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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Currency vs. Credit, Nichtbanken/Geschäftsbanken/Zentralbank/Staat

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Currency vs. Credit, Nichtbanken/Geschäftsbanken/Zentralbank/Staat


Chronologisch Thread 
  • From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Currency vs. Credit, Nichtbanken/Geschäftsbanken/Zentralbank/Staat
  • Date: Fri, 20 Feb 2015 15:11:26 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>



Am 20.02.2015 um 13:04 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:

Hallo Arne,

moneymind schrieb:
Ich hangele mich in der Hierarchie am Inhalt (= Anspruch) entlang und komme in der Spitze zu einem Anspruch auf Geld gegen die Zentralbank.
Und wie worin zahlen Zentralbanken nach Saldierung ihrer gegenseitigen Forderungen untereinander bei Dir den Restsaldo? Das wäre doch die "Spitze" der Pyramide, oder nicht?
Hallo Wolfgang,
das ist eine sehr gute Frage.
Es gibt 4 Möglichkeiten den Saldo auszugleichen:
1. Der IWF ist von der Idee und Funktion her die Bank der Zentralbanken und das Zahlungsmittel ist das Sonderziehungsrecht.

Der IWF geht ja auf die clearing union zurück, funktioniert aber anders (fungierte nie als Instrument des Ausgleichs der nationalen Leistunbilanzen,

Hallo Wolfgang,

grundsätzlich funktioniert das Clearing nicht auf Leistungsbilanzebene, sondern es werden mit Sonderziehungsrechten Forderungen- und Verbindlichkeiten zwischen den Zentralbanken teilweise oder ganz ausgeglichen.

wie das Keynes' Clearing Union sollte).

Inwieweit und in welchem Umfang werden die Sonderziehungsrechte tatsächlich genutzt?

So eine Statistik würde mich auch interessieren.


2. Der Wechselkurs: Er bestimmt letzt endlich in welchem Verhältnis
Währungen gegenseitig verrechnet werden. Er ist letzt endlich entscheidend, ob es überhaupt zu einem Saldo kommt.

Ok, aber dieser Ausgleich wird nicht über Zahlungen vermittelt, sondern fungiert eher wie ein "Ausgleichsventil“.

Bei radikal flexiblen Wechselkursen entsteht erst gar kein Saldo, weil es immer ein x gibt, mit dem x * Volumen 1 * Währung 1 = Volumen 2 * Währung 2 ist. Das wäre der saldoausgleichende Wechselkurs.

Aber so radikale Wechselkursschwankungen will man aus gutem Grunde nicht.

3. Inter-Zentralbankkredite: Zur Stabilisierung des Wechselkurses und zur Umgehung des IWFs können sich Zentralbanken, analog zu Geschäftsbanken, gegenseitig Konten und damit Kredite einräumen.

Ja, aber worin werden die Restsalden (nach Verrechnung der gegenseitigen Verbindlichkeiten) beglichen?

Der Ausgleich erfolgt entweder über die Zeit, oder durch Währungsreserven. 

4. Eigentumsrechte an Währungsgold. 2005 wurden weltweit ca. 8,6% der Währungsreserven in Gold gehalten.

Ok.

Und was ist mit dem (US-)DOLLAR?!?!?
http://de.wikipedia.org/wiki/US-Dollar#Internationale_Bedeutung_des_US-Dollars

Der fällt unter Punkt 3.

Da aus meiner Sicht Geld schon zu allen Zeiten und auch alle Formen aus subjektiven Rechten bestand,
Schon der Goldstandard ist ein offensichtliches Gegenbeispiel.
Ich sagte subjektive Rechte und dazu gehören nicht nur Ansprüche, sondern auch z.B. Eigentumsrechte an Währungsgold. Gäbe es diese Eigentumsrechte nicht, dann würden nicht ca. 60 Staaten einen Teil ihrer Goldreserven in Ford Knox halten.

