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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Narrative ökonomischer Vernunft (I): Was produzieren Banken?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Narrative ökonomischer Vernunft (I): Was produzieren Banken?


Chronologisch Thread 
  • From: David Finsterwalder <d.finsterwalder AT gmail.com>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Narrative ökonomischer Vernunft (I): Was produzieren Banken?
  • Date: Sun, 15 Feb 2015 17:55:10 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hey Patrik,

Hab mir das nochmal angesehen. Deine Pokeranalogie passt. Das ist die korrekte Erklärung warum die Normalverteilung zu einer Lognormalverteilung wird. Für das "reale Phänomen" der "Superreichen" reicht das aber noch nicht ganz. Du schreibst ja im Wiki, dass der Zins noch das Tüpfelchen auf dem i ist. Auch das ist korrrekt. Der "fat-tail" der Lognormalverteilung kommt von Gewinnen die prozentual zum vorhanden Vermögen sind. Ich bevorzuge es aber nicht vom "Zins" sondern allgemein von "vermögensabhängigen Gewinnen/Verlusten" zu sprechen. Die stochastischen Effekte gelte ja auch in einem "Nettogeld System". "Vermögensabhängige Gewinne/Verluste" schließt ja den Zins mit ein, und erfasst noch eine größere Menge möglicher Finanzsysteme. Ich finde das besonders wichtig wegen dem Mythos des "fehlenden Zinses" und überhaupt diesem ganzen Fokus auf "Schulden" und das "Schuldgeldsystem". Alles nur Symptome und man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr! Stochastische Betrachtungen - selbst wenn sie nur heuristisch sind - helfen hier einen klaren Kopf zu bewahren!

Übrigens kann man sich den Unterschied zwischen dem Trend zur Lognormalverteilung mit und ohne "fat-tail" in dieser Wirtschaftssimulation schön ansehen. Dazu einfach mal den Gewinn von "2% des Vermögens" auf einen fixen Wert von 1 Vermögenseinheit stellen. Dann sieht man, dass sich die Normalverteilung recht lange hält (aber immer mehr bei 0 landen).  


http://www.lutanho.net/trading/wirtschaftskreislauf.html


Übrigens würde ich eine Normalverteilung der Vermögen (wenn sie denn konstant bliebe) nicht als Problem sehen und auch nicht als "Ungleichverteilung" bezeichnen. "Ungleichverteilung" lässt sich mathematisch sauber definieren: Siehe Gini-Koeffizient. 

Das Beste an der ganzen stochastischen Betrachtung ist, dass man auf Begriffe wie "Gerechtigkeit" und "Gier" verzichten kann. Aufgrund des Eintretens bei vollkommener Chancengleichheit kann man sich hier gegen ideologische Angriffe der "Leistungsträger" quasi immunisieren. 

Hebt man die Diskussion nämlich auf ein mathematisch sachliches Niveau, kann man Themen wie "Akkumulation" wieder "salonfähig" machen ohne etwa den Namen "Marx" oder irgendwelche Kampfbegriffe in den Mund zu nehmen und den Ruf des "Ewig-Gestrigen" hinter sich lassen.

Für eine funktionierende Aufklärung muss man sich gut gegen den ideologischen Ballast der letzten Jahrhunderts absichern. Wenn plötzlich Marxisten daherkommen wie Jungunternemer (vgl. Syriza) ist das Establishment vollkommen überfordert, weil es nicht in die klassischen Ressentiments passt und man darauf nicht vorbeireitet ist (schwäbische Hausfrau zum Michel: "Also wie ein fauler Grieche sieht dieser Varoufakis ja nicht aus"). Wenn man dann noch wie der junge dynamische CEO eines "Hightech Start-ups" über "thermodynamische Gleichgewichte" oder "Entropie" spricht, entgeht man jedem klassischen Feindbild und selbst dem unverbesserlichen Michel bleibt - Mangels wissen was denn Entropie überhaupt ist - nichts weiter als zu Applaudieren. 

Ich sehe also in solchen Analysen - natürlich neben einem rein inhaltlichen Zugewinn - ein Prima Mittel um die Propaganda des Establishments mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen.

