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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Georg Schmid <roter-turm AT web.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel
- Date: Fri, 27 Apr 2012 13:06:55 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Piraten,
Alex, der wie ich Mitglied der newmoney mail-Liste ist, bat mich, hier
etwas über meine Ansichten zu veröffentlichen. Das mache ich gerne,
zumal ich gerade für 2 Wochen an Land bin und nicht via Satellit ins
internet muss (funzt meistens nicht).
Vorbemerkung: Die Vorgänge der Geldentstehung im derzeitigen
Bankensystem (G-Banken + Z-Bank) sind mir so weit bekannt. Dass im
Folgenden nicht explizit darauf eingegangen wird, bedeutet nicht, dass
dies bezweifelt werden würde.
Geld ist ein Bestandteil eines Geldsystems. Ein Geldsystem ist ein
Instrument zum Messen von Verhältnissen. Ein Instrument zum Messen von
Verhältnissen ist z.B. eine Waage. Während man mit einer Waage
definierte Gewichte mit zu messenden Gewichten in ein Verhältnis bringt,
dokumentiert man in einem Geldsystem das Verhältnis verschiedener
sozialer Positionen. Diese soziale Positionen erstrecken sich zwischen
den Polen »Gläubiger« und »Schuldner«. Der Mittelpunkt zwischen der
Gläubigerposition und der Schuldnerposition ist die Neutralposition, wo
man weder Soll noch Haben hat.
Wenn man auf der einen Seite einer Waage ein Gewicht von, sagen wir, 1Kg
haben und auf die andere Seite ein Stück Käse legen, dann zeigt die
Waage an, ob der Käse schwerer, leichter oder gleich schwer als 1Kg
ist. Es gibt also drei Zustände, wie sich eine Waage einpendeln kann:
Leichter, schwerer oder gleich. Entscheidend dabei ist, dass die eine
Schale immer steigen, wenn die andere gesenkt wird und umgekehrt.
Das Gleiche finden wir auch bei einem Geldsystem, nur haben wir hier
anstatt nur zwei Schalen, viele, viele »Schalen«. Stellen wir uns dazu
ein Giralsystem, mit vielen Konten vor. Am Anfang stehen die Salden
aller Konten auf Null, so wie auch eine Waage waagerecht bleibt, solange
noch keine Gewichte aufgelegt wurden. Das Verhältnis von Konto zu Konto
ist also ausgeglichen 0 zu 0.
Geben wir nun jedem Kontoinhaber ein Überziehungslimit von 1000.-GE
(Geldeinheiten) und nehmen wir nun noch an, dass es insgesamt
2000Konten* gibt. Die verfügbare Zahlungsmittelmenge liegt somit jetzt
zusammengerechnet bei 2000 000GE. Wohlbemerkt nur die
Zahlungsmittelmenge, denn Geld gibt es zu diesem Zeitpunkt noch gar
nicht.
(*Die Zahl ist frei gesetzt und relativ klein um die Sache
übersichtlicher zu halten.)
Erst wenn einer der Beteiligten seinen Überziehungsrahmen beansprucht
und Zahlungen vornimmt kann Geld entstehen. Nehmen wir also an, ein
Konto wird um 1000GE überzogen. Die gesamte Zahlungsmittelmenge ist dann
nach wie vor 2000 000GE aber davon bilden 1000GE gleichzeitig auch eine
Geldmenge von 1000GE. So haben wir nun ein Verhältnis von 1000GE Geld (=
in Anspruch genommener Kredit) zu 2 000 000GE Zahlungsmittel (=
möglicher Kredit). Geld bildet bei diesem mathematischen Bruch den
Zähler und die Zahlungsmittelmenge den Nenner.
Bisher hatten wir es nur mit einem Giralsystem zu tun, wie ist das aber
nun bei Bargeld?
Nehmen wir an, dass, wie oben, 2000 Beteiligten beteiligt sind. Wir
geben also jedem Beteilgten genau 1000GE in Form von Münzen oder Noten.
Somit haben wir wiederum 2 000 000GE verfügbares Zahlungsmittel. Aber
noch kein Geld! Erst wenn einer der Beteiligten sein Zahlungsmittel
ausgibt, kann Geld entstehen. Nehmen wir dazu wieder an, einer würde
seine 1000GE vollständig ausgeben. Dann entsteht Geld im Umfang von
1000GE.
Bei einem Geldsystem, das Dingliches Zahlungsmittel als
Abrechnungsmedium anwendet, ist die Neutralposition, die Tilglinie
oberhalb der Null-Linie.
