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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision
- Date: Sun, 10 Aug 2014 21:40:42 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Piratos,
gerne - freut mich, wenn in meinem Beitrag für Dich nützliche Klärungen dabei waren. Danke fürs Nachfragen.
Du schreibst:
Mit "Vertrag" meinst Du ja Vertragsfreiheit, oder? Da sehe ich ein
Dissens zu Arne, der ja genau hier die "Freiheit" und vielmehr noch die
"Gleichheit" verletzt sieht, wenn Verträge nicht "ausgewogen" sind.
Wie siehst Du das? Wäre Arnes Vorstellung noch Kapitalismus? Wo sind
die Grenzen, denn "Klientel-ausgewogene", standardisierte Verträge gibt
es ja schon.
Ja, mit "Vertrag" meine ich Vertragsfreiheit, und mit "Gleichheit" meine ich, daß das bürgerliche Recht (=Grundlage der "freien Wirtschaft", des "Marktes", des "Kapitalismus") alle Menschen seines Geltungsbereichs als unterschiedslos gleiche Rechtspersonen betrachtet, also von allen Unterschieden (wie Geschlecht, Produktionsmitteleigentum oder nicht, Alter, soziale Situation usw.) prinzipiell absieht und diese ignoriert.
Ich habe da keinen Dissens mit Arne, ganz im Gegenteil.
Aber an Deiner Frage und an Arnes Antwort sehe ich, daß bei Euch dieser Eindruck entstanden ist. Das lag wohl daran, daß ich diese wie ich finde absolut wichtige und zentrale Frage "Dialektik der Gleichheit" genannt und erstmal ausgeklammert habe. Offensichtlich ist bei Euch der Eindruck entstanden, daß ich sie nicht explizit in meine Kapitalismusdefinition aufgenommen habe.
Das war offensichtlich ungeschickt und mißverständlich. Deswegen versuche ich mal, meine Sicht der Dinge zu präzisieren:
Ich habe da wie gesagt keinen Dissens mit Arne, ganz im Gegenteil. Ich würde das damit verbundene Problem / Paradoxon nur etwas genereller formulieren als Arne, und auch die "Lösungen" vielleicht noch etwas genereller beschreiben.
Um das zu verdeutlichen, nehme ich als ganz konkretes Beispiel mal einen der wichtigsten Vertragstypen für den heutige dominierenden Kapitalismustyp, den ich "Lohnarbeiterkapitalismus" (im Gegensatz zum "Kaufsklavenkapitalismus" der Antike und zum Genossenschaftskapitalismus z.B. der Kibbuzim) nenne.
*Den Arbeitsvertrag. *
Arne spricht von "verletzter Gleichheit", die für ihn darin besteht, daß im Rahmen völliger Vertragsfreiheit die Mächtigeren die Schwächeren regelmäßig über den Tisch ziehen können (und das auch tun, nicht zuletzt deshalb, weil sie in Konkurrenz zu anderen Mächtigen, die das ebenfalls tun, sich keine Nachteile verschaffen wollen).
Arnes Beobachtung ist völlig richtig.
Nur würde ich zunächst mal das Grundproblem etwas anders beschreiben als er: es wird hier nicht die "Gleichheit verletzt". Vielmehr ergibt sich diese "Vorfahrt der Mächtigen" direkt daraus, daß das Recht auf dem Grundsatz der "Gleichheit" aufbaut und damit alle Rechtspersonen ungeachtet der realen Verschiedenheiten ihrer Eigenschaften (Macht, Geschlecht, Alter, Situation usw.) als unterschiedslos gleiche "Rechtspersonen" (=zentrales Konstrukt des bürgerlichen Rechts) behandelt.
Nun ist klar, daß - wenn man ungleiche Vertragspartner gleich behandelt - dieselbe Behandlung für beide Partner eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben muß.
Das ist nicht irgendwie ein "Fehler", sondern eine dem Rechtsgrundsatz der "Gleichheit" inhärente "Paradoxie", die ich (mit dem Rechtswissenschaftler Johann Braun) "Dialektik der Gleichheit" genannt habe.
Um das zu verdeutlichen, nehme ich als konkretes Beispiel den Arbeitsvertrag - auch deshalb, weil in Arnes Kapitalismusdefinition das Phänomen "Lohnarbeit" nicht enthalten ist, das ich für die Beschreibung des heute dominierenden Kapitalismustyps für absolut essentiell und unverzichtbar halte.