Meine Meinung ist: Aufklärung funktioniert nicht ohne Propaganda (äh... PR meine ich natürlich) und stochastische Betrachtungen sind hierfür ein Prima Mittel.

Grüße
David

PS: War es Propaganda von Edward Bernays, Propaganda in PR umzubenennen oder war es PR? (vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_(Buch) )

Am 15. Februar 2015 um 04:16 schrieb Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>:

Am 15.02.2015 um 03:58 schrieb David Finsterwalder <d.finsterwalder AT gmail.com>:

Hey Patrik,

ganz genau das was du im wiki schreibst war ja mein unhinterfragter "dogmatischer Schlummer". Wenn ich übrigens im Zusammenhang mit Stochastik von einer "gleichmäßige" Verteilung spreche meine ich eigentlich immer eine Normalverteilung (und ungleich lognormal/fat tailed etc). Das hätte ich klarer ausdrücken sollen. Dass du bei einer Normalverteilung von einer Ungleichverteilung sprichst, bricht mir übrigens mein Mathematikerherz! 

Du schreibst: 

"Wenn man sich nun vorstellt, dass bei ausgeglichenen Chancen die Verteilung der Vermögen annähernd der Normalverteilung entsprechen wird."

Genau das ist eben nicht der Fall. Es stellt sich selbst bei vollkommener Chancengleichheit KEINE Normalverteilung bei den Vermögen ein. Der Grund ist der, dass Verluste nicht beliebig sein können.

Dieser letzte Satz ist der wesentliche Punkt und weniger die genaue Form der Verteilung. Ich habe die Pokerspiel-Analogie verwendet. Wer seinen Einsatz (im kapitalistischen System, das Kapital) einmal verloren hat, kommt auf keinen grünen Zweig mehr, schlicht, weil es ihm am Mittel mangelt. Er kann am "Spiel" nicht mehr teilnehmen.

Bei Chancegleichheit hast du zwar eine Normalverteilung beim (Akt des) Gewinnen/Verlieren, aber eben nicht bei den daraus resultierenden Vermögen.
Für bloß heuristische Überlegungen kann man das minimale Netto-Vermögen einfach mal bei 0 ansetzen und es ist sofort ersichtlich, dass sich eine Logarithmische Normalverteilung einstellen muss. Wenn Gewinne und Verluste dann prozentual zum vorhanden Vermögen sind, bekommt die Lognormalverteilung noch einen "fat-tail". Die sich in empirischen Daten zeigende Vermögensverteilung tritt also selbst bei vollkommener Chancengleichheit auf. 

Ich denke, genau das beschreibe ich (in einfachen Worten). Selbst wenn bei jedem "Handel", jeder Teilnehmer in jeder Runde gleichermaßen eine 50%-Chance zu gewinnen hat (also alle gleich "fähig" sind), wird es selbst bei einer absolut gleichmäßigen Verteilung des Anfangsvermögens (bspw. 10) schon nach 10 Runden arme Hunde geben, die nichts mehr haben, weil sie in jeder Runde verloren haben, und "Ultrareiche" geben, die nun 20 besitzen, und damit weit mehr als der Durchschnitt. 

Zu diesem Zeitpunkt wird die Vermögensverteilung näherungsweise einer Normalverteilung entsprechen, sprich: Weniger, die nichts oder so gut wie nichts haben, viele im Mittelfeld und wenige am oberen Ende der Skala.

Dieser Trend zur Umverteilung setzt sich mit jeder Runde fort bis im Extremfall alles bei einem liegt - obwohl vollkommen "gleiche Chancen im Anfang" vorlagen.

Hier liegt logischerweise keine Normalverteilung mehr vor. Genau diese Tatsache ist ja die sachliche Begründung für Umverteilung.

Siehe dazu auch den in obiger mail verlinkten thread (Random Walk / Brownsche Bewegung). Sowie:
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=257875
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=258087

Übrigens ändern imo "glückliche Fügungen" genau so wenig etwas an den Chancen wie ein Lottogewinn dessen Chancen verändert. "Glückliche Fügungen" sind Teil der Kombinatorik und der Extremfall nichts weiter als die Randwerte der Binomialverteilung (reale Werte sind über diskreten Mengen).

Mehr dazu und Antwort auf die andere Mail Morgen.

Bis morgen.




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