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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Clearing

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Clearing


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Clearing
  • Date: Fri, 07 Aug 2015 07:24:23 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Arne,

Arne Pfeilsticker schrieb:
moneymind schrieb:
Der Grund warum ich für Vollgeld plädiere liegt hierin begründet: Wenn es sinnvoll und richtig ist, dass das Nachmachen und in Verkehr bringen von Banknoten und Münzen verboten ist, dann sollte erst recht, das Nachmachen von Geld selbst verboten sein.
Geldfälscher fälschen den Nachweis für ZB-Geld, Banken fälschen ZB-Geld.
Retorische Frage: Warum akzeptieren Geschäftsbanken untereinander i.a. nur Zentralbankgeld als Zahlungsmittel?
Antwort: Weil ein Geldfälscher nur ungern das Falschgeld eines anderen Geldfälschers annimmt. :=)
Wenn ich Dir für 100 Brötchen verkaufe, habe ich eine Forderung gegen Dich in Höhe von 100.

Hallo Wolfgang,
es gibt keine Forderungen von 100. Jedes Maß besteht aus einer Maßzahl und einer Maßeinheit.

Angenommen du hast die Maßeinheit vergessen und meinst €, dann hängt die Forderung vom Preis eines einzelnen Brötchen ab.

Wir nehmen also an, dass deine Brötchen 1 € / Stk. kosten und die Forderung somit 100 € beträgt.

Ich habe die Maßeinheit weggelassen, weil sie für das Beispiel (A und B verrechnen gegenseitige Forderungen gleicher Höhe) völlig gleichgültig ist. Die Forderungen könnten auf 100 kg Gerste oder Weizen, 100 Unzen Gold, 100 l Whisky oder 100 Euro lauten - was auch immer den Beteiligten als letztendliches Zahlungsmittel gilt.

Diese bezeichnest Du als Geld.

Im Falle eines Kaufvertrages, in dem eine offene Forderung entsteht ist der Grenzfall, bei dem ich selbst mehrfach betont habe, dass man ihn mit guten Argumenten anders sehen kann.

Die eine Überlegung ist die, dass man alle Ansprüche auf Geld als Geld definiert. Die Konsequenz ist, dass auch Ansprüche auf Geld aus Kaufverträgen als Geld bezeichnet werden. Für diese Auffassung spricht, dass - wie in deinem Beispiel gezeigt - damit Verbindlichkeiten bezahlt werden können.

Die andere Überlegung ist, dass man nur dann von Geld spricht, wenn die offene Forderungen aus einem Vertrag stammen, in dem alle Ansprüche sich auf Geld beziehen, wie z.B. in einem Darlehensvertrag.

Das erscheint mir willkürlich und nicht nachvollziehbar und zudem inkonsequent.

Der Nachteil dieser engeren Definition ist, dass im Falle deines Beispiels eine Verbindlichkeit mit etwas bezahlt wird, das kein Geld ist.

Ich glaube, mit Definitionen wie "Geld ist ..." kommen wir nicht weiter, sondern spielen das alte Spiel weiter, das immer nur wieder neue Verwirrung erzeugt. Man kann sehr kreativ immer neue Formen der Verwirrung erzeugen.

Für mich führt das nicht weiter. Ich halte demgegenüber für fruchtbarer:

- Was wollen und was tun die beteiligten Personen?
- Welche Rechtsfolgen entstehen?
- Was folgt daraus für das Tun der beteiligten Personen?

Das gilt für das obige Beispiel genauso wie für das gesamte, mehrstufige Kreditsystem.

Das ist der Grund, warum ich zu der weiten Gelddefinition neige.

Ja, sie scheint mir auch konsequenter zu sein. Wobei ich Forderungen gegen Nichtbanken deswegen nicht als "Geld" bezeichnen würde, weil sie kein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel darstellen. Anders gesagt, wenn A eine Forderung über 100 X (z.B. kg Gerste, Unzen Gold, etc.) gegenüber B hat, dann stellt diese Forderung für den A NUR GEGENÜBER B "Geld" dar. Gegenüber C .... Z sind - in einem zweistufigen System - nur die tatsächlichen 100 X "Geld", d.h. akzeptiertes Zahlungsmittel.

Eine Forderung wird zunächst nur von ihrem Schuldner als schuldbefreiendes Zahlungsmittel akzeptiert. Sie ist damit kein allgemein akzeptiertes ZM und damit nicht das, was man üblicherweise "Geld" nennt.

Wie wird nun der Personenkreis erweitert, der bereit ist, die Forderung als schuldbefreiendes Zahlungsmittel zu akzeptieren? Ich zeige das mal anhand eines Beispiels - und zwar OHNE "Definitionen" wie "Geld ist ....", sondern so, daß es meine oben aufgelisteten Kriterien für eine sinnvolle Erklärung erfüllt.

