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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Endogenes Geldsystem ist nicht gleich bedarfsregelndes Geldsystem - war: Banken zahlen mit Selbstgemachtem und Kritik am Vollgeld

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Endogenes Geldsystem ist nicht gleich bedarfsregelndes Geldsystem - war: Banken zahlen mit Selbstgemachtem und Kritik am Vollgeld


Chronologisch Thread 
  • From: Christoph Mayer <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
  • To: ukw <ukw AT berlin.com>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Endogenes Geldsystem ist nicht gleich bedarfsregelndes Geldsystem - war: Banken zahlen mit Selbstgemachtem und Kritik am Vollgeld
  • Date: Mon, 2 Feb 2015 21:02:58 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi Uwe,

vielen Dank für Dein Posting.

Warum Wertschöpfungsgeld statt vergehendes Bürgergeld?

Hier der Versuch einer verkürzten Argumentationskette:
(Du hast ja mein Buch, da ist es ausführlich begründet.)

- Grundsatz eines jeden gesellschaftlichen Systems sollte Kants Erkenntnis sein: Handle stets so, dass Du wünschen kannst, dass es eine allgemeine Regel sei.
- Macht jeder etwas, das den anderen oder der Gesellschaft dient, schaffen wir paradiesische Verhältnisse.
- Diesem Grundsatz folgen Menschen nicht automatisch sondern es braucht dazu wie die Geschichte zeigt entweder Anzeiz oder Bestrafung. Anreiz ist die humanere Lösung. Nützt sie nichts, kommt der Zwang. Entweder von denen die die Regeln aufstellen oder ganz natürlich, z.B. durch Mangel an Gütern.
- Meistens können Menschen auch gar nicht erkennen, ob ihr Handeln nun gesellschaftsdienlich ist oder nicht, wenn es kein Feedbacksystem gibt.
- Wenn wir ein Anreizsystem über Geld gestalten, dann müssen also die am meisten bekommen, die am meisten in die Gesellschaft einbringen.
- Der Einzelne kann nicht bestimmen, wie wertvoll das Handeln für die anderen ist, das können nur die anderen. Tatsächlich kenne ich aus 14 Jahren Erfahrung als Coach viele, die zwar prinzipiell etwas arbeiten oder einbringen wollen, es ihnen letztlich aber egal ist, was das anderen bringt. Am Ende steht dann der Misserfolg und zwar in dem Fall zurecht. Es ist notwendig, sein Handeln auf das auszurichten, was gebraucht wird.
- Eine zentrale Stelle kann das genausowenig, so was hat man im Kommunismus versucht und es führt zur Herrschaft der einen über die anderen.
- Der Wert sollte über Angebot und Nachfrage bestimmt werden, das ist die bisher fairste und mit Freiheit am besten vereinbare Methode. Das muss nicht zwangsläufig nur monetär sein aber es muss aus der Interaktion Vieler entstehen und nicht von einzelnen Stellen abhängig sein.
- Der Wert der Arbeit in einem funktionierenden Markt ist berechenbar als Wertschöpfung = Umsatz - Fremdleistung.
- Und danach sollte die Geldmengenerhöhung berechnet und verteilt werden.
- Wird das so gemacht, reicht das Einkommen aus Arbeit auch, wenn wir alle deutlich weniger Stunden arbeiten. Stand heute beträgt die Durchschnittsarbeitszeit 28 Stunden. Wenn also alle die arbeitsfähig sind 25 Stunden pro Woche arbeiten, haben alle Arbeit und alle genug Freizeit und Freiheit, auch jeglicher persönlicher Passion oder sozialem Engagement nachzugehen.
- Durch die bessere Verteilung werden auch Sozialkosten problemlos bezahlbar. 

_______________

Dem Gradido fehlt das Anreizsystem, mehr noch es zerstört jede Motivation etwas zu schaffen weil alles was man schafft sofort wieder zerrinnt. Die einzig innermenschlich ökonomische Haltung darin ist, nichts zu tun und sich versorgen zu lassen. Leider funktioniert so keine Gesellschaft, denn jemand muss die Leistungen erbringen, die andere in Anspruch nehmen. Also würde
a) die gesamtwirtschaftliche Leistung deutlich abnehmen
b) die Spaltung in die, die sich in Burn-out arbeiten und die die gar nichts einbringen noch viel stärker als heute, es wäre also eine Verschlimmerung der Ungerechtigkeit. 



Am 02.02.2015 um 18:48 schrieb ukw <ukw AT berlin.com>:

In den letzten 5 Wochen sind (von den "High Potentials" der Liste) viele sehr wertvolle Gedanken/Visionen und Erklärungen von Zusammenhängen dargestellt worden.
Diese Tatsache erlebe ich wie einen Quantensprung in der AG Arbeit. Das macht mich zuversichtlich und bestärkt den Wandlungswillen.

Zu Dir Deinem großartigen Beitrag, Christoph: Ich habe den letzten Teil zitiert. Nachdem Du zuvor den "Geldmangel" als vehinderndes oder blockierendes Element herausgearbeitet hast (ich stimme Deinen Gedanken zu), und Du richtig daraus folgerst, das das Geldschöpfungsmonopol das Machtinstrument der Kreditsteuerung (Geldschöpfung) von einer winzig kleinen Elite kontrolliert wird, landest Du bei der Abschließenden Arbeitsthese: "die Geldmenge wächst gemäß des Bedarfs statt gemäß finanzwirtschaftlicher Prozesse."

