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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht


Chronologisch Thread 
  • From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geld und Macht
  • Date: Mon, 05 Jan 2015 11:13:12 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hi Patrik,

Aber gut, dann sind wir einen Schritt weiter.
Nein, Du hast mich einfach missverstanden.
Nun, vielleicht hast du dich auch nur sehr missverständlich ausgedrückt:

"Am 04.09.2014 um 10:47 schrieb moneymind <moneymind[at]gmx.de>:

Um es vielleicht nochmal ultra-kurz zu formulieren:

Produktionsmittel- und Güteranhäufungen, so groß sie auch immer sein mögen, sind nicht von vorneherein Kapital.

Zu "Kapital" werden sie erst, wenn ein bürgerliches Rechts- und ein darauf aufsetzendes Finanzsystem (Bilanzbuchhaltung über Vermögen = Eigentum und Forderungen bürgerlichen Rechts) hinzukommt.

Ohne dieses Rechts- und Finanzsystem sind es einfach nur Produktionsmittel.
...
Aus der Sicht Deiner Definition dagegen wäre ja auch sozialistische Planwirtschaft "Kapitalismus" (von dem sie sich doch gerade als Gegenmodell abgegrenzt hat). Und Ägyptische Pharaonen mit ihren Riesenpyramiden wären "Kapitalisten"."

Ein objektiver Dritter würden den letzten Satz wohl dahingehend interpretieren, dass es im alten Ägypten keinen Kapitalismus gab, von einem "sowohl ... als auch ... " war zumindest da keine Rede. Aber sei es drum, geschenkt.

Ich wette, auch bei den Ägyptern gab es Kreditverträge, "freie" Bürger (soweit man in einer Aristokratie wirklich frei sein kann), und Rechtssysteme (zwar keine "bürgerlichen", aber fängt Kapitalismus tatsächlich erst mit dem Code Civil an?).

Dann weise es bitte nach. Bitte auch für mykenische und minoische Zivilisation ("Palastwirtschaft") in Griechenland (müßte Deiner Definition nach ebenfalls "Kapitalismus" gewesen sein), auf die dann die polis ("Kaufsklavenkapitalismus" mit "freien" Eigentümern, privaten Banken (trapeza), Geldwirtschaft und "Demokratie" folgte).

Vorgeblich existiert das ganze ja schon seit 5000 Jahren (Graeber), was ich wiederum zu bezweifeln wage, wenn man die Bedeutung des Begriffes "Kredit" nicht bis zur Bedeutungslosigkeit ausdehnt. Nicht jedes Verpflichtungsgeschäft ist ein Kredit.

Entscheidend ist m.E., ob Forderungen gegen Schuldner vom Gläubiger zu Zahlungszwecken an Dritte weitergereicht werden können.

Du stellst auf den Unterschied zwischen der faktischen Verfügungsgewalt über materielle Gütern und dem "Recht an ihnen" ab, ich eben nicht.


Wo ich mitgehe, ist, dass die von dir besagten Konstrukte natürlich Voraussetzung für unseren heutigen "FINANZkapitalismus" sind. Wer würde das leugnen? Was ist ein verbriefter Anspruch wert, den man nicht durchsetzen kann, weil er weder dokumentiert, noch geschützt, noch durchgesetzt werden kann? Für mich sind diese Aspekte aber eben nicht "fundamental", sondern eben nur Kennzeichen einer bestimmten Form von Kapitalismus (vielleicht sogar der absurdesten von allen).

Dann gab es all das im "Realkapitalismus" der 50er und 60er Jahre nicht?
Dass es unterschiedliche Ausprägungen gibt, habe ich ja auch nie in Abrede gestellt, sondern eben grade darum gesagt, dass man nach den gemeinsamen (fundamentalen) Merkmalen suchen muss.
Natürlich.

Gut, können wir uns also darauf verständigen, dass die von dir genannten Elemente zwar notwendigerweise konstituierender Bestandteil eines "Finanzkapitalismus" sind, dass es aber auch andere Formen von Kapitalismus gibt, die ohne "bürgerliches" Rechtssystem auskommen?

Ohne ein ziviles Rechtssystem gibt es keinen Kapitalismus (und kein "Vermögen" - das sind immer Rechte), wohl aber andere Formen von Herrschaft. Nochmal: nach Deiner Definition wäre auch der Realsozialismus ein "Kapitalismus" gewesen. Tatsächlich basierten die Beziehungen der Menschen untereinander dort auf a) herrschaftlicher Redistribution via zentralem Plan, der freie Verträge ersetzt hat - das war ja der Kern der Marx'schen Kapitalismuskritik) und b) direkter, persönlicher Reziprozität (die aus Sicht eines bürgerlichen Rechtssystem dann als "Korruption" gilt):

Dazu ein sehr guter Artikel der Ethnologin Verdery, die jahrelang in Rumänien gelebt und geforscht hat:

Anthropology of Socialist Societies http://de.scribd.com/doc/183388680/Katherine-Verdery-Anthropology-of-Socialist-Societies

Was genau kennzeichnet denn ein "bürgerliches" Rechtssystem in deinem Verständnis?

Die (völlig abstrakten) Grundkonzepte "Eigentum", "Freiheit" (Vertragsfreiheit) und "Gleichheit" (vor dem Recht) - und die Vorstellung, Gerechtigkeit bestünde in "Gleichheit". Das sind die ideologischen Kernkonzepte von "Kapitalismus" und nicht nur die Voraussetzung für Kredit und nominale Verbindlichkeiten, also Kredit- und Geldwirtschaft und ein Bankensystem, sondern die ideologischen Kernkonzepte der abendländischen Zivilisation überhaupt.

Die Herstellung des modernen Kapitalismus durch die bürgerlichen Revolutionen drehte sich doch ausschließlich um diese Konzepte, oder? Man braucht sich da nur mal die deutsche Entwicklung anzuschauen, mit der man in D versuchte, durch Herstellung von Kapitalismus die Engländer einzuholen, die ja als erste damit begonnen hatten.

Und im übrigen sind diese rechtlichen Konzepte - in Verbindung mit Lohnarbeit - auch Voraussetzungen für eine permanente Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung durch innovative Unternehmensgründer (->Schumpeter), also den "technischen Fortschritt", den der Sozialismus meinte, durch Planung besser hinzubekommen, aber letztlich nur kopiert hat.

Während D. mithilfe dieser Konzepte (Vordenker waren Leute wie die preußischen Staatsphilosophen Kant oder Hegel) - England erfolgreich "ein- und überholt" hat, hat RU das mit der nichtkapitalistischen Planwirtschaft entgegen der von der Marx'schen (falschen) Theorie erwarteten Entwicklung nie wirklich geschafft.

Aber das wäre sicher eine extra Diskussion.




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