Unter Bedingungen, in denen es
- "freie und gleiche Rechtspersonen" gibt, die keine eigenen Reproduktionsmittel haben, also darauf angewiesen sind, daß jemand anders sie mit seinen Produktionsmitteln "ihren Lebensunterhalt verdienen" läßt ("doppelt freie" Lohnarbeiter, um einen Begriff von Marx zu verwenden: frei von einem Herren und damit freie Rechtsperson, aber eben auch frei von den Mitteln, einen eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können;
- Produktionsmittelbesitzer, die auf Arbeitskräfte angewiesen sind, aber nicht auf jeden einzelnen, da es - wegen relativ hoher Arbeitslosigkeit - einen Arbeitskräfteüberschuß auf dem sogenannten "Arbeitsmarkt" gibt;
- es keine Sozialsysteme gibt, die den "Arbeitslosen" einen Minimal-Lebensunterhalt sichern könnten:
unter diesen Bedingungen können "Arbeitgeber" (bereits ein völlig ideologisierter Begriff) den Lohnarbeitern Hungerlöhne und extrem lange Arbeitszeiten aufherrschen - im völlig "frei" geschlossenen Vertrag.
Der Lohnarbeiter kann dann "frei wählen", ober er verhungern will oder Lohnarbeiten zu den Bedingungen (Länge des Arbeitstags, Höhe des Lohns, Arbeitsbedingungen etc.) des "Arbeitgebers"; wenn er Lohnarbeiten will, kann er "frei wählen", von welchem "Arbeitgeber" er sich ausbeuten lassen will.
Die Machtposition des Unternehmers ergibt sich rein aus der Situation: die Lohnarbeiter sind nämlich auf ihn angewiesen, die Unternehmerklasse insgesamt aber nicht auf jeden einzelnen Lohnarbeiter. Für den Unternehmer besteht aber natürlich ebenfalls ein Zwang, auf niedrige Löhne hinzuwirken, da ja seine freien Konkurrenten dasselbe tun können und er sich Nachteile gegenüber diesen einhandeln würde, würde er es nicht tun.
So sieht die reine Vertragsfreiheit unter Bedingungen ungleicher Vertragspartner beim „Arbeitsvertrag“ in der Praxis aus, und bei anderen Beispielen für ungleiche Vertragspartner (z.B. beim Verbraucherschutz) ist das nicht anders. Das Beispiel "Lohnarbeit" betrifft allerdings ganz existenzielle Dinge.
Marx beschreibt das so:
/"Man muß gestehn, daß unser Arbeiter anders aus dem Produktionsprozeß herauskommt, als er in ihn eintrat. Auf dem Markt trat er als Besitzer der Ware »Arbeitskraft« andren Warenbesitzern gegenüber. Warenbesitzer dem Warenbesitzer. Der Kontrakt, wodurch er dem Kapitalisten seine Arbeitskraft verkaufte, bewies sozusagen schwarz auf weiß, daß er frei über sich selbst verfügt. Nach geschlossenem Handel wird entdeckt, daß er »kein freier Agent« war, daß die Zeit, wofür es ihm freisteht, seine Arbeitskraft zu verkaufen, die Zeit ist, wofür er gezwungen ist, sie zu verkaufen382, daß in der Tat sein Sauger nicht losläßt, »solange noch ein Muskel,[319] eine Sehne, ein Tropfen Bluts auszubeuten«383. Zum »Schutz« gegen die Schlange ihrer Qualen müssen die Arbeiter ihre Köpfe zusammenrotten und als Klasse ein Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesellschaftliches Hindernis, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihr Geschlecht in Tod und Sklaverei zu verkaufen." (Das Kapital, MEW 23, S. 319f. http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_245.htm)/
Das meinte ich mit "Dialektik der Gleichheit": Gleichbehandlung durch das Gesetz führt dann, wenn die Vertragspartner und ihre jeweilige Situation eben UNgleich sind, auch nicht zu "gerechten" Ergebnissen. Da es aber völlig gleiche Vertragspartner natürlich nicht geben kann, ist die juristische Grundvorstellung "Gleichheit = Gerechtigkeit" (glaubte schon der olle Aristoteles) natürlich eine pure Fiktion. Tatsächlich ist der Vertrag dann nur die Form, in der sich ein Machtkampf zwischen Starken und Schwachen abspielt.
