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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>, AG AG-Geld <AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation
- Date: Mon, 5 Jun 2017 14:33:43 +0200
Zwei Fragen möchte ich noch ergänzen: welche Dienstleistung
erbringt eine Bank für ihren Kunden bei der Einräumung eines
Darlehens Deines Erachtens überhaupt? Denn ihre Zinsforderung
stellt sie ja für genau diese Dienstleistung in Rechnung. Warum Banken - wenn sie doch Deines Erachtens mit
selbstgeschaffenem Geld unbegrenzt viel risikofrei einkaufen
können - überhaupt jemals Kostendruck spüren (wie momentan durch
die niedrigen Zinssätze, worauf sie u.a. mit Rationalisierung und
massivem Personalabbau reagieren), würde mich ebenfalls sehr
interessieren. Gruß Wolfgang Am 05.06.2017 um 14:24 schrieb
Moneymind:
Lieber Rudolf, vielen Dank für Deinen sehr schönen Beitrag, auch die Hinweise
auf deine Beiträge zur goldenen Finanzierungsregel, der
Bodensatztheorie und der Shiftability-Theorie. Ich habe alles
gelesen. Du hast das sehr schön strukturiert und erklärt, alle
Achtung. Das Problem sehe ich weniger darin, daß das, was Du schreibst,
nicht stimmen würde, mal abgesehen von einer Reihe von
vermeidbaren Mehrdeutigkeiten durch die Verwendung ungenügend
präzise definierter Begriffe. Sondern eher darin, daß wichtige,
fürs Verständnis der Dynamik einer Kreditwirtschaft
entscheidende Aspekte fehlen. Vielleicht aber hast Du diese ja
anderswo auf Deinen Seiten beschrieben. Ich möchte Dir dazu
daher einige Fragen stellen und würde mich freuen, wenn Du sie
aus Deiner Sicht beantworten könntest, gerne wieder auch mit
Hinweis auf Beiträge auf deinen sehr informativen und
übersichtlich angelegten Seiten. Ich beginne lediglich mit einem Beispiel, und entwickle dann
daraus eine Reihe von Fragen, die sich für die idealtypischen
Situationen von "Boom" und Finanzkrise ("Bust") mithilfe von
Bilanzdarstellungen und einigen Spezifikationen (wie
Fälligkeitstermine und erwartungsabhängige Bewertungen von
Aktiva (bei Finanzaktiva: Nominalwert abzüglich Diskont, also
erwartungsabhängige Schätzung von Diskontsätzen) beantworten
lassen. Auf Deine Anwort freue ich mich. Ich beginne mit einem Zitat aus Deinem
"Bodensatztheorie"-Artikel: Das Problem besteht hier darin, daß Du nicht zwischen den unterschiedlichen Situationen Boom und Finanzkrise unterscheidest. Banken wußten sehr wohl, daß im Boom kaum Noten zur Bareinlösung präsentiert oder die Barauszahlung von Guthaben verlangt wurde. In dieser Situation reichte ein "Bodensatz" an Bargeld ("Teilreservesystem"). In den damals häufigen Finanzkrisen hingegen tendierten die Kunden dazu, sämtliche Guthaben in bar abzuziehen und sämtliche Noten in bar einzulösen. Dies führte immer wieder zu Pleitwellen von Banken (und auch Unternehmen der Realwirtschaft). Ebenfalls fehlen in Deinen Betrachtungen Diskont- und Zinssätze und deren Veränderung in Boom und Bust. Ich würde nun von Dir wissen, wie sich solche Booms und Krisen deiner Ansicht nach abspielen: im Kopf der Beteiligten Akteure selbst - und vor allem in ihren Bewertungen ihrer Aktiva. Hierzu einige Fragen:
Du könntest diese Fragen z.B. anhand des dotcom-booms und der
Lehman-Pleite 2008 mit der anschließenden Finanzkrise
beantworten. So weit erstmal - danke & Gruß Wolfgang Am 05.06.2017 um 08:55 schrieb Rudolf
Müller:
Hallo Wolfgang,
