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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] offener Brief der Piraten an die griechische Regierung

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] offener Brief der Piraten an die griechische Regierung


Chronologisch Thread 
  • From: Monika Herz <elisapirat AT googlemail.com>
  • To: Thomas Schindler <thomas.schindler2 AT gmx.de>
  • Cc: ag Geldordnung <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] offener Brief der Piraten an die griechische Regierung
  • Date: Sat, 7 Feb 2015 21:02:38 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

allerherzlichsten Dank für das Ignorieren meiner Anfrage. Was haltet ihr davon, den Nebenschauplatz zu verlassen, ggf. den Text zu kürzen, die Diskussion über Exportüberschuss und Binnennachfrage in einem anderen Pressetext zu erklären und dafür zu sorgen, dass ich als Journalistin einen link unter meinen Artikel setzen kann, der direkt zu eurem "Offenen Brief an die Griechen" führt? 
Weniger ist oft mehr. Heißt es.


Am 7. Februar 2015 um 12:42 schrieb Thomas Schindler <thomas.schindler2 AT gmx.de>:
Patrik74 schrieb:
Thomas Schindler &lt;thomas.schindler2[at]gmx.de&gt;: schrieb:
Noch einmal: Ihr könnt den Unsinn noch so oft wiederholen, aber der Lohn einer Frisörin in Ostdeutschland hat auf die Absatzahlen von Renault NULL Einfluss.
Also, wenn man sich schon mit einzelwirtschaftlichen Betrachtungen aufhalten möchte, wenn man makroökonomische Sachverhalte diskutiert, dann erhöht sich der Absatz von Renault natürlich in dem Moment, in welchem sich die Frisörin aufgrund ihres höheren Lohnes einen Renault kauft.
Siehe vorigen Post. Sie kann sich auch jedes andere außereuropäische Auto kaufen. Auch wenn es vielen schwerfällt das zu akzeptieren, aber die Musik spielt heute außerhalb von Europa - vornehmlich in Asien. Kann man ignorieren, nützt nur nichts.
Die Nachfrage in Deutschland hat eine bestimmte Struktur deren Bestandteil zu einem gewissen Prozentsatz Fahrzeuge von Renault sind. Steigt die Nachfrage insgesamt aufgrund von Lohnerhöhungen so gibt es keinen Grund anzunehmen, dass nun ausgerechnet Renaults davon ausgenommen sein sollen.
Makroökonomisch betrachtet reduziert die Lohnzurückhaltung in Deutschland die Nachfrage nach Produkten anderer Eurozonenländer (z.B. griechische) auf mindestens drei Wegen:
1. Der Kurs des Euro wird nach oben gezogen, was den Export nach außerhalb der Eurozone erschwert (dass dies derzeit von der EZB durch künstliches Drücken des Eurokurses konterkariert wird entkräftet diesen Punkt übrigens nicht).
Wie das Beispiel des Franken oder eben die aktuelle EZB-Intervention zeigt, ist der Güterverkehr für den Wechselkurs heute nicht mehr maßgeblich. Wenn eine Zentralbank überhaupt noch einen Einfluss hat, dann den auf den Wechselkurs.
Dass sich über Eingriffe von Zentralbanken (oder von Großspekulanten) Wechselkurse manipulieren lassen bestreitet hier niemand. Dennoch ist die Kaufkraft einer Währung die entscheidende Basis für ihren Wechselkurs. Bei einem Wechselkurs, der zur Kaufkraft der Währung passt, sollten sich dann auch mittel- bis langfristig keine Außenhandelsungleichgewichte einstellen.

Da die Eurozone seit ihrem Bestehen eine ungefähr ausgeglichene Handelsbilanz hatte, ist eine dauerhafte Manipulation in eine bestimmte Richtung hier erst mal nicht zu diagnostizieren (die EZB fängt allerdings gerade damit an). Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass größere Lohnsteigerungen in Deutschland mittelfristig nicht eine gewisse Schwächung des Euro zur Folge gehabt hätten - mit entsprechenden positiven Folgen für die Exportfähigkeit der anderen Eurozonenländer.

2. Deutsche Produkte verdrängen griechische Produkte von den Märkten innerhalb der Eurozone. Es ist vollkommen egal, ob z.B. deutscher Feta griechischen Feta nun aus deutschen Kühlregalen verdrängt, oder aus griechischen, oder aus Kühlregalen in anderen Teilen der Eurozone. Alle drei Möglichkeiten führen zu einem Absatzrückgang.
Der Preis ist selten das entscheidende Kriterium. Und das deutsche Produkte griechische Verdrängen würden ist lächerlich. Auf welchen Märkten konkurrieren sie denn überhaupt?
Du willst doch hoffentlich nicht ernsthaft bestreiten, dass der Preis eines Produktes maßgeblichen Einfluss auf seinen Absatz hat?