Dazu nochmals Karl Marx:
/"Das Recht kann seiner Natur nach nur in Anwendung von gleichem Maßstab bestehn; aber die ungleichen Individuen (und sie wären nicht verschiedne Individuen, wenn sie nicht ungleiche wären) sind nur an gleichem Maßstab meßbar, soweit man sie unter einen gleichen Gesichtspunkt bringt, sie nur von einer bestimmten Seite faßt, z.B. im gegebnen Fall sie nur als Arbeiter betrachtet und weiter nichts in ihnen sieht, von allem andern absieht. Ferner: Ein Arbeiter ist verheiratet, der andre nicht; einer hat mehr Kinder als der andre etc. etc. Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr als der andre, ist der eine reicher als der andre etc. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, müßte das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich sein." (K. Marx: Kritik der Gothaer Programms, 1875 http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_013.htm)"/
Nun schlägt Arne zur Lösung dieses Problems "standardisierte Verträge" vor, die die Vertragsfreiheit in Bezug auf die Form des Vertrags einschränken.
Ich will mal etwas genauer ausführen, warum ich diese Lösung für blauäugig und kurzsichtig halte.
Zunächst mal könnte man ja sagen: solche standardisierten Verträge gibt es ja, sie wurden ja entwickelt: nämlich das gesamte Arbeitsrecht (das es in D seit der Weimarer Republik gibt). Aber wer macht diese standardisierten Verträge, wer hat ein Interesse an ihnen? Und wer nicht? Wie kommen sie zustande?
Dazu Marx:
/"Man muß gestehn, daß unser Arbeiter anders aus dem Produktionsprozeß herauskommt als er in ihn eintrat. Auf dem Markt trat er als Besitzer der Ware "Arbeitskraft" andren Warenbesitzern gegenüber, Warenbesitzer dem Warenbesitzer. Der Kontrakt, wodurch er dem Kapitalisten seine Arbeitskraft verkaufte, bewies sozusagen schwarz auf weiß, daß er frei über sich selbst verfügt. Nach geschlossenem Handel wird entdeckt, daß er "kein freier Agent" war, daß die Zeit, wofür es ihm freisteht, seine Arbeitskraft zu verkaufen, die Zeit ist, wofür er gezwungen ist, sie zu verkaufen (198), daß in der Tat sein Sauger nicht losläßt, "solange noch ein Muskel, <320> eine Sehne, ein Tropfen Bluts auszubeuten"(199). Zum "Schutz" gegen die Schlange ihrer Qualen müssen die Arbeiter ihre Köpfe zusammenrotten und *als Klasse ein Staatsgesetz erzwingen*, ein übermächtiges gesellschaftliches Hindernis, *das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihr Geschlecht in Tod und Sklaverei zu verkaufen*.(200) An die Stelle des prunkvollen Katalogs der "unveräußerlichen Menschenrechte" tritt die bescheidne Magna Charta eines gesetzlich beschränkten Arbeitstags, die "endlich klarmacht, wann die Zeit, die der Arbeiter verkauft, endet und wann die ihm selbst gehörige Zeit beginnt"(201). Quantum mutatus ab illo! <Welch große Veränderung!>(Das Kapital, MEW 23, S. 320 http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_245.htm)" /
Da haben wir ein schönes Beispiel für Arnes "standardisierte Verträge": die Verankerung des 8-Stunden-Tags im Arbeitsrecht.
Doch wie kommen solche Arne'schen "standardisierten Verträge" eigentlich zustande? Einfach so irgendwie? "Man müßte mal?"
Dazu zunächst nochmal zum Arbeitsrecht Karl Marx. Dann werde ich das mal genereller zu beschreiben versuchen:
/"Die Geschichte der Reglung des Arbeitstags in einigen Produktionsweisen, in andren der noch fortdauernde Kampf um diese Reglung, beweisen handgreiflich, daß der vereinzelte Arbeiter, der Arbeiter als "freier" Verkäufer seiner Arbeitskraft, auf gewisser Reifestufe der kapitalistischen Produktion, widerstandslos unterliegt. Die Schöpfung eines Normalarbeitstags ist daher das Produkt eines langwierigen, mehr oder minder versteckten Bürgerkriegs zwischen der Kapitalisten*klasse* und der Arbeiter*klasse*." (Marx, MEW 23, S. 316)/
Denn diese "standardisierten Verträge" des Arbeitsrechts sind natürlich den "Arbeitgebern" ein Dorn im Auge, weswegen sie nach "Deregulierung" und "Flexibilisierung" der "rigiden" Arbeitsmärkte schreien, damit die Lohndrückerei besser funktioniert.
Generell ist daher natürlich wegen des prinzipiellen Widerspruchs von gleichen Gesetzen für alle, aber ungleichen Individuen natürlich ein permanenter Streit um Regulierung bzw. De-Regulierung vorprogrammiert. Die Schwachen möchten regulieren, die Starken deregulieren.