Als ich vor ca. 3 Jahren mal bei einer Veranstaltung mit Brodbeck und Huber war, in der es um Vollgeld ging, stand der lokale Sparkassendirektor auf und sagte: "ich weiß nicht worüber sie reden mit dieser Geldschöpfung - wir machen Fristentransformation." Ein typisches Beispiel für die Sprachverwirrung zwischen Volkswirten und Bänkern. Die Volkswirte modellieren sich das Geldsystem und den Bankensektor so zurecht, wie sie ihn für ihre volkswirtschaftlichen Betrachtungen gerne hätten. Was dabei in den Banken tatsächlich insgesamt abläuft, interessiert sie offensichtlich nicht. Die Funktion unseres Geldsystems mit Guthaben und Schulden wird in Sach- und Lehrbüchern der Volkswirtschaftslehre zwar vielfach beschrieben und erklärt, bei der Erklärung von Geld beschränken die Autoren sich vielfach auf die Funktionen von Geld und wie Geld eingesetzt wird. Wie Geld entsteht, wird überwiegend entweder nicht erläutert, oder es wird auf die Entstehung der Tauschwirtschaft verwiesen. Neu wird jetzt wieder die bereits im 19. Jahrhundert bekannte "Geldschöpfungstheorie der Banken" aus der Schublade hervorgeholt und als neue Erkenntnis angepriesen. (z. B. Norbert Häring, Die Bundesbank versucht über Geldschöpfung aus dem Nichts aufzuklären – vergeblich, http://norberthaering.de/de/27-german/news/818-bundesbank-geldschoepfung) Die Bänker hingegen leben in ihrer eigenen Welt. In der Bankbetriebslehre und den Fachbücher über Banken und das Kreditwesen kommt das Wort "Geldschöpfung" so gut wie garnicht vor. Das Stichwort „Geldschöpfung“, unter welchem die Entstehung von Geld eigentlich beschrieben werden sollte, sucht man teilweise vergebens. Wird die Geldschöpfung beschrieben, so geschieht dies auf weniger als zwei Seiten in einem Buch mit über 1000 Seiten. Im Wesentlichen beschränken sich die Erklärungen auf folgende Aussage: „Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken erfolgt durch Kreditgewährung und Buchung der eingeräumten Kredite auf Konten. Das so entstandene Buchgeld ist seinerseits die Grundlage für weitere Kreditgewährungen durch die Banken.“ Nun kommt noch der Satz des oben erwähnten Sparkassendirektors hinzu: "ich weiß nicht worüber sie reden mit dieser Geldschöpfung - wir machen Fristentransformation." In der o. g. Veranstaltung trafen offensichtlich die Mitglieder zweier unterschiedlicher Gruppen aufeinander, die nicht die gleiche Sprache benutzten. Sie interessierten sich jedoch auch offensichtlich nicht für den Sprachgebrauch der jeweils anderen Gruppe. Überzeugt von der eigenen Vorstellung über die Funktionsweise des Geldsystems wird die Auseinandersetzung mit der jeweils andern Meinung als unnötiger, nicht zielführender Aufwand angesehen. Geldschöpfung der Banken aus volkswirtschaftlicher Sicht Unbestritten ist wohl heute die Aussage, dass in einem Kreditvorgang sowohl eine neue Forderung der Bank an den Kreditnehmer entsteht wie auch gleichzeitig eine neue Forderung des Kreditnehmers an die Bank. Diese Forderungen unterscheiden sich im Wesentlichen in den zugrunde liegenden Fristen. Während die Kreditforderung der Bank erst nach z. B. 2 Jahren fällig ist, besteht für die Forderung des Kreditnehmers an die Bank keine Frist. Die Forderung des Kreditnehmers an die Bank, unser "Giralgeld", ist sofort fällig. Dieser unterschiedlichen Fristigkeit wird von Volkswirten jedoch keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Aus ihrer Sicht schöpfen die Geschäftsbanken im Kreditvorgang neues "Geld" aus dem Nichts. Die Formulierung "aus dem Nichts" soll andeuten, dass "neues Geld" = "täglich fällige Verbindlichkeit der Bank gegenüber den Kunden" geschaffen wurde, ohne dass die Bank über entsprechende täglich fällige Forderungen (z.B. Bargeld, täglich fällige Guthaben bei der Zentralbank oder bei anderen Banken) verfügt. Das den "täglich fälligen Verbindlichkeiten der Bank gegenüber den Kunden" langfristige Forderungen und Vermögenswerte auf der Aktivseite gegenüberstehen, wird dabei verschwiegen. Fristentransformation aus Bankensicht Unter Fristentransformation wird allgemein verstanden, dass ein Kreditnehmer z. B. einen Kredit über 10.000 € für 5 Jahre benötigt, jedoch kein Sparer bereit ist, diesen Betrag für 5 Jahre festzulegen. Der Sparer möchte den Betrag nur für 1 Jahr festlegen. Die Bank gewährt den Kredit, muss demnach nach einem Jahr einen neuen Sparer finden, der ebenfalls bereit ist, einen Sparbetrag in dieser Höhe für ein Jahr festzulegen. Die Bank benötigt somit zeitlich hintereinander 5 Sparer mit einem Sparbetrag von jeweils 10.000 €, um dem Kreditnehmer den Betrag von 10.000 € für 5 Jahre zur Verfügung zu stellen. 