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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtschaft

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtschaft


Chronologisch Thread 
  • From: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
  • To: Andreas Schouten <andreas.schouten AT leben-in-hanau.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtschaft
  • Date: Sun, 5 Feb 2012 13:23:37 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo zusammen,

erst einmal vorneweg ein Hinweis auf diese Seite hier:
http://econviz.org/macroeconomic-balance-sheet-visualizer/

Ist zwar auf englisch, eignet sich aber prima, um die verschiedenen
Vorgänge, über die hier diskutiert wird, nach zu vollziehen.

Zum Beispiel kann man unter den ganzen Bilanzen bei "Choose Operation"
die "Bank Loan" auswählen und dann auf "Run Op" klicken. Dann wird per
Animation gezeigt, wie sich die Bilanzen von Banken und Haushalten
verändern.

2012/2/5 Andreas Schouten <andreas.schouten AT leben-in-hanau.de>:
> Nadija hat eine Einlage von 100€ bei der Bank. Die Mindestreserve beträgt 1%
> der Einlage. (Nicht der der Giralgeldmenge
> http://de.wikipedia.org/wiki/Mindestreserve.)
>
> Also kann die Bank mir (max.) 99€ leihen. Sie tue das im Fallbeispiel für 10
> Jahre.

Nö. Ein besseres Beispiel ist:

Nadja gründet eine Bank mit Eigenkapital von 1.000.000€. Mit diesem
Eigenkapital kauft sie zunächst Bundesanleihen. In ihrer Bilanz sind
also 1.000.000€ in Bundesanleihen als Aktiva, und 1.000.000€ in
Eigenkapital als Passiva.

Nun kommt Otto und möchte sich 10.000.000€ leihen. Nadja überprüft
seine Kreditwürdigkeit und Sicherheit, und räumt ihm daraufhin ein
Guthaben von 10.000.000€ ein. Ihre Bilanz hat jetzt Aktiva 1.000.000€
Bundesanleihen + 10.000.000€ Forderung an Otto; Passiva sind
10.000.000€ Guthaben von Otto und 1.000.000€ Eigenkapital.

Damit wird tatsächlich die Mindestreserveregel verletzt. Die EZB hat
den Mindestreservesatz auf 1% gesenkt. Eine Möglichkeit für Nadjas
Bank ist nun, Bundesanleihen im Wert von 100.000€ an eine andere Bank
zu verkaufen. Ihre Aktiva sind nun 10.000.000€ Forderung an Otto,
900.000€ Bundesanleihen, und 100.000€ Reserven. (Natürlich gibt es
auch noch andere Möglichkeiten, an Reserven zu kommen.)

Die tatsächliche Grenze für Kreditvergabe dieser Art sind aber nicht
die Mindestreserven, sondern die Eigenkapitalquoten. Korrigiert mich,
wenn ich das falsch berechne - hier komme ich auch immer wieder
durcheinander: die Eigenkapitalquote beträgt Eigenkapital / Summe der
Aktiva, also 1.000.000€ / 11.000.000€ = ca. 9%, wohingegen die
Risk-Weighted-Equity ratio 1.000.000€ / 10.000.000€ = 10% beträgt
(Staatsanleihen und Reserven gelten als risikolos, deswegen taucht
hier nur der Kredit an Otto im Nenner auf).

Solange diese Quoten nicht die entsprechenden Grenzen unterschreiten,
kann Nadja fröhlich weiter Kredite vergeben. Erst wenn die Quoten an
die Grenze stoßen, muss sie mehr Eigenkapital aufbauen, um mehr
Kredite vergeben zu können.

Ganz wichtig ist dabei, dass Spareinlagen eben *kein* Eigenkapital
sind. Das ist auch sinnvoll so: Eigenkapital ist der Puffer, den die
Bank bei Fehlentscheidungen verlieren darf. Spareinlagen sollen aber
bei Fehlentscheidungen der Bank nicht verloren gehen können, und
deshalb zählen sie auch nicht zum Eigenkapital dazu.

Typische Möglichkeiten, um Eigenkapital zu erhöhen, wäre Aktien
auszugeben oder Gewinne der Bank einzubehalten. Bankanleihen können
auch als niederwertigeres Kapital gelten (Tier II laut
Basel-Regulierungen, wenn ich mich nicht irre - wie gesagt, bitte
korrigieren, wenn ich in solchen Details falsch liege).

> Die Bank leiht mir also Geld ohne über eine Einlage zu verfügen. Wenn sie
> dann die Einlage von Nadja entgegen nimmt, wird sie in der Folge nie ein
> Problem haben ihr ihre Einlage wieder auszuzahlen.
> Und deshalb bedarf es auch keines Interbankenmarktes.
>
> Bei Deiner Vorstellung der Kreditvergabe durch Geschäftsbanken mag die
> Bilanzierung richtig bleiben. Der Haken liegt jedoch im Buchungsvorgang.
>
> Wie ich Dich verstanden habe, kann ich einen beliebigen Kredit aufnehmen
> solange der Bank meine Sicherheit genügt.
> Wenn sie mir den Kredit auszahlt, bucht sie ein Guthaben auf mein Konto. Im
> Gegenzug würde sie ein bankinternes Konto belasten. Da sie jedoch keinerlei
> Einlagen hat würde die Bank ein internes Konto führen, welches nun einen
> negativen Betrag aufweist.

Nein, das ist falsch - bei der Kreditvergabe wird kein internes Konto
belastet. Die Bilanz der Bank wird durch Kreditvergabe nicht umgebaut,
sondern verlängert. Siehe den Balance Sheet Visualizer, hier noch mal
der Link: http://econviz.org/macroeconomic-balance-sheet-visualizer/

Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.




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