Regulierung und Deregulierung bedeutet aber, Gesetze zu erlassen oder aufzuheben. Das geht nur über den Staat, und dafür braucht man politische Macht. Sowohl Gruppen von Starken als auch Gruppen von Schwachen werden sich daher "zusammenrotten" zu Verbänden, mit deren Hilfe sie Einfluß auf die Politik und damit die Gesetzgebung und -Aufhebung ausüben können. Große Interessengruppen werden dafür sogar Parteien gründen. [Die SPD ist eine Partei der Lohnabhängigen - gewesen!!! Sie hat ihre Vergangenheit und ihre Klientel nach 1989 aus Ratlosigkeit verraten und ist neoliberal geworden - unternehmerfreundlich. Damit schadet sie nicht nur ihrer Klientel und damit sich selbst, weil sie Wähler verliert - siehe Francois Hollande und die Front National - sie fährt damit auch den Kapitalismus an die Wand, aber das ist in diesem Posting nicht Thema.]
In other words: Arnes "standardisierte Verträge" sind nicht etwa "im Allgemeininteresse", sondern im Interesse der Schwachen gegen die Mächtigen. Die Schwachen müssen dafür allerdings die Staatsmacht erobern und Regulierungen fordern. Im Interesse der Starken ist es dagegen, staatliche Regulierung abzulehnen und den "völlig freien Markt" zu propagieren, der ja für sie "Vorfahrt" (=freies Ausspielen von Machtvorteilen) bedeutet. Der Staat soll sich im Interesse der Mächtigen aus der Wirtschaft raushalten, jedenfalls geschwächt werden (er wird dann gern als bloße abhängige Variable des Marktes dargestellt).
Daher ist es so wichtig, sich klarzumachen, daß der Staat der Urgrund allen Kapitalismus ist und damit auf Platz 1 der Liste der Merkmale, die Kapitalismus definieren, stehen muß: er schafft ihn überhaupt erst und kann ihn beliebig regulieren, sogar abschaffen; die Mächtigen fürchten ihn, deswegen kämpfen sie permanent mit um die Staatsmacht. Da in einer Demokratie die Mehrheit siegt, und die Mächtigen nicht die Mehrheit stellen, sondern eben die Schwachen Lohnabhängigen, müssen die Mächtigen durch massive Propaganda versuchen, den Lohnarbeitern die Ideologie vom völlig freien Markt (der, wie Arne richtig sagt, bedeutet: Freiheit für die Wölfe, die Schafe zu fressen) einzureden.
Nun wissen aber die Arbeitgeber, daß sie umso besser Druck auf die Lohnarbeitenden ausüben können, je höher die Arbeitslosigkeit ist; und die Lohnarbeitenden wissen, daß sie ihre Macht maximieren können, wenn sie die Arbeitslosigkeit beseitigen und stattdessen Arbeitskräfte für die Unternehmer knapp halten. Markfundamentalistischer Neoliberalismus, der nicht nur Deregulierung von Arbeitsmärkten und Abbau von Sozialsystemen zur Stärkung der Position der Mächtigen im Programm hat, sondern eben auch eine systematische Nutzung des Sparparadoxons zu Zwecken der Erhöhung der Arbeitslosigkeit bei gleichbleibend hohen Unternehmereinkommen (durch Lohn- und Steuersenkungen etc.) ist nicht umsonst eine Ideologie, die die Arbeitslosigkeit erhöht, aber mit falschen Argumenten vorgibt, sie senken zu können.
Was bedeutet all das für die Kapitalismusdefinition und Arnes "standardisierte Verträge"?
1. Standardisierte Verträge sind Ergebnis eines Machtkampfs
2. die Schwachen müssen diese Standardisierung erkämpfen, indem sie die Staatsmacht (Gesetzgebungsmacht) erobern (Arbeitsrecht: SPD-Regierung).
3. Dafür muß klar sein, daß nicht "die Märkte", sondern "die Politik" (der Staat) der Steuermann und Chefe des Systems ist.
*Daher gehört der Staat und sein Gewaltmonopol auf Platz 1 der Kapitalismusdefinition.
*
Denn um die politische Kontrolle dieses Machtmonopols kämpfen die Starken und Schwachen permanent mit propagandistischen (rhetorischen) Mitteln - Wirtschaftstheorien eingeschlossen - weil es den "Markt" (Zivilrecht, Eigentum/Freiheit/Gleichheit/Vertrag) überhaupt erst schafft und regulieren und deregulieren kann.
Noch genereller heißt das, Kapitalismus ist ein Machtsystem, in dem Machtkämpfe über Verträge und politische Regulierung geführt bzw. kanalisiert werden. In einer Demokratie mithilfe massiver Propaganda im Interesse gesellschaftlicher Interessengruppen mit dem Ziel seitens der Mächtigen, das eigene Partialinteresse als Allgemeininteresse darzustellen, um über Mehrheiten politische Gesetzgebungsmacht erobern zu können.
