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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?


Chronologisch Thread 
  • From: Wolfgang Gerstenhöfer <wolfgang.gerstenhoefer AT gmx.de>
  • To: "'AG Gesundheit'" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?
  • Date: Tue, 9 Jun 2015 12:20:07 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Syna,

zunächst danke ich Reinhard für seine Ausführungen. Leider sehe ich schwarz
dafür, daß es uns in den nächsten Jahren noch gelingen wird, den Anteil der
erwerbstätigen Bevölkerung signifikant zu steigern.

Wie ich bereits geschrieben habe, sind mir die Schwächen des
Kapitaldeckungsverfahrens - gerade in der aktuellen wirtschaftlichen
Situation - durchaus bewußt, aber eben auch die des Umlageverfahrens.

Daher möchte ich beide Finanzierungsverfahren miteinander kombinieren. Du
setzt nach wie vor ausschließlich auf das Umlageverfahren, das davon lebt,
daß es in den jeweils nachfolgenden Generationen viele Erwerbstätige und
damit viele Beitragszahler gibt. Das ist aber schon lange nicht mehr der
Fall, ob uns das nun gefällt oder nicht.

Du meinst, daß das Umlageverfahren die Last auf starke Schultern verteilt.
Das sehe ich auch so. Deshalb möchte ich das Element der Umlage und damit den
Sozialausgleich in den Bereich des Steuer- und Transfersystems verlagern.
Dort gibt es noch wesentlich mehr und stärkere Schultern - z. B. Unternehmen.
(Außerdem entspricht es der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, der
negativen Einkommensteuer oder des Bürgergelds.)

Bestimmte Dinge muß der Staat machen. Das sehe ich ein. Er muß die
hoheitlichen Funktionen ausüben und dabei mit Hilfe der parlamentarischen
Kontrolle und der Gewaltenteilung bzw. -trennung immer wieder in seine
Schranken verwiesen werden ("Checks and Balances").

Der Staat, die Politik entwickelt sehr schnell ein Eigenleben. Politiker sind
nun einmal nicht die besseren Bürger und schon gar nicht die besseren
Unternehmer. Sie neigen grundsätzlich dazu, daß Geld anderer Menschen
leichtfertig auszugeben und Beschlüsse zu fassen, die andere "ausbaden"
müssen und für die sie letztendlich keine Verantwortung zu übernehmen
brauchen.

Ich vertraue daher mehr auf die liberale und damit soziale Marktwirtschaft
mit einem starken Staat, der die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden
Wettbewerb setzt und deren Einhaltung beaufsichtigt, und nicht auf einen
Staatsmonopolkapitalismus oder eine Zentralverwaltungswirtschaft.

Ich möchte weder eine DDR 2.0 noch einen "Wilden Westen".

Und dabei gilt für mich: Lieber wenige Marktmechanismen als gar keinen Markt.
Natürlich bedarf es im Bereich der Krankenversicherung einer gewissen
Regulierung, aber die muß nicht bei 100 Prozent und vor allem nicht
ausschließlich in den Händen von Politikern und Beamten liegen.

Denn trotz der weitgehend zu recht bestehenden starken Regulierung der
heutigen privaten Krankenversicherung funktioniert der Wettbewerb mit Blick
auf die Verwaltungskosten (Wirtschaftlichkeit) und den Kundenservice, aber
auch im Hinblick auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den
Leistungsausgaben, mit dem Geld der Versichertengemeinschaft.

Die Versicherten müssen als Kunden (Service), als Patienten (Qualität) und
als Beitragszahler (Wirtschaftlichkeit) geschützt werden, und das
funktioniert nach meiner Überzeugung am besten mittels der Marktmechanismen
einerseits und einer materiellen Staatsaufsicht unter Beteiligung aller
Akteure des Gesundheitswesens andererseits. (Du siehst, der Staat hat bei mir
auch eine Funktion.)

Beste Grüße
Wolfgang

Übrigens habe ich nichts gegen Politiker (= Menschen, die sich politisch
engagieren), zu denen ich mich selbst durchaus zähle. Ich bin nur dafür, daß
Menschen in erster Linie für sich selbst entscheiden können und dürfen und
möglichst wenig für andere entscheiden dürfen und müssen.


Solidarität der derzeitigen Privatversicherten:
Sie finanzieren die gesetzliche Krankenversicherung auch noch über den Teil
ihrer Steuern, die in den Gesundheitsfonds fließen und den Krankenkassen
zugewiesen werden.

BVerfG, 1 BvR 706/08 vom 10. Juni 2009:
Den Gesetzgeber trifft eine Beobachtungspflicht im Hinblick auf die Folgen
der Gesundheitsreform 2007 für die Versicherungsunternehmen und die bei ihnen
Versicherten. (Diese Beobachtungspflicht dient dem Zweck, die Grundrechte der
Privatversicherten und der privaten Krankenversicherer zu wahren.)

http://de.wikipedia.org/wiki/Basistarif#Verfassungsm.C3.A4.C3.9Figkeit










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