ag-soziale_marktwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Wirtschaft, Finanzen, Soziales - soziale Marktwirtschaft
Listenarchiv
- From: "Daniel " <ppdaniel71 AT googlemail.com>
- To: "'porcupine87'" <porcupine87 AT news.piratenpartei.de>, <ag-soziale_marktwirtschaft AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?
- Date: Mon, 7 May 2012 18:04:04 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-soziale_marktwirtschaft>
- List-id: "Wirtschaft, Finanzen, Soziales - soziale Marktwirtschaft" <ag-soziale_marktwirtschaft.lists.piratenpartei.de>
Hi,
Eine wichtige Aussage der Österreicher ist, dass in einem konjunkturellen
Abschwung vermehrt diejenigen Unternehmen Pleite gehen, die nicht fit sind
(sei es, dass sie ihre Kosten nicht im Griff haben oder z.B. ihre Produkte
auf Grund des technologischen Fortschrittes nicht mehr gebraucht werden
etc.). Dadurch werden Ressourcen freigesetzt, neue Unternehmen entstehen und
die Wirtschaft kann wieder weiter wachsen mit dann insgesamt gesünderen
Unternehmen.
De facto sagen sie, dass insolvente Unternehmen Pleite gehen müssen. Das
macht normalerweise auch Sinn und eine Wirtschaft die sich dem widersetzt
indem sie alle Unternehmen, die von einer Pleite bedroht werden, mit
Staatsgeldern stützt wird selbst immer weniger wachsen, die Unternehmen
werden generell immer schlechter dastehen und am Schluss der Staat auch.
ABER: Dies betrachtet nur die Insolvenz-Seite bzw. normale
Wirtschaftszyklen. In einer Finanzkrise kommt eben ein gravierendes Problem
hinzu. Urpsrünglich von Irving Fisher 1933 beschrieben: The Debt-Deflation
Theory of Great Depressions (hier:
http://fraser.stlouisfed.org/docs/meltzer/fisdeb33.pdf). Meines Erachtens
das Wichtigste was auch zur aktuellen Finanzkrise geschrieben worden ist und
das vor fast 80 Jahren!
In einer Wirtschaft, in der der Leverage hoch ist (viele Schulden ggü. wenig
Eigenkapital) und viele Aktiva gebraucht worden sind um gesichertes Funding
zu erhalten (Collateralized Funding), führt die Pleite eines großen
Institutes zu folgendem Verhalten:
Der Collateral wird verwertet (sprich verkauft) --> Drückt auf die
Assetpreise --> bringt weitere Marktteilnehmer in Bedrängnis --> Weitere
Aktiva werden verkauft, um seine eigene Position zu sichern/Liquidität zu
generieren --> Drückt weiter auf die Aktiva --> Weitere Banken/Fonds geraten
in die Pleite --> Aktiva werden verwertet und verkauft etc. etc.
Die Folge ist, dass eben keine Bank (und danach kein Unternehmen) mehr an
Liquidität ran kommt (Banken halten ihre Liquidität ein, damit sie selbst
nicht illiquide werden. Wenn das aber alle versuchen, dann bekommt niemand
mehr Liquidität = Credit Crunch) und dadurch solvente Banken/Unternehmen
illiquide werden (wodurch sie per Definition insolvent werden). Durch den
Zwangsverkauf von Aktiva und Unternehmenspleiten kommen die Finanzwerte noch
stärker unter Druck und lösen weitere Zwangsverkäufe etc. aus. Diese
Pleitewelle stoppt dann eben bei hohem Verschuldungsgrad nicht aus sich
selbst heraus und bringt eben auch "gesunde" Unternehmen/Banken in die
Pleite. Deshalb braucht es dann einen "Lender of Last Resort" und diese
Abwärtsspirale zu durchbrechen.
Dies ist aktuell auch wieder zu sehen bei den Eurozonen Staaten. Man hat
einen "ungesunden" Staat (Griechenland), dessen Problem dazu führen, dass
sich auch andere Staaten nicht mehr refinanzieren können (Irland/Portugal),
bzw. die Kosten für die Refinanzierung so hoch werden, dass die Solvenz
dieser Länder massiv in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies setzt sich dann
weiter fort (Spanien/Italien). Wenn diese Spiral nicht unterbrochen wird
(was die EZB vorerst mit den LTROs getan hat), dann ist davon JEDER Eurozone
Staat mit der Zeit betroffen. Auch Deutschland würde (halt als einer der
letzten) von der Spiral in den Abgrund gezogen werden. Man merke: Es gibt
für jeden größeren Schuldner ein Zinsniveau, bei dem er insolvent wird!