B kauft von A 10 Unzen Gold. Als letztendliches Zahlungsmittel und Wertmaßstab haben A, B und C Gerste vereinbart, deren Menge in Gewichtseinheiten gemessen wird (X kg Gerste). A verlangt für 10 Unzen Gold 100 kg Gerste, d.h. 10 Unzen Gold kosten bei A 100 kg Gerste.

Sie vereinbaren sofortige Lieferung mit späterer Zahlung (Lieferantenkredit).

A hat nun eine Forderung gegenüber B über 100 kg Gerste. Nun kauft A bei C 100 kg Weizen. C verlangt dafür 100 kg Gerste, d.h. 100 kg Weizen kosten bei B 100 kg Gerste (allg. Wertmaßstab + allg. akzeptiertes Zahlungsmittel).

A bietet C seine Forderung gegenüber dem B als Zahlungsmittel an. C zu A: "tut mir leid, aber das kann ich nur machen, wenn Du Dich mir gegenüber bereiterklärst, für den Fall, daß B nicht leisten kann, selbst zu haften. D.h. kann mir der B die 100 kg Gerste nicht geben, dann will ich sie von Dir bekommen. Versprichst Du mir also, für den B einzustehen und mir gegenüber zusätzlich zu ihm zu haften? Nur so könnte ich nämlich darauf vertrauen, daß Du wirklich überprüft hast, ob der B wahrscheinlich imstande sein wird, die Leistung auch zu erbringen, die er versprochen hat. Indem Du für ihn einstehst, zeigst Du mir, daß Du WIRKLICH darauf vertraust, daß der B im Endeffekt auch leisten kann.

A akzeptiert und überträgt die Forderung gegen den B auf den C. Damit erfüllt er die Forderung des C gegen ihn selbst (den A), die damit bezahlt und vernichtet ist.

Nun geht C vor Fälligkeit der Forderung zu B und kauft bei diesem 10 l Whisky zum Preis von 100 kg Gerste. Er bezahlt mit der Forderung gegen den B, die damit ("in Whisky") erfüllt und vernichtet wurde.

Gerste selbst - das eigentliche Zahlungsmittel - wurde für keine der Transaktionen benötigt. Sie hat nur als Wertmaßstab gedient.

Das ist das Prinzip des "Wechsels" (Zahlung per Gläubigerwechsel). Der Wechsel wird so zum allgemein akzeptierten Zahlungsmittel. Benutzt C ihn gegenüber D als Zahlungsmittel, wird der D wiederum verlangen, daß der C ihm zusätzlich haftet, etc.

Damit kann multilaterale Verrechnung beginnen. Das passierte ab dem 13. Jhdt. auf Handelsmessen. Dabei entstand im nächsten Schritt auch Handel mit Wechseln ("Wertpapieren") - und damit Banken als "Clearingstellen".

Deiner Definition nach waren alle Beteiligten Geldfälscher (weil sie keine Gerste verwendet haben) und damit Straftäter.

Ein weiterer Grund ist, dass man alle Geschäfte, bei denen Leistung und Gegenleistung nicht Zug um Zug erfolgen (so wie bei Aldi an der Ladenkasse), als ein Geschäft mit einem verdeckten Kreditgeschäft betrachten kann. Diese Betrachtung ist m.E. die sauberste Lösung, weil sie eine stetige Betrachtung ermöglicht. Spätestens wenn zwischen den Brötchen und der Butter 10 Jahre liegen, wird das Gefühl aufkommen, dass es sich beim Brötchenverkauf auch um ein Kreditgeschäft gehandelt hat.

Genau.

Nun verkaufst Du mir Butter für 100.

im Wert von 100 € ?

Einheit ist für das Beispiel beliebig, s.o. Ob Euro, kg Gerste, Unzen Gold oder Öcken - Verrechnung bleibt Erfüllung ohne Bedarf für das als ZM definierte.

Du hast eine Forderung gegen mich. Deiner Definition nach ist auch das Geld.

Siehe oben.

Jetzt bezahle ich Dich, indem Dir meine Forderung gegen Dich zurückreiche.

Umgangssprachlich ist gegen diese verkürzende Formulierung nichts einzuwenden, aber wenn wir der Sache auf den Grund gegen wollen müssen wir den Vorgang der Verrechnung in seine Details aufdröseln.

Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt erfolgt folgendes:

*1. Zahlung:* Ich zahle meine Verbindlichkeit gegenüber dir aus dem Brötchenvertrag mit der Forderung gegen dich aus dem Buttervertrag.
*2. Zahlung:* Du zahlst deine Verbindlichkeit gegenüber mir aus dem Buttervertrag mit der Forderung gegen mich aus dem Brötchenvertrag.

Ja, so hatte ich das gemeint, wollte es aber kürzer ausdrücken.

