Giralgeld = 0

            T2: Geldschöpfungsgewinn Banknoten = 0

            T3: Geldschöpfungsgewinn Münzen > 0

 

Die Behauptungen T1 und T2 stehen im Widerspruch zu S1.

 

Aus der Behauptung T1 bzw. T2 in Verbindung mit S1 folgt:

S2: 0 > 0 Widerspruch!

 

Damit wäre bewiesen, dass die Theorie des Kontrapapiers nicht widerspruchsfrei ist.

 

Nicolai, ich habe diese Argumentation für dich als Mathematiker bewusst so formuliert, weil ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass ein Widerspruch in einer Theorie ein schwerwiegender Einwand ist.

 

S1 ist die logische Schlussfolgerung, dass bei jeder Form der Geldschöpfung ein Geldschöpfungsgewinn anfällt. Die berechtigte und spannende Frage kann daher nur lauten: Wer kassiert unter welchen Umständen den Geldschöpfungsgewinn in welcher Höhe ein?

 

Viele Grüße

Arne

 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Nicolai Haehnle [mailto:nhaehnle AT gmail.com]
Gesendet: Donnerstag, 7. Juni 2012 00:02
An: Christoph Ulrich Mayer
Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de; alex AT twister11.de; Arne Pfeilsticker
Betreff: Re: [AG-GOuFP] Gescheitertes Grillfest Geldschöpfungsgewinn?

 

Hallo Arne und Christoph,

 

2012/6/6 Christoph Ulrich Mayer <CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de>:

> 13.   Und nun werden die Zinsgewinne, die aus Geld erzielt werden, das

> VORHER NICHT DA WAR an Dritte weitergereicht. Damit wird Kreditgewinn

> bei Dritten erzeugt, der ohne Geldschöpfung nicht möglich wäre.

> Jede Geldmengenerhöhung führt daher zu höherem Vermögen auf der einen

> und höheren Schulden auf der anderen Seite. Und dadurch führt jede

> Geldmengenerhöhung auch zu MEHR VERMÖGENSEINKOMMEN.

> 14.   Dies ist der EIGENTLICHE GELDSCHÖPFUNGSGEWINN und er findet sich

> NICHT bei der Bank wieder sondern bei einer NICHTBANK und zwar nie bei

> der kreditnehmenden Nichtbank sondern bei anlegenden Nichtbanken.

 

Meine Vorstellung von Geldschöpfungsgewinn ist, dass der Vorgang nur dann als Gewinn gewertet wird, wenn er nicht von der Geldschöpfung getrennt werden kann, mithin also ohne Geldschöpfung unmöglich ist.

 

Aber ein Kreditgeschäft ist auch ohne Geldschöpfung möglich, und dann existiert die gleiche Art von Gewinn.

 

Daher ist das kein Geldschöpfungsgewinn.

 

So, jetzt ganz konkret die Frage an euch: was an dieser Argumentation widersprecht ihr? Der Definition von Geldschöpfungsgewinn? Der Aussage, dass Kreditvergabe auch ohne Geldschöpfung möglich ist?

Irgendeine Feinheit der Interpretation?

 

Schöne Grüße,

Nicolai

--

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