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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Landärzte und Zugangsquoten - Überversorgung, Fehlverteilung oder Ärztemangel?

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Landärzte und Zugangsquoten - Überversorgung, Fehlverteilung oder Ärztemangel?


Chronologisch Thread 
  • From: Morgan le Fay <input.output AT freenet.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Landärzte und Zugangsquoten - Überversorgung, Fehlverteilung oder Ärztemangel?
  • Date: Fri, 09 Apr 2010 07:13:00 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Am 09.04.2010 00:05, schrieb Hans-Jürgen Fischer:
Morgan le Fay schrieb:


die Zahlen allein sind nicht ausreichend.
Die Zahlen sind belastbar! Simpel übersetzt: 1955 haben 832 GKV-Versicherte
einen Arzt ernährt, 1965 ernährten 709 Versicherte einen Arzt, 1975 waren es
nur noch 524 Beitragszahler, 1985 mussten 391 GKV-Versicherte bereits einen
Arzt unterhalten. 1995 mussten bereits 299 Beitragszahler einen Arzt
schultern und 2005 trugen 268 Versicherte die Last eines Arztes. Wer
Lust hat, kann diese Reihe gerne für 2015, 2025 oder gar 2035 hochrechnen.
Demografische Hochrechnungen weisen bis 2030 einen (Netto-)Bevölkerungsrückgang von ca. 3 Millionen Menschen (dann also knapp 79 Mios) aus.
Ich bezweifle, dass sich das auf die einzelne Praxis nennenswert auswirkt.
Ich würde Deine o.g. Zahlen gerne analysieren und mit meinen Infos abgleichen. Hättest Du mir eine Quellenangabe?
weil die Patienten im Schnitt heute älter und damit häufiger und länger
erkranken und diese Erkrankungen den Arzt auch mehr binden.

Ein Arzt hat, außer im akuten Fall keine Patienten, sondern er macht sich
seine Patienten. Natürlich gibt es Compliance-Probleme, aber es gibt auch
unnötige Behandlungen oder fragwürdige Medikationen, etwa um den Patienten
zu binden. Und es gibt immer mehr und breitere Diagnosen. Wer bindet mehr?
Der Arzt den Patienten oder Patient den Arzt?
Definiere "Erkrankung"! Dass es unnötige Behandlungen und fragwürdige Medikationen gibt, ist hinlänglich bekannt. Doch wo will man eine Grenze ziehen zwischen objektiv behandlungsbedürftigen Erkrankungen und subjektiven Wehwehchen.
Auch hier wiederhole ich mich selbst und weise in diesem Zusammenhang auf den Begriff des sog. "Leidensdruck" hin, der auch im SGB V verankert ist und ein Kriterium sein soll, zu bewerten, ob ein Patient behandlungsbedürftig ist oder nicht. Welcher neutrale Beobachter sollte das bewerten?
Ich bin der Meinung, dass ein Arzt nicht jeden Jammerlappen gleich stationär einweisen muss, aber es kann auch nicht sein, dass "Leidensdruck" eines Patienten am Punktekonto des Arztes gemessen wird. Ich gebe gerne aus eigener Erfahrung zu: Das ist ein schwieriges Kapitel!
Du gibst das übrigens ganz korrekt wieder, was auch Kopetsch sagte: Erst die moderne Medizin hat Behandlungsfelder aufgetan, die man vor 30-40 Jahren noch gar nicht gekannt hat.
Muss man diese Felder im Zusammenhang mit der Forderung nach "bestmöglicher" medizinischer Versorgung wirklich nutzen oder ist das nur ein Instrument, das Punktekonto oder (über IGeL) die Einnahmen zu steigern? Auch hier wiederhole ich meine Forderung, die WANZ-Versorgung neu zu überdenken.
Um es mit Deinen Zahlen zu erklären: Die 257 Patienten in 2008 sind im
Schnitt öfter, länger und schlimmer krank, als die 452 von 1980.

Nein sind sie nicht, sie werden nur "tiefer und breiter" diagnostiziert.
Natürlich nimmt die Multimorbidität im Alter zu, aber das liegt auch an
einer mangelhaften Prävention. Oder man schafft neue Patienten. War
Schweinegrippe da so ein Ansatz? Als es nur die
Schwellkörperautoinjektionstherapie - SKAT gab waren Erektionsstörungen nur
eine Randerscheinung.
Siehe oben.

Die Formel Mehr Ärzte = Mehr Kosten ist mir ein bisschen zu einfach,
Volks- und betriebswirtschaftlich gesehen ist das so einfach.
Jeder neue niedergelassene Arzt verursacht einen Schwanz von Kosten. Da die
Bevölkerung schrumpft, gibt es weniger Patienten für mehr Ärzte.
Verteilungskampf? Oder neue kreative Ansätze in Diagnostik und Therapie?

Das gilt nur nach heute geltenden Finanzierungsmodi. Solange ein Arzt daran partizipiert, was er verschreibt oder eben nicht verschreibt, wenn sein Einkommen daran gekoppelt ist, wen er wie oft behandelt, solange stimmt Dein Einwand. Die Messung der Bezüge erfolgt bisher fast nur quantitativ.
Man könnte aber ja mal darüber nachdenken, ob das so bleiben muss. Einen konkreten Vorschlag dazu habe ich im Moment nicht. Ich könnte mir aber durchaus Wettbewerb unter den niedergelassenen Ärzten vorstellen, oder eine wie auch immer gestaltete qualitative Bewertung der Arbeit, die in die Bezahlung des Honorares mit einfließt. Insofern ganz klar: Verteilungskampf!
Neue "kreative" Ansätze für Diagnostik und Therapien sind einfach nicht mehr zu finanzieren.
obwohl ich ja auch schon zu bedenken gab, dass auch eine Landarztparxis
einen Haufen Geld kostet, die erst mal eingerichtet sein will. Hier muss man
Lösungen finden, sei es, dass man den Ärzten die Praxiseinrichtung
(teil-)finanziert oder/und dass sich Landärzte zusammentun und sich eben
Geräte teilen o.ä.

Nun, der Sicherstellungsauftrag liegt noch bei der KBV mit ihren
Landes-Kv'en. Eine einzelvertragliche Regelung, etwa mit einer Klink im
Einzugsbereich - etwa unter Bildung eines klinikeigenen MVZ mit angestellten
Ärzten der Klinik, könnte Bewegung in die Sache bringen. Wäre auch ein
interessanter Aspekt ("Zuweiser") und würde einen Systembruch beseitigen.
Damit keine Verträge mit einzelnen Kassen gemacht werden müssen, wäre hier
z.B. der AOK-BV, der IKK-BV oder der BKK-BV.

Wie soll das konkret aussehen? Lassen wir die vertragsrechtliche Seite mal beiseite..., wo findet denn dann eine Untersuchung der Patienten von Hintertupfing statt?
Und wie kann ausgeschlossen werden, dass man sich über das MVZ die Betten in der Klinik füllt? (derzeitige Auslastung der Kliniken ca. 70%)
Den Sicherstellungsauftrag kann man m.E. in die Tonne kloppen. Was soll denn sichergestellt werden? Wer legt das fest, was sichergestellt werden soll?
Der Patient jedenfalls offensichtlich nicht.
Und warum wird nicht "sichergestellt"? Ärztemangel in den neuen BL ist ja kein ganz neues Thema.
Wer sanktioniert eine KdöR wie den KBV wegen mangelhafter Leistungserbringung? Und wie steuert man dem entgegen?

Fragen über Fragen!

Grüße

Morgan le Fay




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