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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation


Chronologisch Thread 
  • From: "Exile (O.Herzig)" <herzig AT ono.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation
  • Date: Mon, 26 Jun 2017 04:47:16 +0200

Namd

Alexander .. vergalopier dich doch nicht so ...  ob wir was ändern, sollte mal dahingestellt bleiben,... wie können bestenfalls erstmal analysieren...
und da stell ich fest, Dein "ohne Bonitätsprufung" ist blödsinn ... (ich erinnere an Lanz bzw Chin Mayer - Schlagwort: Standart & Poors = Gewöhnlich & armeselig.. man suche unter "Fuselanleihen").

viel wichtiger ist mir Rudis Ding-Gedanke und die allgemeine Einseitigkeit der Debatte.
 
Ist es nicht so, daß "nur bares ist wahres" nach wie vor die dominante geschellschaftliche Akzeptanz besitzt (zugar beim Bitcoin würde ich einen wichtigen Teil des Erfolgs durch seine Endlichkeit definieren).
Die Argumentation ist in etwa diese:

Ich besitze ein Ding. Dieses Ding ermöglicht mir benötigte Dinge zu erwerben und auch den "Wert" von unbenötigten Dingen durch Verkauf zwischenzuspeichern (Werterhaltung - zur Not können jetzt manche "Sparen" sagen).... was kümmert mich dann euer "Geldterritorium"---

die zentralen Notwendigkeiten eines Geldsystems sind vorhanden.. das jetzt da der Staat irgendwie was davon abbekommen will, interesiert ja angeblich erstmal wenig (Zielsetzung primär Geldstabilität - laut Statuten der EZB - anderes Thema)

will meinen:
aufgrund der aktuellen Entwicklungen steht euer Zentralbankgeld auf sehr dünnen Beinen... wie alexander schon sagt, ist allen beteiligten hinreichend bekannt das "Geld" immer mal wieder "kaputtgeht" und es eigentlich nicht tun sollte.
Wenn ich mich jetzt aus dem Fenster lehnen sollte, würde ich dementsprechend dazu sagen, daß die Leute wahrscheinlich ziemlich bald an andere Dinge glauben werden.... ich vermute: 500 euro bei einer europäischen Staatsverschuldung von irgendwo bei 70-80% des BIP ist dem gewöhnlichen Bürger nicht viel Wert wenn er es erstmal versteht wie das System läuft.... (und das ist zunehmend der Fall). Eine Gold oder Silbermünze, ein bitcoin (von mir aus physisch als schöner memory stick), eine Immobilie oder Wasserechte (in einer bestehenden sozialen Ordnung die Zukunft verspricht).... die möglichkeiten sind viele. Warum soll der Bürger an dieses total pervertierte Schuldgeldsystem glauben ?

hasta soon

Exile






 



 
Am 25.06.2017 um 21:27 schrieb Alexander Raiola (a.raiola AT bzv-fr.piratenpartei-bw.de via ag-geldordnung-und-finanzpolitik Mailing List):
Hallo Rudolf,

die Geldschöpfung "aus dem Nichts" sehe ich ganz klar in der
Schuld-Geld-Ebene in Form von Zins und Zinseszins. Ich sehe Staaten mit
sehr hohen Schulden, die ihre Schulden immer nur bedienen (also die aus
dem Nichts geschaffenen Forderungen mit echten Werten begleichen) und
somit die Schere zwischen arm und reich schleichend vergrößern und das
im Fall von DE fröhlich als schwarze Null bezeichnen.

Das ist der Grund, warum Griechenland aktuell hemmungslos ausgebeutet
wird: Nichts als aus dem Nichts geschaffene Forderungen, entstanden aus
Schulden, die ein Haufen korrupter Politiker gemacht haben, ohne dass
irgendein Gläubiger vorher mal die Bonität geprüft und diese Leute in
ihre Schranken verwiesen hätte, denn Verluste werden ja sozialisiert.

Das ist der Grund, warum es in den letzten 300 Jahren sechs
Schuldenschnitte in Deutschland gab, acht in Frankreich und 13 in
Spanien. Und das muss sich ändern!