Ah, ok - jetzt verstehe ich Dich.

Klar, da stimme ich voll zu, und da hab ich mich genaugenommen falsch ausgedrückt. Das Eigentumsrecht am Gold stellt das Vermögen dar, das als dann als Zahlungsmittel fungiert - genau (Eigentum = immaterielles Vermögensrecht, Besitz = "physisches" Nutzungsrecht). Da haben wir Konsens.

Juristisch ist der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz wie folgt definiert:

Umgangssprachlich bezeichnet der Begriff Eigentum eine Sache. Juristisch bezeichnet der Begriff Eigentum schon immer das umfassendste Herrschaftsrecht an einer Sache. Deshalb benutze ich zur Verdeutlichung teilweise den Begriff Eigentumsrecht, was genau genommen so ähnlich ist wie weißer Schimmel.

Der Begriff Besitz bezeichnet die tatsächliche Sachherrschaft. 

Beispiel: Wenn du mit deinem Handy telefonierst, dann bist du Eigentümer und Besitzer. Wenn ich mit deinem Handy telefoniere, dann bin ich der Besitzer, aber du bleibst Eigentümer und als solcher hast du das Recht zu fordern, dass ich dir dein Handy zurück gebe. Falls ich dieser Aufforderung nicht nach kommen, dann hilft dir dabei die ganze Macht des Staates.


Allerdings braucht man dann innerhalb des (korrekten!) Begriffs "subjektive Rechte" die Differenzierung zwischen Forderungen (Gläubiger-Schuldner-Beziehung, zweiseitig, "netto" in der gesamtwirtschaftlichen Bilanz KEIN Asset, weil Asset (Gläubiger) minus Liability (Schudner) = 0, lautend auf nominalen FIXbetrag) und forderungslosen Eigentumsrechten (keine Beziehung zwischen Rechtspersonen, auch "netto" in der gesamtw. Bilanz ein asset, tagesaktuell BEWERTET - KEIN FIXER Vermögenswert).

Als Mathematiker sehe ich das anders:
Ein Anspruch ist eine Rechtsbeziehung zwischen zwei Rechtssubjekten, die sich auf eine Leistung bezieht. Dabei teil sich der Anspruch in zwei zueinander inverse Elemente. Das eine Element bzw. Ende der Beziehung nennt man Forderung und ist ein positiver Vermögenswert (= Asset). Das andere Element bzw. Ende der Beziehung nennt man Verbindlichkeit und ist ein negativer Vermögenswert (= liability).

Eine Forderung von 1.000 Euro stellt somit den gleichen positiven Vermögenswert dar, wie z.B. das Eigentumsrecht an einem Fernseher, der 1.000 Euro kostet. Das ist nebenbei bemerkt der Grund, warum man für 1.000 Euro einen Fernseher kaufen kann, der 1.000 Euro kostet. Es werden gleichwertige Vermögensrechte getauscht. 

Zueinander inverse Elemente haben die Eigenschaft, dass sie zu NICHTS werden, wenn sie zusammenkommen. Im Falle der Forderung und Verbindlichkeit verschwinden beide, wenn die Forderung durch den Gläubiger durch die zu erbringende Leistung erfüllt wird. 

Andere Beispiele für zueinander inverse Elemente sind -1 und +1 usw., oder Materie und Antimaterie.


Diese Unterscheidung ist essentiell und Kern aller Eigentums-/Kreditwirtschaft!

Die oberste Zahlungsmittelebene bestand da nicht aus Kredit, alle darunterliegenden dagegen schon, s.o. Für Gold gilt nicht Deine Definition: "Geld ist ein Anrecht auf Geld", denn Gold ist ein forderungsloser Vermögenswert,
Nicht das physische Gold ist der Vermögenswert, sondern das Eigentumsrecht am Gold ist der Vermögenswert.
Das ist der entscheidende Punkt. Normale Ansprüche sind Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen oder kleine Gruppen von Rechtssubjekten. Eigentumsrechte sind Rechtsbeziehungen zischen dem Eigentümer und gegen alle anderen Rechtssubjekte gerichtet. Also eine Art ultimativer Anspruch, der dem Eigentümer das alleinige Herrschaftsrecht über die Sache gibt.

