ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: Jürgen Niccum <j.niccum AT me.com>
- To: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT pfeilsticker.de>
- Cc: AG-GOuFP <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>, AG Wirtschaft <ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?
- Date: Mon, 27 Aug 2012 09:25:25 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Lieber Arne,
wir hatten im Grillfest geklärt, dass die Zinsen bei der Geldschöpfung nicht mitgeschöpft werden müssen, weil die Bank die eingenommenen Zinsen nicht einbehält, sondern das eingenommene Geld durch Ausgaben der Bank wieder im Wirtschaftskreislauf landet. Der Kreditnehmer hat somit die Möglichkeit die von der Bank wieder ausgegebenen Zinsen zu "verdienen" (also herrscht ein Kampf um das von den Banken ausgegebene Geld).
Ein, so wie Du es nennst, Aufschaukeln des Währungssystems (Wachstumszwang) entsteht dadurch erst ein mal nicht. Der Wachstumszwang entsteht erst dann, wenn Geld stillgelegt, also gespart wird. Für die stillgelegte Geldmenge sind nach wie vor Zinsen fällig! Dies belastet die deutsche Wirtschaft mit etwa 500 Milliarden Euro pro Jahr. Also könnten wir alle als Endverbraucher um 500 Milliarden Euro entlastet werden, wenn das Geld ohne Zinsen auf die Welt käme.
Wenn wir Geld nicht als Ding auffassen, sondern als Informationsträger, kann es keine Ware sein, deren Preis sich nach irgendwelchen zweifelhaften "wirtschaftlichen Grundprinzipien" richtet und sich damit ständig ändert. Wenn Geld ein Wertmaßstab für Waren sein soll darf sich sein Wert nicht ändern!
Unser Geld und Wirtschaftssystem sollte dahingehend umgebaut werden, dass Waren und Dienstleistungen zuerst dahin gehen, wo sie zur Deckung von Grundbedürfnissen benötigt werden. Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind, weil das Grundbedürfnis nach sauberem Trinkwasser und ausreichender Ernährung nicht gestillt wird! Weltweit werden ein drittel der Nahrungsmittel weggeworfen! Sondermüll landet irgendwo in Afrika, wo er das Grundwasser verschmutzt! Undichte Ölpipelines verseuchen ganze Landstriche! Menschen "spenden" Nieren gegen Geld! Flüchtlinge ersaufen im Mittelmeer!
Diese Liste der Fehlallokationen auf Grund von "wirtschaftlichen Grundprinzipien" könnte man endlos erweitern! Traurig oder?
Klarmachen zum Ändern!!
Gruß Jürgen
Am 23.08.2012 um 14:50 schrieb Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT pfeilsticker.de>:
Thomas Schindler schrieb:Ein Thema, dass mir jedoch sehr wichtig erscheint, ist die Frage, ob eine neue Wirtschafts- bzw. Geldordnung nun zinsfrei sein sollte oder nicht. Diese Frage scheint mir bisher noch nicht so recht in der Diskussion aufgetaucht zu sein.Hallo Thomas,
der Zins gehört nach meiner Wahrnehmung zu den am heißesten umstrittenen Themen der AG. Nachdem wir in einem Grillfest geklärt haben, dass Zinsen das Währungssystem nicht aufschaukeln, sollten wir den von dir angesprochenen Aspekt der Zinsen bei entsprechender Resonanz ebenfalls klären und/oder dein Thema ausführlich in einer Arbeitskreissitzung besprechen.
*Doch vorweg ein paar Anmerkungen:*
In der von mir vorgeschlagenen Währungsinfrastruktur wird sich der Zins einstellen, der sich Aufgrund von mittel- und langfristiger Nachfrage bzw. Angebot nach/an Geld sowie der Geldpolitik ergibt.
Dieser Zins wird nach meiner Einschätzung positiv sein, d.h. ein Darlehensnehmer muss in der Summe mehr zurückzahlen, als nur die Tilgung.
Aus meiner Sicht ist das nicht nur in Ordnung, sondern auch konsistent mit wirtschaftlichen Grundprinzipien und ich würde sogar vermuten mit deinem eigenen wirtschaftlichen Selbstverständnis.
Das oberste Grundprinzip lautet: *Keine Leistung ohne Gegenleistung.* Und in einer Volkswirtschaft mit Geld bedeutet das: Jede Ware oder Dienstleistung hat einen Preis.
Einen negativen Preis haben nur Müll. Die Müllabfuhr bekommt nicht nur die Ware (= Müll = Leistung), sondern auch noch das Geld (= Müllabfuhrgebühren = Gegenleistung).
Der Preis für Geld auf Zeit ist der Zins. Und solange es mehr Menschen gibt, die sagen: „100 Euro jetzt sind mir lieber, als 100 Euro nach meinem Tode.“, als umgekehrt, so lange hat der positive Zins seine Berechtigung.
Geld abstrahiert das Prinzip: Leistung jetzt, Gegenleistung später. Und der Preis für das Später ist der Zins.
Solange du es für selbstverständlich hältst, dass du z.B. für deine Arbeit einen Lohn bekommst, so lange solltest du dieses Grundprinzip auch anderen zugestehen. Einen negativen Zins zu verlangen ist so ähnlich wie die von machen Unternehmen eingerichteten „Praktikanten“-Stellen: Sie „dürfen“ bei uns kostenlos arbeiten, dafür bitten wir um Verständnis, dass neben der Arbeitskleidung auch noch das Handwerkszeug mitzubringen ist. Und selbstverständlich gibt es auch keine Fahrtkostenerstattung.
Das Problem, das m.E. durch deine Kritik angesprochen wird, ist allgemeiner: Wie angemessen sind Leistung und Gegenleistung. Beim Zins nennt man die Auswüchse Wucher.
Aber im Grunde müssen weit mehr schuldrechtliche Verhältnisse auf den Prüfstand. Ich beispielsweise kann nicht nachvollziehen, dass manche, die wie verrückt mit überhöhter Geschwindigkeit im Kreis fahren (besser bekannt unter Formel 1), in einem Monat mehr verdienen, als 10 Krankenschwester in ihrem ganzen Berufsleben.
Ich finde es auch nicht in Ordnung, dass wir alle es zulassen, dass viele Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten, damit wir z.B. T-Shirts für 3,99 Euro kaufen können. – Und wenige bei diesen Geschäften auch noch reich werden.
Mit dieser Kritik stelle ich mich nicht gegen marktwirtschaftliche Prinzipien, sondern den Missbrauch von Marktmacht. Und wenn wir unter diesem Aspekt auch die krasse Ungleichverteilung des Vermögens betrachten und ändern, dann wird man m.E. feststellen, dass Preise im allgemeinen und der Zinsen im speziellen nicht verwerflich sind.
Viele Grüße
Arne
--
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Jürgen Niccum, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Patrik Pekrul, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Patrik Pekrul, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Gunnar Kaestle, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Arne Pfeilsticker, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Patrik Pekrul, 23.08.2012
- Nachricht nicht verfügbar
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Arne Pfeilsticker, 23.08.2012
- Nachricht nicht verfügbar
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Jürgen Niccum, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Gerhard, 26.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Patrik Pekrul, 23.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Robert Merz, 26.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Jürgen Niccum, 27.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, ukw, 27.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Gerhard, 28.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Geldordnung 2.0: Mit oder ohne Zins?, Anton Tranelis, 28.08.2012
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.