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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht)
- Date: Fri, 16 May 2014 11:52:08 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hi Marco,
Wenn man selbst gerade nichts passendes im Angebot hat, gibt man eben ein Versprechen auf zukünftige Leistung ab - man lässt anschreiben. Im englischen Sprachraum nennt man das IOU (I owe you)
Ja.
Ob das zu erbringende Arbeitsleistung oder dingliche Werte sind, ist
egal.
Entscheidend sind verläßliche Durchsetzbarkeit und Fälligkeitstermin.
Der Verkäufer muss dem Versprechen vertrauen, und das setzt auch
voraus, dass er im Zweifelsfall seine Forderung durchsetzen kann -
zumindest dass er im Streitfall nicht ganz dumm dasteht.
Die heutige Ausgestaltung des Vertragswesens und der Rechtsprechung setzt allein auf diesen Prinzipien auf, ist natürlich noch 10x komplexer.
So ein IOU ist aber nur sehr begrenzt "umlauffähig".
Genau, das ist ein Kernpunkt. Was macht ein IOU "umlauffähig"? Die Frage ist zu unpräzise formuliert. Besser: unter welchen Umständen akzeptieren Dritte (C's) ein IOU des A (Schuldner) gegenüber dem B (Gläubiger) von dem B als "Zahlungsmittel" für eine an B erbrachte Leistung?
Die ersten Kreditzahlungsmittel der Geschichte waren "Wechsel". Sie wurden zu "zirkulationsfähigen" Zahlungsmitteln, weil der B dem C versprach, für den Fall der Nichtleistung des A selbst zu haften. Das ähnelt einer Bürgschaft. Der C weiß dann: wenn A nicht leistet oder selbst bei Zwangsvollstreckung nicht die vereinbarte Leistung erbringen kann, dann kann er sich an B schadlos halten. Der C weiß auch, daß der B dies natürlich vermeiden will und sich deshalb von der Leistungsfähigkeit des A überzeugt hat, bevor er von diesem ein IOU akzeptiert hat.
Dieser Schritt ist entscheidend und epochemachend in der Geschichte. Denn nun kann C das IOU eines Dritten akzeptieren, den er nicht einmal zu kennen braucht: durch die Haftungskette, in der auch der B in Haftung genommen werden kann, entsteht plötzlich die Möglichkeit ANONYMISIERTER Schuldverhältnisse. Das ist der entscheidende Schritt zu "Business"-Beziehungen: formalisierten Beziehungen, die NICHT mehr nur auf persönlicher Verwandtschaft oder Bekanntschaft beruhen.
Gesellschaften, die kein Eigentums- Vertrags- und Schuldrecht haben, das obiges ermöglicht, müssen für die Gestaltung ihrer Beziehungen auf direkte, persönliche Beziehungen zurückgreifen (was aus der Sicht des "Business" dann wie "Vetterleswirtschaft" oder gar "Korruption" aussehen mag, aber einfach die normale Beziehungsform bei Abwesenheit von Eigentums- und Vertragsrecht (Zivilrecht) darstellt. Verwandtschaftliche Reziprozität auf der Basis direkter Beziehungen stellen die Urform menschlicher Beziehungen dar und sind frei von "Bussiness Considerations".
Der Sozialismus z.B. beruhte sehr stark auf solchen direkten persönlichen Bekanntschaften:
http://web.gc.cuny.edu/Anthropology/docs/INTL-ENC.doc
Da macht es sich gut, dass der Herrscher/Staat (wie auch immer) seine eigene "zur Umlauffähigkeit veredelten Forderungen" (das ist das, was Geld im Kern ist) ausgibt und diesen zu einer allgemeinen Akzeptanz verhilft.
Der Staat kann dies, weil er die Steuergewalt hat. D.h. die Gesamtheit der Bürger haftet im Prinzip ständig - aber zu einem vom Staat beliebig gewählten Zeitpunkt. Weil der Staat durch seine STeuerhohheit der mächtigste Einzelakteur der Wirtschaft ist, sind seine IOUs auch die sichersten und umlauffähigsten - und bringen den Gläubigern die niedrigsten Zinsen (weil ihr Ausfallrisiko niedrig ist).