Yap, genau - da sind wir uns völlig einig! S.o.

also ein Asset in der aggregierten gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanz, während Kreditgeld KEIN in der aggregierten gesamtwirtschaftlichen Bilanz KEIN Netto-Asset ist (da dort Verbindlichkeiten und Forderungen gleich hoch sind, das Netto-Finanzvermögen (Forderungen minus Verbindlichkeiten) dort also immer Null ist.
Ich verstehe deine Argumentation und de jure ist sie ja richtig, aber nicht de facto. Und darauf wollte ich hinweisen.

Hm, verstehe nicht ganz, wie Du das meinst. Kannst Du das bitte genauer ausführen? Wie ist es de jure richtig, aber nicht de facto (und für wen)?

Wenn dir deine Oma einen Kredit über 1.000 Euro gibt und dir bei der Übergabe des Geldes zu verstehen gibt, dass du ihr die 1.000 Euro samt Zinsen im nächsten Leben zurückzahlen kannst, dann hast du de jure eine Verbindlichkeit bei deiner Oma, de facto hat sie dir 1.000 Euro geschenkt und du hast keine Verbindlichkeit.

Und so ähnlich ist es mit den Sichteinlagen bei Geschäftsbanken. De jure handelt es sich um Verbindlichkeiten, aber de facto und bezogen auf den Bankensektor und die Zeit wird der Bestand an Sichteinlagen immer größer. Das ist wie der Inhalt eines Sees, bei dem Wasser zu- und abfließt, aber der Pegelstand ungefähr gleich bleibt oder nur steigt.

Ich meinte folgendes: Eine Forderung (z.B. "Kreditgeld" - sei es nun ein Wechsel oder Giralguthaben bei einer GB) ist aktiv verbuchtes Vermögen (Asset) für den Gläubiger, passiv verbuchte Verbindlichkeit (Schuld) für den Schuldner. In der aggregierten gesamtwirtschaftlichen Bilanz addieren wir auf der Aktivseite die Forderungen aller Einzel-Bilanzen, auf der Passivseite alle Verbindlichkeiten. Da jeder Forderung eine gleich hohe Verbindlichkeit entspricht (2 Seiten derselben Forderung), ist in der gesamtwirtschaftlichen Bilanz die Summe der Forderungen gleich der Summe der Verbindlichkeiten. Das Netto-Finanzvermögen innerhalb einer Bilanz ermittelt man, indem man die Verbindlichkeiten von den Forderungen abzieht. In der Gesamtw. Bilanz ("Globalsatz") ist das per definitionem im Saldo immer gleich Null - also netto weder asset noch liability. In der Gesamtwirtschaftlichen Bilanz ist Netto-Gesamtvermögen (EK) daher = forderungslose Vermögenswerte.

Und was meintest Du mit, "de jure schon, de facto nicht“?

Von de jure und de facto spreche ich dann, wenn die rechtliche Bewertung eines Sachverhaltes von der tatsächlichen deutlich abweicht.

Wenn du mit einer Frau X verheiratet bist und mit einer anderen Frau Y zusammen wohnst und lebst, dann würde ich sagen, dass du de jure mit der Frau X verheiratet bist, aber de facto nicht, weil der Sinn und Zweck der Ehe darin besteht eine Lebensgemeinschaft zu bilden.

Die Unterscheidung zwischen de jure und de facto ist m.E. der Schlüssel zum Verständnis ökonomischer und politischer Sachverhalte. 