Viele Grüße
Alexander


Am 25.06.2017 um 20:33 schrieb Rudolf Müller:
Hallo Alexander,

Deine Sichtweise habe ich in meinen Texten als "Ding-Geld-Welt"
bezeichnet. Offensichtlich liegt in dieser Betrachtungsweise auch der
Grund für viele Missverständnisse. Geld als ein "Ding" anzusehen ist
weit verbreitet und es reicht offensichtlich auch dazu aus, viele
volkswirtschaftlichen Vorgänge zu erklären. Deshalb habe ich eine Seite
mit den wesentlichen Fakten zu den unterschiedlichen Sichtweisen
zusammengestellt.
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Geld,_Kredite_und_Forderungen
 


Am 18.06.2017 um 19:47 schrieb Alexander Raiola
(a.raiola AT bzv-fr.piratenpartei-bw.de via
ag-geldordnung-und-finanzpolitik Mailing List):
Hallo Comenius,

@Alexander Raiola
Deshalb wird es wohl am besten sein, dem Sparkassendirektor zu erklären,
dass das, was sich für ihn aus Sicht der Bankbetriebslehre als
Fristentransformation darstellt, aus volkswirtschaftlicher Sicht als
Geldschöpfung gesehen werden kann oder muss. Auch wenn sich beides in
den jeweiligen Begriffswelten ausschließt, bezieht es sich doch auf die
gleichen realen Vorgänge. D.h. das was der Bankdirektor _mit Recht_ als
Fristentransformation sehen kann, kann der Volkswirt _mit Recht_ als
Geldschöpfung bezeichnen, weil es zweifellos die Geldmenge erhöht und
sogar - im Zusammenwirken des Finanzsektors insgesamt - theoretisch
unbegrenzt ausweiten kann. Leider lassen sich jedoch bei einer so
differenzierten Darstellung, die Vorteile des Vollgeldes nicht mehr so
dramatisch aufzeigen, wie mit der Arnes Behauptung, die Banken  würden
Falschgeld produzieren.
Also ich sehe hier schon einen Unterschied. Geldschöpfung ist, wenn eine
Bank einfach so einen Kredit vergibt, ohne das Geld zu haben. Es wird
einfach der Betrag auf dem Konto des Kreditnehmers gutgeschrieben und
eine entsprechende Forderung an ihn erstellt, das Geld wieder
zurückzuzahlen, so dass es sich in der Bilanz wieder aufhebt, abgesehen
von den Zinsen.
Mit der Aussage: "Geldschöpfung ist, wenn eine Bank einfach so einen
Kredit vergibt, ohne das Geld zu haben." bewegst Du Dich auf der
"Ding-Geld-Ebene". Welches Geld muss die Bank denn haben, wenn sie keine
Geldschöpfung betreibt will? Geld von Sparern? Bargeld in der Kasse oder
Zentralbank-Buchgeld? Wo kann ich dieses "Geld" in der Bankbilanz bzw.
Bankbuchführung finden?

Wie Du schreibst, wird einfach der Betrag auf dem Konto des
Kreditnehmers gutgeschrieben. Das dabei entstandene "Giralgeld" ist eine
Forderung des Kreditnehmers an die Bank und von der Bank aus gesehen
eine Schuld gegenüber dem Kreditnehmer. Um dieses Giralgeld zu erhalten
muss der Kreditnehmer sich jedoch auch gegenüber der Bank verschulden.
Es sind also zwei Schuldverhältnisse gleichzeitig entstanden, welche
sich in ihrer Fristigkeit unterscheiden. Ein weiterer Unterschied
besteht darin, dass die Schuld der Bank gegenüber dem Kreditnehmer zwar
einen Kredit des Kreditnehmers an die Bank darstellt aber auch
gleichzeitig ein Zahlungsmittel darstellt, wohingegen die Schuld des
Kreditnehmers gegenüber der Bank nur in dem Kredit besteht.
Warum diese umständliche Erklärung?

Unser heutiges "Geld" besteht nur aus Forderungen. Giralgeld ist eine
Forderung an die Geschäftsbank und Bargeld eine Forderung an die
Zentralbank, welche aber wiederum nur über die Geschäftsbanken
realisiert werden kann. Welche "Forderung" muss demnach vorhanden sein,
damit ein Kredit ohne Geldschöpfung erteilt werden kann? Es kann sich
dann doch nur um einen Vermögenswert auf der Aktivseite der Bilanz handeln.

