Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?
  • Date: Fri, 18 Sep 2015 01:41:30 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>



> Am 17.09.2015 um 21:55 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
>
> Hallo Arne,
>
>> In meiner neuen „funktionalen“ Gelddefinition schlage ich folgende
>> Betrachtungsweise vor:
>> Einen „Wert“ an sich gibt es nicht. Was wir als „Wert“ wahrnehmen ist de
>> facto ein Tauschverhältnis zwischen den Rechten. Und Geld ist innerhalb
>> seines Währungsraums das Referenztauschverhältnis.
>
> Da würde ich gern die Frage stellen, wer nimmt denn bei einem Recht jeweils
> die Bewertung vor? Und wie genau macht er das (Schritt 1, 2 ... X)? Welche
> Kriterien, Überlegungen, Erwartungen, Ziele etc. fließen in die Bewertung
> ein?

Die Tauschverhältnisse kommen in einem kollektiven Prozess zustande. Die
einzelnen Einflussfaktoren sind vielfältig. Am einen Ende stehen spekulative
Erwartungen und am anderen Ende so banale Notwendigkeiten, dass wenn ich
Durst habe, ich was zum Trinken brauche.

Tauschverhältnisse können, aber müssen nicht der Ausdruck von „Wert“ im
allgemeinen Sinne haben. Tauschverhältnisse entstehen durch mehr oder weniger
manipulierte Angebots- und Nachfragefunktionen.

Luft hat nur in speziellen Fällen einen Tauschwert, obwohl ohne sie, jeder
von uns innerhalb von Minuten tot wäre.


>
> Man könnte die Frage noch differenzieren:
>
> - Wie bewerten Schuldner typischerweise die Eigentumsrechte auf der
> Aktivseite ihrer Bilanz?
> - Wie bewerten deren Gläubiger typischerweise dieselben Eigentumswerte?
>
> Worin gleichen sich die Kriterien, Erwartungen, Ziele etc., die Gläubiger
> und Schuldner in ihre Bewertung einfließen lassen?
>
> Worin unterscheiden sie sich?
>
>> ...
>>>>> Welche Rolle spielt "Geld" bei Vermögensveränderungen oder beim
>>>>> Vermögenserhalt?
>>>> Geld und insbesondere die anderen Finanzprodukte, wie Derivate, blähen
>>>> das Bruttovermögen auf und generieren „Schein“-Erträge und
>>>> „Schein“-Einkommen, mit denen man aber genauso in der Realwirtschaft
>>>> einkaufen kann, wie mit hart verdientem Einkommen aus der Realwirtschaft.
>>> Worin besteht der "Schein", wenn Vermögen auch bei "Sachvermögen"
>>> (Eigentumsrechten an materiellen Produktionsmitteln z.B.) immateriell ist
>>> und aus Rechten + Erwartungen (aus denen sich die Bewertung, d.h. der
>>> Wert ergibt) besteht?
>> Der „Schein“ bezieht sich nur auf den Finanzsektor und nicht auf die
>> Realwirtschaft.
>
>> Ich suche selbst noch nach einer treffenden Beschreibung.
>
> Ja, ich auch.
>
> Klar dürfte sein, daß die Metapher "Schein" nicht sonderlich weiterführt
> (genausowenig wie der Begriff, den Marx vor 150 Jahren verwendet hat und
> der etwas ähnliches auf ähnlich unpräzise Weise ausdrückt: "fiktives
> Kapital").
>
>> Was ich meine ist, dass sehr viele Finanzprodukte im Wesentlichen nur eine
>> Funktion haben: Aus Geld noch mehr Geld zu machen, um mit dem daraus
>> generierten Einkommen in schmarotzender Weise Güter der Realwirtschaft
>> kaufen zu können.
>
> Ja. Aber aus Vermögen mehr Vermögen zu machen ("Gewinn") ist doch das
> Kernziel der gesamten Privatwirtschaft, auch bei real produzierenden
> Unternehmen, oder nicht?

Ja, aber mit dem kleinen Unterschied, dass das Gewinnstreben im Realsektors
an die Produktion von realen Gütern gebunden ist, während der Teil des
Finanzsektors, der nicht mit dem Realsektor direkt verbunden ist, de facto
ein Spielkasino ist.