Was ist also der Unterschied des Vorganges beim Giralsystem und beim
Bargeld? Da gibt es keinen großen Unterschied. Vergleichen wir das mit
der Waage: Wir können die Waagschalen am Anfang leer lassen (der Saldo
aller Konten steht am Anfang bei Null) oder wir könnten auch auf beide
Seiten ein Gewicht von 10kg legen. Im ersten Fall liegt der Waage-Punkt
bei 0, wenn also auf beiden Waagschalen nichts aufgelegt wurde, und im
anderen wenn auf beiden Waagschalen 10kg liegen. Man sieht, das Ergebnis
ist das gleiche. Einmal ist der Waage-Punk bei null Kg und das andere
mal bei 10Kg. Und genau das gleich finden wir auch bei dem Unterschied
von »umlaufendem Ding-Geld« und einem Girosystem: Bei »umlaufendem
Ding-Geld« erscheint der Waage-Punkt, besser der »Tilgpunkt« mit einem
Wert größer als Null, während er bei einem Giralsystem meistens bei Null
definiert ist.
Wenn nun also »der Staat« jedem Bürger 1000GE frei verteilt, dann hat zu
diesem Zeitpunkt keiner der Bürger ein Guthaben, dann hat noch keiner
der Bürger Geld. Sie haben lediglich Zahlungsmittel erhalten und mithin
lediglich eine Kreditzusage im Rahmen von jeweils 1000GE. »Umlaufendes
Zahlungsmittel« ist demnach nichts anderes als ein Kreditsystem.
Was aber würde geschehen, wenn der Staat das Geld nicht einfach so frei
verteilt, sondern zum Bezahlung von Lieferungen »schöpfen« und ausgeben
würde?
[Anfangssituation]
Bleiben wir bei den 2000 Teilnehmern (2000 Bürger). Einer dieser
Teilnehmer erhält nun vom Staat Zahlungsmittel von 1000GE weil er etwas
an den Staat geliefert hat, alle anderen haben vorher und nachher kein
Zahlungsmittel (weil bisher noch nichts verteilt wurde). Somit haben
1999 Teilnehmer nichts und ein Teilnehmer 1000GE. Trotzdem kommen in der
Gesamtheit gesehen durchschnittlich 1000GE : 2000Teiln. = 0,50GE
Zahlungsmittel pro Teilnehmer. Da aber die 1999 Teilnehmer KEINE 0,50GE
sondern eben NIX haben, heißt das nichts anderes, als dass die
1999Teilnehmer einen Soll von jeweils 0,50GE haben. Denn der Tilgpunkt
liegt zu diesem Zeitpunkt nicht bei Null, sondern bei+0,50GE! Mit der
Zahlung des Staates an einzelne Bürger werden also alle Bürger
verschuldet. (ohne dass es ihnen bewusst sein muss)
Die »Seignorage« für den Staat ist also kein Gewinn aus dünner Luft,
sondern das Gegenstück zu Steuerschulden.
Das Ganze ist für Viele oft zu trivial um es verstehen zu können.
Fragen wir uns einmal ganz blöd, wozu wir überhaupt Zahlungsmittel bzw
Geld benötigen: Wir benötigen es zum Verrechnen und Austauschen von
Arbeit und Arbeitsergebnissen. D.h. um den Tausch von Arbeitsergebnissen
zu finanzieren, mithin zu Ende zu bringen (fine facere → financiare).
Ein Geldsystem ist idealtypisch gesehen ein Kreditsystem um die
LAUFENDEN und möglichst ZEITNAHEN Tauschvorgänge innerhalb einer VoWi zu
finanzieren. Mithin die Finanzierung der »einfachen
Reproduktion« (Marx). Ein Geldsystem ist idealtypisch gesehen KEIN
geeignetes Instrument zu Finanzierung von Arbeitsbündelung und deren
längerfristigen Ausgleich (längerfristige Kredite). Hierfür bedarf es
eines angegliederten Geldguthaben-Systems.
Geld stellt ein Guthaben, einen Anspruch, dar. Aber dieses Guthaben ist
kein Anspruch auf Geld, sondern auf gegenleistende Arbeitsergebnisse.
Ein Geldguthaben dagegen ist ein Anspruch (Forderung) auf Geld.
Wozu benötigt man eigentlich längerfristige Kredite?
Ein Bäcker backt täglich Brot, dazu benötigt er täglich Mehl u.a., diese
kann (könnte) er täglich mit den täglichen Einnahmen bezahlen. Hier
haben wir es mit dem laufenden Austausch von Arbeitsergebnissen zu tun.
Zum Brotbacken benötigt der Bäcker aber ab und zu einen neuen Ofen, ein
neues Fahrzeug und so. Solche Anschaffungen kann er nicht kurzfristig
tilgen, so wie ein Mann nicht gleichzeitig so viel Arbeiten kann wie 100
Männer gleichzeitig. Ein Mann kann aber zeitversetzt, Schritt für
Schritt einen Ausgleich für die Arbeit der hundert Männer schaffen.
Längerfristige Kredite dienen demnach der Finanzierung von
Arbeitsbündelungen. Hier steht die Kreditnahme dem »Sparen« gegenüber
Eine Volkswirtschaft ist immer ein Bestandteil des Staates und niemals
umgekehrt.
Eine Volkswirtschaft ist mithin der materiell versorgende Teil innerhalb
eines Staates.