Problematisch erscheint mir zudem die Beschränkung auf einen einzelnen
Vorgang bei Banktransaktionen. Die Bank erteilt einen Kredit und erhöht
das Bankguthaben des Kreditnehmers. Damit ist zusätzliches "Giralgeld"
entstanden, ohne dass hierzu ein anderes Konto belastet wurde. Diese
Einzelbetrachtung spiegelt jedoch den tatsächlichen Ablauf in einer Bank
nicht wieder, sondern ist nur auf eine Einzelaktion beschränkt, die
keine Aussage über die Bankgeschäfte als Ganzes erlaubt. Genau hierin
liegt der entscheidende Fehlschluss. Die Bank betrachtet keineswegs
jeden einzelnen Kreditvorgang und die dazu erforderliche Refinanzierung,
(Refinanzierung = Beschaffung von Fremdmitteln für Kredite) sondern
sieht und bewertet die Gesamtsituation ihrer Fremdmittel und wie diese
eingesetzt sind.
Ein Hauptziel der Bank ist, immer zahlungsfähig zu bleiben. Würde sie
fristenkongruent arbeiten, also nur einen Kredit ausreichen wenn sie von
einem Kunden einen entsprechenden Kredit erhalten hat, wäre sie immer
zahlungsfähig. Bereits frühzeitig hat man erkannt, dass diese
Vorstellung nur eine rein theoretische ist und sich praktisch nicht
umsetzen lässt. Die Forderung nach einer fristenkongruenten
Refinanzierung wurde aufgegebenen und durch eine Mischung aus
verschiedenen Anforderungen an die Zahlungsfähigkeit einer Bank ersetzt.
Das Ergebnis lässt sich grob in der Bankbilanz erkennen.

Die Bank besitzt einen erheblichen Anteil an "täglich fälligen
Schulden", das Giralgeld der Nichtbanken. Für diese Schulden hat sie
keinen entsprechend großen Anteil an "täglich fälligen Forderungen" auf
der Vermögensseite. Dies braucht sie aber auch nicht, da nicht sämtliche
Bankkunden ihre "täglich fälligen Forderungen" an die Bank beanspruchen,
d.h. sie ziehen ihr "Giralgeld" nur zu einem geringen Teil ab. Diese
Erkenntnis wurde 1857 von Adolf Wagner in seiner "Bodensatztheorie"
verarbeitet. Hier liegt eine extreme Fristentransformation vor, da nur
langfristige Vermögenswerte zur Deckung auf der Aktivseite
gegenüberstehen. Hierin ist auch die Schaffung von "Giralgeld" zu sehen,
da für die Bodensatz-"Geldmenge" keine gleichfristigen Vermögenswerte
vorhanden sind.

Andere Positionen der Schuldenseite wie Spar- und Termingelder,
Bankschuldverschreibungen und Schulden gegenüber anderen Banken zeigen,
dass die Bank hier Zinsen aufbringen muss, um diese Kunden zu bewegen,
ihre Forderungen an die Bank längerfristig auf Eis zu legen.
Diesen längerfristigen Schulden gegenüber Kunden und anderen Banken
stehen auch längerfristig angelegte Vermögenswerte auf der Aktivseite
gegenüber.

Wenn ich Fristentransformation richtig verstanden habe, dann erschafft
sie kein Geld aus dem Nichts, sondern man verleiht das Geld, das sich
auf Tagesgeldkonten befindet. D.h. die Bank spekuliert darauf, dass
nicht alle Leute ihr Geld auf einmal abheben und es daher ungefährlich
ist, einen gewissen Prozentsatz des Geldes zu verleihen oder damit zu
wirtschaften. Das ist etwas, das könnte man mit einem Vollgeldsystem
auch tun, auch wenn es meiner Meinung nach moralisch zweifelhaft ist. Es
ist eben Zockerei.