>
> Der Finanzsektor will dabei aus Finanzvermögen mehr Finanzvermögen machen
> und tut das, indem er u.a. eine Fristen- und Risikotransformation macht und
> dabei Risiken eingeht, die die Zentralbank prinzipiell über Geldpolitik
> kontrollieren / steuern kann.
>
> Aber auch der Realunternehmer geht ein Risiko ein, nämlich das Risiko, die
> aus seinen vorfinanzierten Vorprodukten hergestellten Produkte nicht
> absetzen zu können und damit insolvent zu werden.
>
> "Eigentlich" verhalten sich Risiko und Gewinnmöglichkeit dabei proportional
> zueinander ... aber natürlich strebt jeder Unternehmer nach möglichst hohem
> Gewinn bei möglichst niedrigem Risiko.
>
> Kontrolle über die Geldpolitik der Zentralbank bedeutet für die GBen, ihre
> Risiken minimieren zu können.
>
>> Das Situation der von mir angesprochenen Finanzprodukte ist vergleichbar
>> mit der von Falschgeld. Ein Geldfälscher bringt Geld in das System und
>> kann mit diesem Geld alles kaufen, was für Geld zu haben ist. - Aber
>> diesem Geld steht unterm Strich keine adäquate Gegenleistung des
>> Geldfälschers gegenüber.
>
> Da muß ich nochmal sagen, daß das aus meiner Sicht ein sehr irreführender
> Vergleich ist. Vielleicht nette "Rhetorik for Dummies" (sorry), aber in der
> Sache irreführend.
>
>> Würde man die Einkommen aus Finanzprodukten, die direkt nichts mit der
>> Realwirtschaft zu tun haben, mit speziell markiertem Geld bezahlen und
>> könne man dieses spezielle Geld nur zum Kauf von solchen Finanzprodukten
>> verwenden können, dann wäre dem Spuk schnell ein Ende gesetzt.
>
> Das schon. Und wie soll das praktisch gehen?

Dieser Vorschlag war als Gedankenexperiment gedacht, um das Treiben des
Finanzsektors deutlich zu machen. Aber auch eine Umsetzung wäre recht
einfach. Neben dem Euro gibt es noch einen Finanz-Euro.
>
> Aber der Sache nach sind das ja eben auch „Risikoprämien"

für Risiken, die es ohne die besagten Finanzprodukte gar nicht gäbe.

> (oder sollten es sein - inwieweit sie das sind, hängt eben entscheidend
> auch von Politik ab, da natürlich Unternehmer ständig versuchen, ihr Risiko
> zu minimieren und ihre Gewinnchancen zu vergrößern, thats the whole game of
> capitalism). Ganz ähnlich auch in der Realwirtschaft. Der Unternehmer
> riskiert sein Vermögen für die Produktion - er kann es vermehren oder auch
> verlieren, das kann vorher keiner wissen.
>
>> Man würde feststellen, dass dieses spezielle Geld de facto wertloses
>> Spielgeld ist.
>
>
> In deinem Denkexperiment, ja. Und wie ließe es sich umsetzen?
>
>> Die Situation ist vergleichbar mit der, wenn man feststellt, dass man eine
>> „Blüte" in der Hand hält. Solange Falschgeld nicht entdeckt wird,
>> funktioniert es wie echtes Geld. Und obwohl es wie echtes Geld
>> funktioniert, müsste klar sein, dass der Geldfälscher ein Schmarotzer ist.
>
> Arne ... eine solche Analogie oder eine Metapher ist aus meiner Sicht keine
> präzise Erklärung, sondern billige und leider oft auch irreführende
> Rhetorik. Ich meine, gerade Du als sonst fast ausschließlich deduktiv
> herangehender Logiker müßtest das doch verstehen?!?

Auf einen Logik-Showdown lass ich mich gerne ein. :-)
>
>>> Ich meine, hier müssen wir möglichst präzise die Gemeinsamkeiten und
>>> Unterschiede herausarbeiten, um das besser und genauer zu klären als mit
>>> der Metapher "Schein".
>>> Daß daraus folgt, daß für eine Rückkehr zu einer "realkapitalistischen
>>> Spielanordnung" die Finanzmärkte drastisch reguliert werden, sehe ich
>>> genauso wie Du vermutlich auch.
>> Wobei die bisherigen „drastischen“ Maßnahmen nicht wirklich das Übel an
>> der Wurzel gepackt haben.
>
> Von denen habe ich ja auch nicht geredet.
>
>> Die einfachste und drastische Maßnahme wäre Vollgeld in Kombination mit
>> Transparenz und einer Geldschöpfungssteuer auf alle Finanzprodukte, sofern
>> eine direkte oder indirekte Geldschöpfung vorliegt.
>
> Wieso nicht einfach die Finanzwirtschaft drastisch regulieren?