So, ich hoffe, jetzt ist dieser Punkt etwas klarer - ich mache hier mal einen Punkt, das war eh schon zu lang.
Aber ich hoffe, es wurde klarer, warum ich dem Staat eine Kernfunktion zuschreibe; und ich hoffe, es wurde durch die Wahl des Beispiels "Arbeitsvertrag" auch gleichzeitig klarer, warum ich "Lohnarbeit" in die Kapitalismusdefinition aufgenommen sehen will.
Zu meinem Punkt 3 meines Vorschlags für die Kapitalismusdefinition:
3.) Nominalforderungen aus Verträgen, die Gläubiger zu Zahlungs- und
Verrechnungszwecken an Dritte weiterreichen können und in denen die
Gläubiger die forderungslosen haftenden Sicherheiten ihrer Schuldner
in Bezug darauf bewerten, wie sie deren Einkommensaussichten
beurteilen (=anonymisierbare Wertpapiere) = Basis für Kreditgeld und -
weil unabhängige Eigentümer im Eigeninteresse prozyklisch bewerten und
Kredite vergeben müssen - selbstverstärkende Boom/Bust-Zyklen.
Hattest Du noch gefragt:
Arne hatte diesen Punkt schon knapp "konzentriert" formuliert, warum
dröselst Du das so auf, ich denke, Du schreibst nichts ohne Grund,
kannst Du erklären, warum Du es so formulierst?
Für mich war nicht erkennbar, in welchem Punkt von Arnes Definition das enthalten gewesen sein soll. Bei Arne habe ich den Eindruck, er sieht ein Problem nur in einem vermeintlichen Geldschöpfungsprivileg der Geschäftsbanken. Ich sehe das nicht so.
Mir ging es darum, "Kredit" auf der basalsten aller Ebenen zu beschreiben, weil schon in dieser absoluten Essenz für mich alles weitere - wie die Entstehung von Boom/Bust-Zyklen, von Banken, von Zyklen der Bankenregulierung und -Deregulierung über einen ähnlichen Machtkampf wie oben beschrieben, etc. - in nuce enthalten ist. Der Grundwiderspruch besteht einfach in der nominalen Fixierung der Vermögensrechte aus Verträgen (Forderungen/Verbindlichkeiten), während die forderungslosen Vermögensrechte nominell variabel sind und die Akteure sie in Abhängigkeit von Zukunftserwartungen bewerten.
Ich formuliere es so, weil
a) eine rein saldenmechanische Betrachtung die nonfinancial assets und die handelnden Akteure, die diese in Abhängigkeit von Erwartungen subjektiv bewerten, ausblendet;
b) beide Werttheorien (Arbeitswert- und Grenznutzentheorie) diesen Zusammenhang nicht sehen;
c) dieser Zusammenhang - das Verhältnis von nominal fixierten Verbindlichkeiten und Forderungen (financial assets) und nominal variablen forderungslosen Vermögensrechten (nonfinancial assets - inclusive Sacheigentumsrecht) - DER Kernzusammenhang zum Verständnis von Boom/Bust, Krise und Konjunktur ist, den man verstehen muß, wenn man Geld- und Wirtschaftspolitik machen will.
d) dieser Zusammenhang (und nicht die "Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken", deren angebliches "Geldschöpfungsprivileg" etc.) der primäre Grund für die grundlegende Instabilität unregulierter Märkte ist.
Zum Artikel - sorry, daß damit immer noch nichts wurde. Mein Vater ist, nachdem wir ihn (zu dritt) noch wochenlang rund um die Uhr zuhause gepflegt haben, gestorben. Da gab es viel zu tun, und ich hatte absolut keinen Kopf für Politik. Jetzt hab ich ein paar Tage frei, und werde nächste Woche erstmal für zwei Wochen wegfahren, um mich bißchen zu erholen.
Danach setze ich mich dann wieder an den Artikel.
Beste Grüße!
- [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 08.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Piratos, 09.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 10.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Ergänzung: dazu Wolfgang Stützel, was: Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 11.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Arne Pfeilsticker, 11.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, thomas, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, thomas, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 12.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 10.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, thomas, 09.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, moneymind, 11.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Arne Pfeilsticker, 10.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Peter Baum, 10.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Arne Pfeilsticker, 10.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Peter Baum, 10.08.2014
- Re: [AG-GOuFP] Kapitalismus - Definition für Vision, Piratos, 09.08.2014
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