Viele Grüße
Alexander
Wenn Du sagst, sie verleiht Geld, dass sich auf Tagesgeldkonten befindet
bedeutet dies bankintern, die Bank erschafft keine neue Schuld (neues
Geld) sondern verleiht die Schulden, die sich auf Tagesgeldkonten
befinden. Dies Aussage macht so natürlich keinen Sinn. Wenn die Bank
darauf spekuliert, dass nicht alle Leute gleichzeitig ihr Bankguthaben
in Anspruch nehmen und aus dieser Erkenntnis folgend einen neuen Kredit
ohne Refinanzierungsmaßnahme herausgibt, betreibt sie
Fristentransformation. Sie erhöht ihre langfristigen Vermögenswerte (die
Forderung an den Kreditnehmer kommt hinzu) und erhöht gleichzeitig ihre
täglich fälligen Schulden, die Erhöhung des Kontostandes des
Kreditnehmers. Die Aussage, dass es sich bei dem erteilten Kredit ohne
Refinazierungsmaßnahme um Fristentransformation handelt ist zutreffend,
jedoch nicht Deine Begründung mit den Tagesgeldkonten.

In einem Vollgeldsystem könnte auch Fristentransformation in der von Dir
angedeuteten Weise vorgenommen werden. Die Girokonten wären zwar als
Treuhandkonten für die Bank tabu, aber wenn Du der Bank selbst "Geld"
überweist, kann sie mit diesem Geld arbeiten. Bankintern hast Du auf
Deinem Girokonto "Forderungen an die Zentralbank". Diese Forderungen
überträgst Du auf ein von der Bank geführtes Terminkonto (kein
Treuhandkonto). Aus der großen Anzahl an Terminkonten bildet sich wie
bei den heutigen Girokonten ein Bodensatz an nicht in Anspruch
genommenen Forderungen von Kunden. Diesen brauchen deshalb nicht täglich
fällige Vermögenswerte gegenüber zu stehen. Es reichen langfristige
Vermögenswerte wie Forderungen an Kreditkunden.

Deine moralischen Zweifel zur "Geldschaffung" (oder gleichwertig
Fristentransformation) hat bereits der Brockhaus 1896 zum Ausdruck
gebracht.

    /"Aus der ursprünglich von B. zum Teil nur mißbräuchlich geschehenen
    Verwertung der hinterlegten Beträge entwickelte sich sodann im Laufe
    der Zeit eine geordnete und erlaubte Verwendung derselben, wodurch
    die B. in die Lage kamen, nicht nur auf die Einhebung von Gebühren
    für die Einlagen verzichten zu können, sondern selbst dafür Zinsen
    zu entrichten."
    /

Hier ging es um die "Auszahlung" von Bargeld an Kreditkunden im
Goldwährungssystem. Die Bank erhielt von Kunden Gold- und Silbermünzen
und erhöhte diesen im Gegenzug ihr Bankguthaben. Die im Tresor
vorhandenen, und sich im Eigentum der Bank befindlichen Gold- und
Silbermünzen, wurden für Auszahlungen an Kreditkunden verwandt. Auf der
Vermögensseite hatte die Bank nur die längerfristigen Forderungen aus
dem Kreditvertrag. Bei einem Bank Run wäre sie zahlungsunfähig geworden.
Aufgrund der praktischen Erfahrung des Bodensatzes geschah dies jedoch
im normalen Geschäftsbetrieb, bei genügend Vertrauen in die Bank und
außerhalb von Kriegszeiten, nicht.
Das Eigentum an dem "hinterlegten Bargeld" war zeitweise ein
Streitpunkt. War man der Meinung, dass das hinterlegte Bargeld sich noch
im Eigentum der Einlieferer befand, ist die " /mißbräuchlich geschehenen
Verwertung" /offensichtlich. Wenn nicht, kann man nur die Erhöhung des
Bankrisikos zugunsten des Profits der Bank beanstanden, da im
Insolvenzfall die Kunden die Zahlmeister des Profits sind.

weitere Quellen:
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Geldarten
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Bodensatztheorie

Wieder etwas zu lang geworden diese Antwort. Wenn Du, Alexander oder
andere Leser noch Fragen habt, bitte diese stellen und mich auch auf
unverständliche Stellen hinweisen.

Beste Grüße
Rudi Müller


 

-- 
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