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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] +++Urgent+++ Massenrollout eGK (elektronische Gesundheitskarte) / Staats-Gesundheitstrojaner

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] +++Urgent+++ Massenrollout eGK (elektronische Gesundheitskarte) / Staats-Gesundheitstrojaner


Chronologisch Thread 
  • From: Thorsten Wagner <wagner.thorsten AT gmx.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>, michaela_bach AT web.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] +++Urgent+++ Massenrollout eGK (elektronische Gesundheitskarte) / Staats-Gesundheitstrojaner
  • Date: Wed, 26 Oct 2011 12:32:18 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Michaela,

manchmal habe ich den Eindruck, dass du dir eine Elekronische
Patientenakte wie eine Art große Excel Tabelle vorstellst, in dem alle
Daten aus den letzten Jahrzehnten abgelegt sind. Das ist natürlich nicht
so. Auch brauch man keine Angst vor "Datenmüll" zu haben - nichts wird
wohl einfacher sein als Informationen auf einen gewissen Zeitraum zu
begrenzen (neben vielen anderen Filtermöglichkeiten). Wenn man von
elektronische Akten spricht, darf man auch nicht davon ausgehen, dass
die Informationen alle abgetippt werden sollen. Vielmehr liegen die
Daten von Anfang an digital vor. Viele Informationen können digital sehr
strukturiert und formalisiert erhoben werden, so dass eine zusätzliches
"Keywording" von Seiten der Ärzte garnicht notwendig ist. Freitexte
können auch geparst werden. Den Wortschatz können beispielsweise
Nomenklauturen ala SNOMED liefern. Dass ein papierloses Krankenhaus
möglich ist, zeigt beispielsweise in großen Teilen das Krankenhaus in
Oberhausen. Auch arbeitet das MVZ Kretzmann in Dortmund schon in weiten
Teilen papierlos. Da ich nun eher in der medizinischen Bild- und
Signalverarbeitung tätig bin und nur noch wenig mit medizinischen
Informationssystem zu tun habe, kann ich die Liste leider nicht beliebig
weiter führen, ich bin aber sicher, dass sich noch zahlreiche weitere
Pionierkrankenhäuser finden lassen. Ich spreche hier also nicht von
Dingen, die nur abstrakt auf Papier stehen, utopisch sind oder sonst
unvorstellbar.
Ärzte müssen auch zu einem gewissen Maß bereit sein, diese neuen
Strukturen anzunehmen und sich anzueignen.

Ich schlage vor, uns für die weitere Diskussion auf eine Elektronische
Fallakte zu beschränken - das scheint mir momentan am
wahrscheinlichsten, da die Gematik 2010 schon davon gesprochen hat, eine
Elektronische Fallakte als Mehrwertdienst später bereitzustellen.
Desweiteren gib es hierzu auch schon umfangreiche Information und eine
Spezifikation ( http://www.fallakte.de/ ), die Basis für eine weitere
Diskussion sein kann. Über EPAs im Allgemeinen zu sprechen, ist
sicherlich interessant, da es aber hierzu nicht viel Konkretes bezüglich
der EGK & TI gibt, würde ich die Diskussion gerne auf die EFA beschränken.

Wärst du und die anderen Diskussionseilnehmer damit einverstanden?