Um diese Versorgung des Staates zwischen den Bürgern abrechnen zu
können, benötigen wir ein zusätzliches Abrechnungssystem. Auch hier ist
ein Kredit notwendig. Allerdings geht es hier nicht um Arbeitsbündelung,
sondern um Arbeitsverteilung. Demnach ist es auch reiner Unsinn, wenn
sich der Staat (nach innen) verschuldet. Trotzdem, verschulden muss sich
schon einer und das ist die Gruppe der Steuerpflichtigen.
So kann also der Staat hergehen und Zahlungsmittel schöpfen um damit
Lieferungen zu bezahlen und im gleichen Zug laufend wieder
Zahlungsmittel vernichten, nachdem er es via Besteuerung wieder
eingetrieben hat. Wenn dann immer einer gewisse Menge dieses vom Staat
geschöpften Zahlungsmittel im Umlauf bleibt, kann dieses als
Kreditsystem zum Finanzieren des Austausches von Arbeitsergebnissen
verwendet werden (»Umlaufendes Zahlungsmittel«). Zu beachten ist aber
dabei, dass es sich auch hier um ein Verhältnis-System handelt: Wenn
jeder exakt 1000GE Zahlungsmittel hat, dann hat noch niemand Geld denn
der Tilgpunkt liegt hier bei 1000GE und nicht bei null GE. Wenn ich,
sagen wir, 200GE habe, kommt es darauf an wieviel GE sonst noch im
Umlauf sind. Nehmen wir an es sind insgesamt eine Milliarde GE im
Umlauf, dann habe ich 200GE von 1000 000 000GE. Wenn jetzt der Staat
Ausgaben von einer Milliarde macht und mittels neu geschöpftes
Zahlungsmittel bezahlt, dann hat sich der Wert meiner 200GE halbiert,
denn dann sind es nur noch 200GE von 2 000 000 000GE. Das, was wir als
Zahl auf einer Banknote, einer Münze sehen ist also ein Zähler, zu dem
unbedingt auch noch ein Nenner gehört. Wie auch immer, wir sehen hier,
dass die Finanzierung des Staates via Schöpfung von zusätzlichem
Zahlungsmittel (vulgo: via Notenpresse) nichts anderes ist, als eine
besondere Technik, Steuern einzunehmen.
Hier werden die Halter von Geld besteuert, diejenigen, die Geld schulden
entlastet und diejenigen, die Geld fordern (Sparer, Vermieter etc.)
belastet.
Dies kann viele Vorteile haben, aber natürlich auch übertrieben werden.
Wichtig zu wissen ist dabei jedenfalls, dass der Tilgpunkt, die
Tilglinie bei einem solchen System der Staatsfinanzierung meistens weit
über Null liegt.
Und was kann das bedeuten? Es kann bedeuten, dass unter diesen
Voraussetzungen die Haushalte ihren laufenden Konsum unbemerkt mittels
zinsfreien Kredit* kaufen, was viel Sinn machen würde, da man damit aus
der G-W-G'-Falle, dem eskalierenden Debitismus entwischen kann. Denn nur
durch die Vorfinanzierung des Bedarfes der Haushalte richtet sich die
Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Bürger und nicht die Bürger nach
den Bedürfnissen der Wirtschaft.
*einen zinsfreien Kredit, den sie dann mit ihren laufenden Einkünften
immer gleich wieder tilgen.
Ein Geldsystem/Zahlungsmittelsystem kann (1)durch bloßes Verteilen von
Zahlungsmitteln entstehen (Freigeld), es kann (2) als sekundäre
Erscheinung der Finanzierung der Staatsaufgaben mittels
Zahlungsmittschöpfung entstehen (Vollgeld à la Huber). Es kann aber
auch, (3) wie es heute noch der Fall ist, durch längerfristige
Bankenkredite entstehen. Dabei werden Kredit-Tilgrechte zu
Zahlungsmittel. Geschäftsbankengeld ist ein Tilgrecht, mit welchem
Geschäftsbankenkredite getilgt werden können. Dass Geschäftsbankengeld
(Giralgeld) gleichzeitig auch noch Forderungen auf Zentralbankgeld sind,
oder sein können, ändert daran nichts und hat nur etwas mit dem
Zahlungsverkehr von G-Bank zu G-Bank zu tun.
Das Verrückte ist dabei, dass im Falle (1) und (2) zuerst Geld und erst
dann erst längerfristige Kredite vergeben werden können, aber im Falle
(3), dem bestehenden System zuerst längerfristig Kredite vergeben werden
müssen um dabei un actu Geld zu schaffen.
Gruß, Georg
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, piraten, 26.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, alex, 26.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, Nicolai Haehnle, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, alex, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, Pieter hogeveen, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, Pieter hogeveen, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, Nicolai Haehnle, 29.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, alex, 30.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, alex, 26.04.2012
- [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel, Georg Schmid, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel, alex, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel, Georg Schmid, 27.04.2012
- [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel, Georg Schmid, 27.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, alex, 26.04.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geld als Zahlungsmittel - Frage zum Wikitext, alex, 27.04.2012
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