Wenn der Staat diese Macht nicht hat, ist auch sein "Geld" (seine IOUs) nix wert, wie man am monetären Chaos des postsozialistischen Rußland während der vollkommen irren "Schocktherapie" des Jeffrey Sachs beobachten konnte:
Hat David Woodruff in "Money Unmade: Barter and the Faith of Russian Capitalism" beschrieben:
http://personal.lse.ac.uk/woodruff/_private/materials/MoneyUnmadePreface.pdf
Homepage David Woodruff:
http://personal.lse.ac.uk/woodruff/
Dann wird gebartert, und "Geld" (auch das des Staates) ist nix als wertlose Papierfetzen.
Die Akzeptanz richtet sich, wie Du schon sagst, nach dem Vertrauen in bzw. durch Stabilität und die Durchsetzungsfähigkeit.
Wenn ich mir sicher bin, dass ich auch in 2 Wochen noch mit dem bunt
bedruckten Zettel, den Zahlenkolonnen auf dem Konto oder ... die
erbrachte Leistung in gleichwertige Gegenleistung umwandeln kann,
dann läuft die Wirtschaft wie geschmiert.
Man muss sich immer vor Augen halten, dass man nicht "für Geld",
sondern für die Dinge/Leistungen, die man damit erwerben kann,
arbeiten geht. Geld als Mittel zum Zweck.
Mit Geld kann man letztendlich von einem Schuldner eine von diesem versprochene Leistung erzwingen. Oder eine vom Staat erzwungene (Steuerleistung).
Geld als Wertmaßstab muss stabil sein (Stabilitätsanker), Flassbeck
schreibt im selben Artikel noch, dass Bitcoins und andere Spekulationsobjekte deswegen nicht viel taugen.
Das ist ein weiteres Thema, für das obiges Voraussetzung ist, aber um die "Stabilität" (Infla/Defla) verstehen zu können, muß man genauer hinschauen.
Eine gute Integration von Staats- und Kredittheorien des Geldes schlägt Randall Wray vor (ohne allerdings die Durchsetzbarkeit mithilfe eines staatlichen Gewaltmonopols allgemein zu erkennen - nur bei den staatlichen IOUs erkennt er das):
The Credit Money, State Money, And Endogenous Money Approaches: A Survey And Attempted Integration http://cas.umkc.edu/econ/economics/faculty/wray/papers/CREDIT&STATE%20MONEY%20JOIE%20revised.doc
Solange Keynesianer nicht die Notwendigkeit des Privat- und Zivilrechts (Eigentum, Vertrag, Schuldrecht) für Geldwirtschaft erkennen, werden sie weiter ein erfolgloses Entwicklungsland nach dem anderen produzieren und nicht verstehen, was dort abläuft (ein Beispiel dafür bei Flaßbeck, der das nicht versteht, und eines aus einem keynesianischen VWL-Lehrbuch liefere ich nach, muß leider gleich weg).
Kapiert haben das Heinsohn/Steiger (die wiederum das mit dem Staatsgeld nicht wirklich raffen):
http://www.dasgelbeforum.net/sammlung/Steiger66Thesen.pdf
Ich hatte das auch mal versucht etwas zu präzisieren:
http://www.eigentumsoekonomik.de/docs/Eigentum_und_Verpflichtung-WT.pdf
Gruß + ciao!
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Arne Pfeilsticker, 13.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Ex-SystemPirat, 13.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Monika Herz, 14.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Axel Grimm, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Monika Herz, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Ex-SystemPirat, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Axel Grimm, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Monika Herz, 14.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Ex-SystemPirat, 13.05.2014
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- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), moneymind, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flassbecks Sicht), Marco Schmidt, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), moneymind, 16.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld = auf Rechtskonstruktion basierendes soziales Beziehungsgeflecht, moneymind, 16.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), moneymind, 16.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flassbecks Sicht), Marco Schmidt, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), moneymind, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flassbecks Sicht), Marco Schmidt, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Ex-SystemPirat, 11.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), moneymind, 11.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Monika Herz, 11.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), moneymind, 11.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] Vollgeld als Supermonetarismus (Flaßbecks Sicht), Arne Pfeilsticker, 13.05.2014
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