Viele Grüße
Thorsten

Am 26.10.2011 11:39, schrieb mb:
> Hallo Birger,
>
> ich habe oft den Eindruck, ein Nichtmediziner macht sich vollkommen
> falsche Vorstellungen darüber, welche alten Daten für einen Arzt von
> Bedeutung sind.
>
> Wir benötigen Informationen über wichtige Vorerkrankungen (am besten in
> Form eines bereits vorhandenen Arztbriefes, den der Hausarzt
> normalerweise gern kopiert). Unwichtig sind unzählige
> Bagatellerkrankungen, die einen so im Laufe des Lebens zum Arzt führen
> (Erkältungen, Miniverletzungen, Magenprobleme usw. usw). Auch die
> allermeisten jahrealten Befunde sind absolut uninteressant. Wozu braucht
> man denn 5 Jahre alte Laborwerte, alte Rezepte, Überweisungen,
> Kassenanfragen, EKGs etc. Sollte für selten erforderliche
> Verlaufsbeobachtungen doch mal was Altes erforderlich sein, kann man
> auch ein paar Tage warten, bis die Daten vom Hausarzt angefordert sind
> (jeder Arzt muss alles 10 Jahre aufbewahren).
>
> Von den uninteressanten, absolut überflüsigen Informationen gibt es
> unendlich viele. Wichtig sind nur ganz wenige Daten. Und die wenigen
> tatsächlich wichtigen Daten gehen einfach unter in dem ganzen Datenmüll.
> Die Vorstellung, ich soll mich auf einem Server durch hunderte von
> Dateien wühlen, vielleicht noch ohne zu wissen, ob tatsächlich irgendwas
> relevantes vorhanden ist, ist schrecklich.
>
> Du empfiehlst, dass Daten bereits beim Abspeichern entsprechend
> gekennzeichnet werden sollen. Und wer soll das machen? Natürlich der
> Arzt, dem hier erneut ein bürokratisches Monster zugemutet bwird–
> selbstverständlich ohne Bezahlung. Mit welcher Hingabe diese
> Kennzeichnung erfolgen wird, kann man sich wohl denken. Wird dann aber
> ein wichtiger Hinweis in Uraltunterlagen übersehen, hat man den nächsten
> Haftpflichtprozess an der Backe.
>
> Interessant für den Arzt ist die aktuelle Medikation des Patienten,
> aktuelle Untersuchungsbefunde und Berichte anderer Ärzte und mit
> Einschränkung einige Notfalldaten. Die haben aber problemlos direkt auf
> der eGk Platz.
>
>
>
> Und dann immer wieder die Alternative: Meinen Klarsichordner kann ich
> selbst sortieren. Die Daten auf der eGK aber wahrscheinlich eher
> nicht/weniger. Ich würde z.B. nicht wollen, dass mein Orthopäde, den ich
> wegen Plattfüßen aufsuche, meine gynäkologische oder psychiatrische
> Anamnese erfährt – die braucht der nicht. Gehe ich aber zum Gynäkologen,
> sind die Angaben möglicherweise wichtig. Wie soll ich als Patient mit
> sinnvollem Aufwand Daten sperren?
>
>
>
>
>
> Hatte ich mal erwähnt, dass der Austausch von medizinischen Daten
> zwischen den verschiedenen Einrichtungen mein Forschungsgebiet ist?
> Insofern kann ich ja eigentlich nichts anderes behaupten, dass das was
> bringt :) Es gibt aber tatsächlich viele gute Argumente für EDV. Ich
> zähle mal auf, was an einem Klarsichtordner total doof ist:
>
>
>
> - Geht verloren
>
>
>
> - Schlechte Handhabbarkeit (im Vergleich zu einer Karte). Der chronisch
> Kranke fährt dann bald mit einem LKW vor.
>
> Darum geht es ja gerade. Niemand will sich durch einen
> Lastwagen von Daten wühlen sondern relativ zielgerichtet nur Zugang zu
> den wichtigsten Daten haben –mehr Infos, als in einen dünnen
> Klarsichtordner gehen kann kein Arzt verarbeiten
>
>
>
> - Unter Umständen findet sich der Arzt mit den ausgedruckten Dokumenten
> aus anderen Praxen oder KH nicht zurecht. Medizinische Dokumentation ist
> von Krankenhaus zu Krankenhaus (und Praxis zu Praxis) unterschiedlich.
> Bekommt der Arzt die Daten in seinem gewohnten Format auf seinen
> Bildschirm ist er effektiver.
>
> Wieso soll sich denn ein Arzt mit fremden Unterlagen nicht
> zurechtfinden. Das macht er doch ständig. Ein unterschiedliches
> Erscheinungsbild ist sogar sehr vorteilhaft, da man dann auf einen
> kurzen Blick gleich sieht, ob es sich um Laborbefunde,