Nun stelle ich noch einmal die Frage in den Raum, was genau - bzw wodurch - die Geldmenge nach Deiner Arbeitsthese steuert resp. gesteuert wird. Ich will damit auf eine Unzulänglichkeit in der Arbeitsthese hinweisen. Du hast es erklärt: Heute wird die Geldmengenausweitung wesentlich von der Verteilung der Vermögen bestimmt. Die eklatante Schieflage der Vermögensverteilung ist bekannt.
Du hast herausgearbeitet, daß die Geldmenge anhand des realwirtschaftlichen Bedarfs wachsen sollte. So weit so richtig. An dieser Stelle wird die Unzulänglichkeit offenbar. Es muss also Bedarf bestehen.
Und wer regelt den realwirtschaftlichen Bedarf bzw stellt den realwirtschaftlichen Bedarf fest?
Die Realwirtschaft selbst bzw  mögliche Käufer also "der nachfragende Kunde"?
Gibt es nicht auch Güter oder Leistungen, deren Herstellung auch ohne Bedarf "Sinn" macht? Gibt es darüber hinaus Güter und Wirtschaftsleistungen, deren Entstehung - im Sinne des GG jeder hat das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ..." nicht verhindert werden darf?
An dieser Stelle bin ich wieder beim Gradido. Der Gradido erzeugt einfach Geld im Überfluss. Dadurch, das Geld auf einer der Natur entsprechenden weise altert und somit auch wieder vergeht, so ist die Geldmenge nicht inflationär und stellt aber auch gleichzeitig den höchsten Freiheitsgrad zur Verfügung. Das kreative Moment bei der Geldmengensteuerung wird mit dem Gradido maximal. Der Gradido erzeugt einfach Geld, so selbstverständlich, wie Regen fällt und die bedingungslos scheinende Sonne für einen ständigen Energieüberfluss sorgt, ohne das es zur Energieinflation kommen kann. Denn nicht genutzte Sonnenenergie wird gespart (fossile oder kohlenstoffhaltige Biomasse/Brennstoffe oder umgewandelt in Bewegung.
Also erzeugt der Gradido einen Überfluss an Geld und nur der nachfragewirksame Teil des Geldes bleibt mittelfristig erhalten. Der Rest vergeht in den unendlichen Weiten wie heuer Giralgeld rückstandsfrei entsorgt werden kann.
Somit halte ich den Gradido für noch besser als das Wertschöpfungsentgelt, welches an Arbeit in einem realwirtschaftlichen Betrieb geknüpft ist.

mfg
ukw

Am 02.02.2015 um 07:18 schrieb Christoph Mayer:
Heute wird die Kreditvergabe und damit die Geldmengenausweitung und in der Folge die Wirtschaftsleistung also sehr wesentlich von der Verteilung von Vermögen bestimmt, weil diese sowohl Einkommen als auch Wirtschaftsaussichten (Nachfragetheorie) bestimmt. Sie kann daher nicht gemäß realwirtschaftlichen Bedarfs regeln sondern nur nach Zirkelbezügen der Finanzwirtschaft.  Der realwirtschaftliche Bedarf wäre ja durch Bedürfnisse der Menschen bestimmt und durch gesellschaftliche Entwicklungen, z.B. Umsetzung einer Energiewende. Danach regelt das heutige System nicht/ unzureichend.
 
Noch eine Ebene tiefer: Gerade bei den Anhängern der Österreichischen und Chicagoer Schule gibt es weiterhin das Axiom, dass Geld eine Entsprechung von begrenzten Ressourcen der Realwirtschaft ist. Das halte ich für eine so unzutreffende wie schädliche Annahme.
 
Ich gehe noch weiter: Geld oder Kreditverfügbarkeit hat überhaupt nichts mit Realwirtschaft zu tun sondern ist in der heutigen Ausgestaltung eine künstliche Begrenzung der Wirtschaftsleistung. Würde man eine annähernd konstante Geldmenge X schuldenfrei an der richtigen Stelle in die Volkswirtschaft injizieren, würde das diese Fesseln sprengen und die Leistung der VW würde steigen. Dazu noch ein Kapitel im Anhang.
 
Daher halte ich auch die Argumentation der Notwendigkeit einer elastischen Geldmenge durch ein endogenes Geldsystem, das über Privatbanken gefahren wird, für nicht zutreffend, denn die heutige Elastizität folgt Gesetzmäßigkeiten, die weder der Stabilität noch der Wirtschaftsleistung, noch der gesellschaftlichen Integrität dienen. Eine Geldmenge, die gemäß der Wirtschaftsleistung steigt und die sektoral durch Kreditwesen verteilt wird ist meiner Ansicht nach die bessere Lösung. Würde die Geldverfügbarkeitsbremse in der Wirtschaft gelöst, dann entsteht da, wo Bedarf ist auch Nachfrage, dort wo Bedürfnisse befriedigt werden auch Einkommen und die Geldmenge wächst gemäß des Bedarfs statt gemäß finanzwirtschaftlicher Prozesse.


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