Damit sind beide Forderungen vernichtet (wir haben sie aufgerechnet und damit erfüllt und vernichtet).

Die Forderungen werden durch die beiden Zahlungen nicht vernichtet, sondern erfüllt und hören dadurch auf zu existieren.

Ich meinte genau dasselbe.

Deiner Definition nach waren das Zahlungen.

Ja, wie gezeigt.

Deiner Definition nach sind wir beide Straftäter.

In diesem Fall nicht.

?!?!?!?!? Welche Fälle sind dann ausgenommen?!?!?

Angenommen zwischen den beiden Geschäften liegt ein Tag, dann reden wir über einen Zinsverlust der Zentralbank von derzeit ca. 0,0001 €

Es gibt in dem Beispiel noch gar keine Zentralbank.

Vom Zins habe ich abgesehen, aber natürlich wird jeder private Gläubiger aus einem Kauf von seinem Schuldner Zins (Risikoprämie) verlangen. Mein Beispiel war so zu verstehen, daß die Zinsforderung im vereinbarten Forderungsbetrag bereits enthalten ist.
Beträge dieser Größenordnung halte ich nicht für strafwürdig. Darüber hinaus wäre es durchaus sinnvoll Geldschöpfung im Zuge von Lieferantenkredite im normalen Umfang zuzulassen.

Wie kommst Du darauf, daß die Zentralbank, die in dem Beispiel noch gar nicht existiert, irgendeine Forderung gegenüber A und B haben könnte? Sie war doch an den Verträgen in keiner Weise beteiligt, oder? Außerdem gibt es in dem Beispiel keine ZB.

Ich kann Deiner Argumentation beim besten Willen nicht folgen. Wo bringst Du plötzlich eine Zentralbank her?

Bei den Geschäftsbanken beträgt der entgangene Geldschöpfungsgewinne der ZB derzeit ca. 1 Mrd. € pro Jahr und liegt in Zeiten normaler Leitzinsen im zweistelligen Mrd.-Bereich.
Geldfälscher.

Streng genommen ja.

?!?!?!?

In einem Kreditgeldsystem sind Geldschöpfung und die Gewährung eines Kredits die zwei Seiten der gleichen Medaille. In deinem Beispiel wird ein verdeckter Kredit gewährt und somit Geld nach gemacht.

In meinem Beispiel wird überhaupt kein "Geld nachgemacht", in meinem Beispiel wird überhaupt kein "Geld" (allgemein vereinbartes und akzeptiertes Zahlungsmittel) benötigt, weil alle Forderungen auf Geld per Verrechnung von Kreditforderungen erfüllt wurden. Das letztendliche allgemein akzeptierte Zahlungmittel wurde dabei nicht benötigt, es wurde dabei nur als Wertmaßstab und Recheneinheit benutzt.

Irgendwie habe ich das Gefühl, daß bei Dir die Welt des Geldes ziemlich auf dem Kopf steht.

PS: Ich habe mit Nicolas Hofer gesprochen. Mein Vorschlag ist, dass wir unsere Diskussionsrunde nächsten Mittwoch in der regulären AG-Zeit ab ca. 20:30 Uhr machen. Ist für dich die Zeit OK?

Paßt bei mir nicht so gut. Könnten wir Freitag, den 14.8. um 20:30 machen?

Ich würde dabei v.a. über die Bedeutung des rechtlichen Fundaments für die Krise der Eurozone und in GR diskutieren wollen:

Du, Nicolas und ich sehen im Rechtssystem eine wesentliche, unverzichtbare Voraussetzung für das Kredit- und Geldsystem. Leider tut das sonst praktisch kein Ökonom. Die Keynesianer - auch Varoufakis - jedenfalls setzen es einfach als gegeben voraus (was für GR schlicht falsch ist). Die Juristen verstehen das Kredit- und Geldsystem und die makroökonomischen Muster, zu denen es führt, nicht.

Was passiert nun,

- wenn ein Land versucht, ein Kredit- und Bankensystem aufzubauen, OHNE vorher diese rechtlichen Fundamente (samt der dafür nötigen Institutionen) gelegt zu haben?

- wenn eine Währungsunion gegründet wird, in dem es Länder gibt, in dem diese rechtlichen Voraussetzungen fehlen?

- was folgt darauf für die Analyse der Eurokrise, und welche Lösungen impliziert das?

Diese Fragen sind zunächst mal unabhängig von den unterschiedlichen Vorstellungen, die Du bzw. Nicolas und ich von der Funktionsweise des mehrstufigen Bankensystems haben, und diesen Differenzen vorgeordnet.

Außerdem ist es ein Thema, das in der öffentlichen Diskussion praktisch nicht vorkommt, m.E. aber absolut essentiell für ein realistisches Krisenverständnis ist.




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