> Krankenhausberichte oder sonst was handelt. Dadurch kann man viel
> schneller und gezielter suchen. Dateien sehen auf den ersten Blick alle
> gleich aus, man muss sich dann erst Namen oder Vorschauen etc. anschauen.
>
>
>
> - Woher kommen die Daten für den Ordner? Die müssen ausgedruckt werden.
> Das klappt nicht mit allen Software-Systemen gut (leidvolle Erfahrung).
> Zudem muss Arzt oder Patient die Druckkosten bezahlen.
>
> Ich kenne keinen Arzt, der dem Patienten nicht gern eine
> Kopie vom letzten Krankenhausbericht macht oder irgendwelche wichtigen
> Befunde ausdruckt. Ein Karteikartenausdruck ist hingegen vollkommen
> verzichtbar. Wer soll mit den Kürzeln des einzelnen Arztes denn
> irgendwas anfangen. (Übrigens jeder Facharzt muss dem Hausarzt pro
> Quartal einen Bericht über den Patienten zusenden – das ist schon genug
> Müll, der sich selbstverständlich problemlos kopieren lässt)
>
>
>
>
>
> - Medienbruch: beim Abtippen von Daten treten Fehler auf. Ich durfte mal
> in der Pharmafirma für jeden Probanden einer Studie 3x15 Laborparameter
> abtippen. Will ich die Daten eines Patienten in mein Praxissystem
> einpflegen kostet das Zeit
>
> Wer soll den auf die Idee kommen, für den Patienten irgendwas
> abzutippen. Wenn überhaupt sind Befundkopien (z.B. Laborbericht) intessant.
>
>
>
>
>
> - Ich kann das ganze nicht elektronisch durchsuchen oder
> verarbeiten.Geht per Hand viel schneller, s.o.
>
>
>
> - Lesbarkeit von handschriftlichen Dokumenten (Dosierung!!!)Niemand ist
> an handschriftlichen Unterlagen interessiert, was soll denn da Wichtiges
> draufstehen. Rezepte werden so gut wie immer digital erstellt und sollen
> dann ja wohl auf der eGK gespeichert werden.
>
>
>
> - Daten können nur jeweils beim Patienten vorhanden sein oder man muss
> eine Kopie machen (Zeit).
>
> Wenn die Daten auf dem zentralen Server sind, habe ich auch
> erst mal keine Kopie. Ich muss wichtige Daten dann runterladen,
> verlinken (oder was auch immer). Nochmal: die meisten Daten der
> Patienten sind absolut unwichtig für den aktuellen Fall. Die wenigen
> Sachen, die tatsächlich benötigt werden, kann die Arzthelferin schnell
> auf den Kopierer legen und direkt in der Patientenakte abspeichern.
>
>
>
>
>
> Ich zähle mal die Pluspunkte auf, die ich in einer Vernetzung für
> Patienten sehe (nur Punkte, die sich nicht implizit durch die obige
> Aufzählung ergeben):
>
>
>
> - Patient ist tatsächlich im Besitz seiner Daten. Mündigkeit steigt. Der
> Patient ist nicht im Besitz seiner Daten, die liegen auf dem Server. Er
> wird darauf ja wohl nicht wahllos rumlöschen können o.ä. – dann macht
> das Ganze auch wieder keinen Sinn
>
>
>
> - Vermeidung von Doppeluntersuchungennur dann, wenn der Arzt tatsächlich
> den Server gründlich durchforstet. Neuere Befunde könnten sicherlich
> auch auf einer eGK gespeichert werden
>
>
>
> - Transparenz über die Arbeit des anderen Arztes. Eventuell können dort
> Fehler gefunden und anschließend diskutiert werden.Wer will denn sowas?
> . Und was hat das mit dem Server zu tun, insbesondere dann, wenn ich die
> Unmengen an vorhandennen Daten aus Frust sowieso nicht anschaue.
>
>
>
> - Durch Integration der Daten: individuelle Nutzung der EDV (in Zukunft
> möglicherweise verstärkte Nutzung von Entscheidungsunterstützenden
> Systemen, Arzneimittelinteraktionen entdecken, Daten-Aggregation
> durchführen, verschiedene Aspekte näher beleuchten durch verschiedene
> Perspektiven etc. ). Dadurch möglicherweise höhere Behandlungsqualität
>
> - Insgesamt höhere Behandlungsqualität (ergibt sich aus den einzelnen
> Vorteilen)
>
> Nochmal: niemand wird sich durch Unmengen von Daten quälen, dadurch
> werden Informationen eher verloren gehen.
>
>
>
>
>
> Hoffe, dass Dich das ein Stück weit überzeugen kann.
>
>
>
>
>
> Viele Grüße,
>
>
>
> Birger
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