5 Jahresfristen hat sie zu einer 5-jährigen Frist transformiert. In dieser Fristentransformation wird eine wesentliche Funktion unseres Bankensystems gesehen. Was geschieht aber mit dem "Giralgeld", den täglichen Forderungen der Kunden an die Bank? Der einzelne Kunde wird sein Giralgeld für Überweisungen oder aber Barauszahlungen benutzen. Betrachtet man jedoch den gesamten Giralgeldbestand einer Bank stellt man fest, dass dessen Summe sich nur noch unwesentlich verändert, in der Tendenz immer steigend. Obwohl also der Bankkunde sein Giralgeld täglich für Zahlungen verwenden kann und dies auch tut, besitzt jede einzelne Bank einen "Bodensatz" an Giralgeld, der stets vorhanden ist. Dieser wirkt sich wie ein dauerhafter Kredit der Bankkunden gegenüber der Bank aus. In Höhe dieses Bodensatzes kann also die Bank langfristige Kredite vergeben ohne sich der Gefahr auszusetzen, dass es zu Zahlungsengpässen kommt. Ohne die Erkenntnis über diesen Bodensatz müsste die Bank soviele "täglich fällige Aktiva" besitzen wie sie an Giralgeldern auf den Konten ihrer Kunden verbucht hat. Dann hätte sie fristenkongruent finanziert, dass heißt, den täglich fälligen Forderungen der Kunden an die Bank auf der Passivseite würden auch täglich fällige Forderungen auf der Aktivseite gegenüberstehen. Aufgrund destatsächlich vorhandenen Bodensatzes ist dies jedoch nicht erforderlich. Die Bank hat tägliche fällige Kredite ihrer Kunden erhalten, deren Giralgelder, und finanziert damit langfristige Kredite an Kreditkunden. Sie betreibt Fristentransformation auf der höchsten Stufe, d. h. aus Krediten ohne Frist generiert sie langfristige Kredite. Fazit An Gemeinsamkeiten lässt sich bei beiden Betrachtungen feststellen, dass "täglich fällige Verbindlichkeit der Bank gegenüber den Kunden" neu geschaffen wurden, ohne dass diesen auch "täglich fällige Forderungen der Bank" gegenüberstehen. Die Volkswirte bezeichnen diesen Vorgang als "Geldschöpfung", wohingegen die Banken von "Fristentransformation" sprechen. So einfach lässt sich das anfängliche Sprachproblem zwischen Volkswirten und Bänkern lösen. Die gegenseitige Position muss lediglich ernsthaft wahrgenommen und untersucht werden. Otto Hübener beschreibt bereits 1853, dass bei der Fristentransformation die Bank etwas verkauft, was sie zum Zeitpunkt der Kreditgewährung noch nicht besitzt. Eine Form von ungedecktem Leerverkauf. weiter Informationen: http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Goldene_Bankregel http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Bodensatztheorie http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Das_Geldr%C3%A4tsel:_Shiftability-Theorie Mit den besten Grüßen Rudi Müller |
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Amos comenius, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Alexander Raiola, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Amos Comenius, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Amos comenius, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 08.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 07.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Amos comenius, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Arne Pfeilsticker, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Stephan Schwarz, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Rudolf Müller, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 08.06.2017
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- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 08.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 06.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Sebastian Alscher, 05.06.2017
- Re: [AG-GOuFP] Geldschöpfung vs Fristentransformation, Moneymind, 06.06.2017
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