Es gäbe auch andere historische Gegenbeispiele, aber um zu zeigen, daß Deine Definition nicht allgemeingültig ist, genügt eines.
Beispiel: In einer Gesellschaft, die keine Eigentumsrecht kennt oder durchsetzt, sind auch Goldmünzen kein Geld, weil sobald sie aus der Hand gelegt werden, kann sie ein anderer nehmen.
Ja, völlig richtig. Da sind sie bloßes Tauschmittel - ein "Tauschgut" wie jedes andere auch, und weder Ausdruck eine Verpflichtungsbeziehung, noch erfüllt es eine vertragliche Verpflichtungsbeziehung. Sondern lediglich eine "informelle", vorrechtliche gegenseitige Verpflichtung ("Reziprozität" nennen die Ethnologen das).
Geld wird auch nicht wirklich benötigt, weil ohne Eigentumsrecht alles von allen genutzt werden kann.
Das wiederum halte ich für einen Fehlschluß. Eigentum schließt zwar Nutzungsrechte ein, beschränkt sich aber nicht darauf. Und die Abwesenheit von Eigentumsrechten bedeutet nicht die Abwesenheit von Nutzungsrechten: /Besitz/ansprüche gibt es auch in Stammesgesellschaften.
http://www.academia.edu/5900626/Theil_Eigentum_und_Verpflichtung_PDF
Der zweite wichtige Unterschied liegt darin, dass es den Unterscheidung zwischen money (means of final settlement) und credit (= promise to pay money, means of delaying final settlement) nur gibt, wenn man Gold als das ultimative Geld betrachtet.
Nein Arne, das ist ja gerade Mehrlings Punkt: ob eine Forderung als "money" gelten kann oder "nur" als credit, hängt davon ab, auf welcher Ebene der Pyramide Du agierst. Für Nichtbanken ist Giralgeld (Verbindlichkeiten) der GBen "Geld". Aber für die GBen nicht - für die ist es nur "credit", weil sie untereinander - nach Verrechnung/clearing - in Zentralbankgeld zahlen müssen. Für Zentralbanken wiederum ist ZB-Geld nur credit und kein Geld, weil sie untereinander eben in "Weltgeld" zahlen - im Goldstandard war es Gold, heute ist es Dollar - also ist die FED ausgenommen, für sie ist ihr ZBG eben auch "Geld".
D.h. die Unterscheidung credit/money bleibt wichtig und sinnvoll, aber sie hängt vom jeweiligen Standpunkt und Kontext ab. DAS ist der ganze Punkt, den Mehrling macht und DIESER Punkt ist es, der die ganze Kontroverse currency vs. credit (bei der Du dich auf die credit-seite der banking theory schlägst), eben auflösen kann in einem allgemeingültigen Modell, das die Realität korrekt beschreibt.
Lies noch einmal nach. Der Unterschied zwischen currency vs. credit wird i.a. darin gesehen, dass currency ein Zahlungsmittel ist, das sich auf ein Eigentumsrecht bezieht, d.h. für alle Wirtschaftssubjekte ein Aktiva ist und bei keinem Wirtschaftssubjekt als Passiva auftaucht. Während beim Kreditgeld (credit) das Zahlungsmittel aus einer Forderungs-/Verbindlichkeitsbeziehung besteht.

Das wäre jetzt DEINE Definition.

Nein, das ist m.E. die Standarddefinition. Siehe  z.B. die Dissertation von Charlotte Bruun 'Logical Structures and Algorithmic Behaviour in a Credit Economy' Online unter:
http://personer.samf.aau.dk/fileadmin/freesite/users/19/forskning/phd/chap1.pdf

Hier heißt es z.B. auf Seite 6: 

The issues we shall focus on are; whether money is perceived as a net-asset or not 

Wenn money ein net-asset (= Eigentumsrecht) ist, dann spricht sie von currency, sonst von credit.


In meinem Verständnis ist die Unterscheidung zwischen currency und credit die, daß credit eine Forderung auf currency darstellt.

Was sind dann deines Erachtens Euro-Banknoten? Currency oder credit?

Viele Grüße
Arne




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