Hier die "Reinigung" zu verlangen überschiesst das Ziel total, kreiert
unnötige Staats-/Banken-/Unternehmenspleiten und damit extreme soziale
Probleme.
Es bedarf hier kurzfristig eines "Lenders of Last Resort" und mittelfristig
eben einer Re-Regulierung der Finanzmärkte/Banken (und einer Rückführung der
Verschuldung über moderat höhere Inflation). Mehr Eigenkapital, eine
realistische Insolvenzordnung für Finanzinstitute etc.
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von:
ag-soziale_marktwirtschaft-bounces+ppdaniel71=googlemail.com AT lists.piratenpa
rtei.de
[mailto:ag-soziale_marktwirtschaft-bounces+ppdaniel71=googlemail.com AT lists.p
iratenpartei.de] Im Auftrag von porcupine87
Gesendet: Montag, 7. Mai 2012 17:00
An: ag-soziale_marktwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft]Führt ein zu freier Markt zu
Monopolen?
@Daniel
Warum schreibst du nicht direkt in dem Forum auf der Webseite? Welche
Vorteile bietet da Outlook?
> Zur Bankenpleite in 2008: Das Problem ist nie, wenn 1 oder 2 Insitute
> isoliert Pleite gehen (in keiner Branche), das Problem ist, wenn durch
> die Pleite eines großen Institutes das nächste in den Abgrund gerissen
> wird und danach das nächste bis alle Pleite sind.
Jaja und dann wäre wieder ein Hitler an die Macht gekommen. Also auch wenn
es nicht von dir kommt, und Sozialisten eher auch gegen diese Rettungen
waren, hab ich das Argument schon öfter gehört. Schön, wie alle wissen, was
passiert wäre, wenn. Und wüsste man es nicht besser, würde man auch keinem
Heroinjunky den Entzug nahelegen, denn sonst stirbt man. Also immer weiter
das Zeug nehmen. Falls es in den nächsten Jahren nicht zum erwarteten
wirklichen Crash kommt, nehme ich das womöglich wieder zurück. Ich habe aber
auch lange pro Bankenrettungen argumentiert.
Mittlerweile vertrete ich andere Ansichten. Die Boomphase (02 bis 08) war
die Zeit in der Fehler gemacht werden, während in der Bust-Phase
(Krisenzeit) korrigiert würde. Unternehmen gehen pleite, Löhne fallen
schneller als Verbraucherpreise etc. bis das Produzierte wieder genau dem
Konsumentenwünschen entspricht und es ginge geordnet weiter. Aber nur, wenn
die Geldmenge stabil wäre (= /nicht /mit dem Wirtschaftswachstum mitwächst).
Das heißt: weitgehend konstante Geldmenge.
Also den werde ich hier womöglich mal noch vorstellen, ist aber eher für
Fortgeschrittene:
http://en.wikipedia.org/wiki/Austrian_business_cycle_theory
(aber eine geniale Theorie, auch wenn sie heute jeder ablehnt^^)
> Der Vergleich mit 1995 hinkt halbwegs: Damals war das Nominalwachstum
> auf Grund höherer Inflation auch höher und somit konnten höhere Zinsen
> bezahlt werden.
Die Realzinsen waren trotzdem höher.
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/3/3a/Inflation1951-2007.svg
http://www.markt-daten.de/charts/zinsen/staatsanleihen-g20.htm#deutschland
Ich nenn mal ein paar willkürliche Beispiele:
1974 Inflation: 6,9% Zinsen: 11%
1990 Inflation: 2,6% Zinsen auf 10-Jährige Anleihen: 7%
1993 Inflation: 4,4% Zinsen: 8%
1999 Inflation: 0,6% Zinsen: 4%
-> Real etwa 3-4%
Ab 2000 immer etwa 1,5% Inflation, aber die Zinsen fallen auf etwa 3-4%,
also real nur noch 2 - 2,5%.
Dass die Zinsen heute so niedrig sind, liegt freilich auch daran, dass
deutsche Anleihen so begehrt sind.
--
Ag-soziale_marktwirtschaft mailing list
Ag-soziale_marktwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-soziale_marktwirtschaft
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, (fortgesetzt)
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Christoph "Pluto" Puppe, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Christian . Seiler, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Christian . Seiler, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Christoph "Pluto" Puppe, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Christian Schmidt, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 04.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 05.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 07.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 07.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 07.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 07.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 09.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, Daniel , 09.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 09.05.2012
- Re: [Ag-soziale_marktwirtschaft] Führt ein zu freier Markt zu Monopolen?, porcupine87, 04.05.2012
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.