Weil ich ein freund von Strukturen bin, die das gewünschte Verhalten auf
„natürliche“ Weise entstehen lassen. Gewalt erzeugt Gegengewalt.

> Ein internationales Währungssystem mit fixen Wechselkursbandbreiten würde
> die Möglichkeit für Währungsspekulation genauso drastisch einschränken wie
> im Bretton-Woods-System. Spekulation auf Kredit gehört komplett
> unterbunden. Wir brauchen ein Trennbankensystem. Finanztransaktionen und
> Immospekulationsgewinne gehören drastisch besteuert.
>
> Aber die flexible Kreditvergabe an die Realwirtschaft durch die
> Geschäftsbanken, die brauchen wir in meinen Augen für eine freie Wirtschaft
> - nicht einen etatistischen Supermonetarismus mit zentraler
> "Geldmengensteuerung" (ist doch längst gescheitert, und die
> Quantitätstheorie verkürzter Stuss).
>
> Allerdings muß man dann auch dafür sorgen, daß es für die Unternehmen in
> der Realwirtschaft auch wieder sinnvoll ist, sich zwecks Produktion und
> damit der Einstellung von Arbeitskräften zu verschulden. Dafür muß
> Nachfrage da sein, und die Inflation auf den Warenmärkten darf ruhig ein
> paar Prozentpunkte höher liegen (das macht es Schuldnern leichter).
>
>>>>> Inwieweit ist "Geld" dann vielleicht "Mittel zum Zweck", also um die
>>>>> Vermögensentwicklung so zu lenken, wie sie in den letzten Jahrzehnten
>>>>> verlief?
>>>> Genau so sehe ich das auch. - Und das „schöne“ daran ist, dass die
>>>> Mechanismen diese Umverteilung von Unten nach Oben kaum wahr genommen
>>>> wird. - Im Gegenteil, sie wird von den Begünstigten als Ausdruck einer
>>>> „gerechten“ Leistungsgesellschaft gesehen.
>>> Ja, aber das liegt nicht "am Geld" oder am "Geldsystem", sondern es ist
>>> Folge der herrschenden Ideologie, die auf einer grundfalschen
>>> Wirtschaftstheorie beruht - und der ordnungspolitischen - geld-, fiskal-,
>>> sozial- etc. politischen "Spielanordnung", die darauf aufbauend seit
>>> Mitte der 70er geschaffen wurde.
>> Ich vermute, dass wir hier ein Henne-Ei-Problem haben. :-)
>
> Wenn Du das glaubst, hast du meine Argumentation nicht verstanden. Wenn die
> Wirtschaftspolitik direkt vom Geldsystem determiniert wäre,

Das habe ich nicht gesagt und gemeint. Es geht um die Einflussnahme in
Verbindung mit der technischen Entwicklung. Bereits in den 70er Jahren hat
das Bundesbankvorstandsmitglied Rolf Gocht die Gefahr erkannt und wollte die
Geldschöpfung des Bankensektors abschaffen. Hätte er sich durchgesetzt, dann
hätte sich der Finanzsektor ganz anders entwickelt.

Bereits 1871 wurde mit der Gründung der Reichsbank die Geldschöpfung der
Geschäftsbanken weitgehend abgeschafft. - Allerdings wurde diese Abschaffung
mit dem Aufkommen von Giralgeld im Zusammenhang mit dem Girokonto für
Jedermann wieder ausgehebelt.

> warum gab es dann in den 50er und 60er Jahren eine völlig andere
> wirtschaftspolitische Konstellation ganz OHNE die Exzesse des Finanzsektors?

Ganz einfach: In den 50er und 60er Jahre gab es noch kein Girokonto für
Jedermann und die Geldschöpfung der Geschäftsbanken war erheblich
eingeschränkt und im Wesentlichen auf den Interbankenmarkt beschränkt.

Darüber hinaus gab es in den 50er und 60er Jahre weder die Programme noch die
Computer mit denen der Finanzsektor heutzutage arbeitet.


Gruß
Arne

>
> Gruß
> Wolfgang
>
> --
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik





Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang