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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: Patrik Pekrul <Patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, Thomas Schindler <thomas.schindler2 AT gmx.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?
  • Date: Thu, 23 Aug 2012 11:57:03 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Ich weiss nicht, ob meine Antwort gesendet wurde, falls dich bitte ich diese mail zu entschuldigen.

Patrik

Am 23.08.2012 um 11:09 schrieb Patrik Pekrul <Patrik.pekrul AT hotmail.de>:



Am 23. August 2012 10:17 schrieb Christoph Ulrich Mayer <CU_Mayer AT menschen-gerechte-gesellschaft.de>:
Patrik schrieb:
"Zins lässt sich nicht verhindern. Niemand tut etwas in großem Stil ohne Kompensation - selbst Geld aus dem Nichts schöpfen nicht.
Daran etwas ändern zu wollen ist illusorisch. Das ist wie Alkohol trinken, kiffen oder rauchen. Selbst wenn es unvernünftig ist, wird es immer stattfinden - einfach, weil die Menschen es WOLLEN."

Antwort:
Was Menschen wollen ist etwas anderes, als das was sie kriegen. Arbeiter wollen auch mehr Beteiligung am Kuchen aber kriegen tuns halt heute die Geldbesitzer. Du betrachtest hier nur die Angebotsseite und lässt die Nachfrageseite raus. Zins entsteht dadurch, dass es (natürliche und juristische) Personen gibt, die einen Überschuss an Geld haben und welche, die einen Geldmangel haben.
 
So ist es, und dieses Ungleichgewicht wird es immer geben.
 
Unternehmen die wachsen, haben stets mehr Geldbedarf als Geldverfügbarkeit und dafür nehmen sie verzinste Kredite in Kauf. Würden Unternehmen die Früchte ihrer Produktivität (die Zins und Renditen abschöpfen) selbst bekommen, bräuchten sie keine Kredite und die Geldbesitzer würden keinen Zins verlangen können.
 
Das ist so nicht richtig. Stellen wir uns vor, das Unternehmen baut eine neue Fabrik für 100 mio.€ in einem 2-Jahreszeitraum. Mit dieser Fabrik verdient es fürderhin 10 mio.€
 
Selbst wenn sämtliches Geld an das Unternehmen und nicht an eine Bank ginge, bräuchte es dennoch ad hoc Kredite in Höhe von 100 Mio.€, woher sollen die kommen? Der Kreditbedarf hat nichts mit dem Zins zu tun, sondern ist einfach der Tatsache geschuldet, dass jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr Geld braucht als er hat.
 
Der einzige Unterschied zwischen "Zinsen" und "Eigenkapitalrentabilität" ist das Risikoprofil. Währen die Kreditgeber i.A. einen konstanten (meist niedrigen) Satz über einen definierten Zeitraum kriegen - unabhängig von der Ertragslage - kriegen die Eigenkapitalgeber die Chance wesentlich mehr zu verdienen, aber auch zu verlieren.
 
Stellen wir uns vor, zwei Unternehmer bauen die Fabrik, A gibt 10 mio.€, B 90 mio.€. Nun vereinbaren sie folgenden Deal:
 
A kriegt von den Erträgen alles, B nichts.
 
Klingt ziemlich bescheuert, oder? Warum sollte B das tun?
 
Im allgmeinen einigt man sich wie folgt:
 
B wird als erster bedient und kriegt jedes Jahr 4 mio.€
A kriegt den Rest
 
Man kann nun der Ansicht sein, dass das ziemlich dämlich von A ist, aber
 
1. Ist das seine Sache
2. Zwingt ihn keiner es zu tun
3. Tut er es dennoch, wünsche ich ihm viel Glück dabei
 
Kredite werden von Unternehmen nicht aufgenommen, weil sie es "müssen", sondern weil sie es "wollen" - sie könnten den Laden nämlich auch einfach dicht machen, wenn sie keinen Sinn mehr darin sehen oder eine Investition NICHT tätigen; auch dies sind unternehmerische Entscheidungen. Wenn sich Unternehmen entscheiden, weiterzumachen, dann kann man wohl kaum von "Zwang" reden.
 
Alles was es dazu braucht ist, dieses Geld im Jetzt verfügbar zu machen. Die Geldmenge erhöht sich dadurch auch nicht mehr als durch Kreditschöpfung, nur eben in der Realwirtschaft statt in der Finanzwirtschaft.
Ich weiss worauf du hinauswillst, aber letztlich ist die entscheidende Frage eine andere:
 
1. Ist Geld begrenzt oder zumindest knapp, wird es Zinsen geben
2. Ist Geld unbegrenzt verfügbar (bspw. zinslose Kredite von der Zentralbank an jeden, der es haben will) wird der Zins bei 0 liegen
 
Die Gefahr liegt darin, dass dann die Bereitschaft abnehmen wird, etwas für das Geld zu tun, um es zu bekommen, statt einfach mit der Kreditkarte zu bezahlen - unendlich oft, unendlich viel.
 
Volkswirtschaftliche Wertschöpfung entsteht aber nicht aus Geld, sondern aus Tätigkeit, und nur Wertschöpfung führt zu Wohlstand. Das "System" muss also in jedem Fall so gestrickt sein, dass "Tätigkeit" belohnt wird, und der Anreiz, etwas zu tun anstatt sich einfach Geld zu holen, nimmt bei Nullzins drastisch ab - nicht zielführend.
 
Wenn alle nur noch zinslos Geld leihen, in der Hoffnung, dass irgendein anderer "Depp" noch arbeitet, wird am Ende nichts mehr produziert und davon hat keiner real etwas. Alle haben unendlich viel Geld zur Verfügung, aber es gibt keine Waren mehr - doof das.

Genauso ist es eben eine Frage der Alternativen. Wenn Geld von sich aus verfällt, dann bekommen Geldanleger Druck, es irgendwohin zu verleihen, wo es nicht verfällt, auch zu 0 Zinsen oder Minuszinsen.

All das ist nur eine Frage der Systemregeln.
Richtig, und die Regeln sollten sich an den Menschen und ihrem Verhalten orientieren.  

Ich erinnere da an ein Posting vom Juli:

Die Anhänger des Umlaufsicherungsgeldes sagen es schon lange:
Ein Anlegerzins von durchschnittlich 0% oder darunter ist dann möglich, wenn Anleger dadurch potenzielle oder sichere Verluste vermeiden.
Kritiker haben hier (in der AG) oft bezweifelt, dass dieser Effekt eintreten würde.
Nun gibt es auf jeden Fall den Beleg, dass das grundsätzlich funktioniert. Deutsche Staatsanleihen werden derzeit auch für 0% (bzw. sogar leicht negativer Prozentsatz, also weniger zurückzahlen als bekommen) an die Anleger gebracht. Weil viele Gelder da sind, die sicher angelegt werden wollen nd ein großer AMngel an sicheren Anlagen existiert.

Staatsanleihen Deutschland leiht sich Geld für 0,0 Prozent Zinsen
In der Schuldenkrise suchen Investoren händeringend nach sicheren Anleihen. Bevor sie Verluste riskieren, verzichten viele lieber auf die Rendite. Das nützt Deutschland - jetzt hat der Staat sich zum Nulltarif Geld geliehen.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/staatsanleihen-bundesregierung-leiht-sich-geld-fuer-prozent-zinsen-1.1363984
Ok, mit Scheuklappen gesehen scheint das ein Argument zu sein. Gegenargument:
 
Deutschland nützt es zwar, wenn alle ihr Geld in den vermeintlichen sicheren Hafen verschieben, aber es passiert mit dem Geld realwirtschaftlich genausowenig wie vorher - oder ist die Investitionsquote in Deutschland signifikant gestiegen?
 
Die Idee der Umlaufsicherung beruht ja auf dem Glauben, dass dadurch realwirtschaftliche Aktivität befördert würde - tatsächlich ist das nicht der Fall. Deutschland ist zwar im Moment der Einäugige unter den Blinden, aber Wachstum ist etwas anderes - siehe Asien.
 
By the way ist dadurch nachgewiesen, dass nicht das Sparen abgeschafft werden muss, um ein gerechtes Finanzsystem zu schaffen sondern es mindestens die Alternative gibt, Geldhaltungen mit Verlust zu belegen, um Vermögenseinkommen aus Geldanlagen zu eliminieren.
 
Daher die Brutto-Geld-Vermögenssteuer für hohe Geldvermögen.
 
Das kann man zwar als "Umlaufsicherung" interpretieren, wenn man will, tatsächlich ist aber der wesentliche Aspekt ein anderer: Nutzt man sie zur Entlastung der Arbeitskosten werden die (Vermögens-)Einkommen der Superreichen dadurch geschmälert, während die (Arbeits-)Einkommen erhöht werden. Dadurch entsteht mehr Nachfrage, und so mehr Wertschöpfung und in Folge mehr Wohlstand.



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