Deshalb ist es auch irrelevant, ob Deutschland und Griechenland nun ein großes bilaterales Handelsvolumen haben oder ein kleines.
Nein, dass ist von ganz entscheidender Bedeutung, denn genauer dieser Unsinnige vergleich wird nahegelegt: Wären deutsche Löhne höher, würde mehr aus Griechenland importiert. Ist aber nicht (zwangsläufig) so.
Weil es anscheinend schwierig zu verstehen ist, hier mal ein konkretes Beispiel (mit fiktiven Werten):
Szenario 1:
Frankreich exportiert für 100 Millionen Rotwein und Champagner nach Griechenland. Griechenland exportiert im Gegenzug Feta für 100 Millionen nach Frankreich. Deutschland betreibt keinen Außenhandel.
-> Alle Handelsbilanzen sind ausgeglichen, niemand hat ein Problem.

Szenario 2:
Deutschland verdrängt mit billigem Feta made in Germany den griechischen Feta vom französischen Markt.
Deutscher Exportüberschuss 100 Millionen.
Frankreichs Handelsbilanz: nach wie vor ausgeglichen
Griechenlands Handelsbilanz: mit 100 Millionen im Minus.

In beiden Szenarien ist das Außenhandelsvolumen zwischen Griechenland und Deutschland gleich Null.
Dennoch hat der deutsche Exportüberschuss die griechische Handelsbilanz ins Minus gedreht.

Und: Nein, das ist nicht "konstruiert", sondern beschreibt den Mechanismus, über den deutsches Lohndumping die Konkurrenzfähigkeit anderer Eurozonenstaaten schädigt - ganz unabhängig vom Volumen der jeweiligen bilateralen Handelsbilanzen.
Die deutsche und die griechische Wirtschaft konkurrieren dabei auf allen Märkten weltweit.
Wenn du dir mal die Mühe machst, bei Wikipedia die Struktur der griechischen Wirtschaft anzuschauen (https://de.wikipedia.org/wiki/Griechenland#Wirtschaft), dann wirst du feststellen, dass es außer ein paar exotischen Früchten und Oliven kaum einen Wirtschaftsbereich in Griechenland gibt, dem aus Deutschland keine Konkurrenz gemacht wird.

3. Der aus der deutschen Lohnzurückhaltung resultierende Exportüberschuss führt dazu, die extreme wirtschaftliche Schieflage, in der sich Deutschland in Wirklichkeit befindet, zu kaschieren. Wenn uns die 220 Milliarden Auslandsnachfrage, die unserem Leistungsbilanzüberschuss entsprechen, im Binnenmarkt fehlen würden, wäre die Arbeitslosenquote satt im zweistelligen Bereich.
Nur gibt es keinen sachlichen Grund, warum es grundsätzlich falsch sein sollte im Ausland zu verkaufen. Was Ausland ist, und was nicht, ist eine relativ willkürliche Festlegung.

Rufe nach einer Steigerung der Nachfrage hätten dann vielleicht eher eine Chance, Gehör zu finden. Stattdessen "geht es uns gut", und der deutsche Nachfragemangel wird in den Rest der Eurozone exportiert.
Das klingt jetzt so verquer, dass es überdeutlich wird, wie konstruiert das Argument ist.
Dass Deutschland einen gigantischen Nachfragemangel aufzuweisen hätte, wenn es den Exportüberschuss von 220 Milliarden Euro nicht hätte, ist wohl unbestreitbar.
Dass dieser Nachfragemangel zu einem guten Teil durch den deutschen Exportüberschuss auf den Rest der Eurozone verlagert wird, sollte ja wohl auch klar sein. Neuerdings versucht man den Euro so weit zu schwächen, dass auch die Eurozone insgesamt einen Exportüberschuss aufbaut. Damit verlagert man das Problem in den Rest der Weltwirtschaft. Lösen tut man es damit allerdings nicht.

Die Entschuldigung für die falsche deutsche Lohnpolitik am Ende von Text 1 ist deshalb absolut angebracht. Es wird ohnehin langsam Zeit, dass auch aus Deutschland mal der deutsche Beitrag zur Entstehung der aktuellen Krise thematisiert wird.
Deutschlands Beitrag zur Krise war das Bestehen auf die strikte Austeritätspolitik und das Hofieren der Märkte. Das ist allenthalben bekannt. Alles andere ist konstruiert.

Wir brauchen höhere Löhne im inländischen Dienstleistungsbereich, wer würde das leugnen? Aber das hat wenig bis nichts mit den Absatzproblemen der Industrien anderer Länder auf dem Weltmarkt (insbesondere in Asien) zu tun - und schon gar nicht, wenn es um Industrien geht, die nicht in direkter Konkurrenz zu den deutschen Exportindustrien stehen.

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