ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
- To: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
- Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff
- Date: Fri, 3 Aug 2012 10:29:16 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 03.08.2012 um 09:47 schrieb "Nicolai Haehnle" <nhaehnle AT gmail.com>:
> Ich glaube, wir sind uns im größten Teil eigentlich sowieso einig,
> aber hier muss ich doch mal einhaken:
>
> 2012/8/2 Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>:
>> JEDER Ökonom - wie auch jeder Mensch - versagt permanent bei der
>> Vorhersage der
>> Zukunft, und das ist empirisch nachgewiesen. Das hängt nicht von den
>> Denkschule ab,
>> sondern schlicht daran, dass die Welt zu komplex ist, um sie zu
>> prognostizieren.
>>
>> Ein Ökonom kann mal Recht haben, vielleicht auch ein paar Mal
>> hintereinander, aber
>> langfristig unterscheidet sich seine Prognosefähigkeit in nichts von einer
>> zufälligen
>> Prognose, das ist anhand von ca. 65.000 Prognosen diverser Ökonomen über
>> einen
>> Zeitraum von 20 Jahren untersucht worden. Das ist wie beim Wetter...
>
> Mit Verlaub, der Vergleich mit dem Wetter hinkt. Die Wettervorhersage
> ist natürlich nicht perfekt, aber sie ist verdammt gut geworden.
Richtig, Wetter ist auch Physik, das ist viel einfacher zu prognostizieren
als ein menschliches System, weil die Physik keine "Erfahrung" sammelt und
ihr Verhalten ändert; in einer gleichen Situation verhält sich die Physik
genau gleich - das ist für Prognosen sehr angenehm.
>
> Es wäre unfair, von der VWL die gleiche Präzision zu fordern, da in
> der VWL die Datenlage eine viel schlechtere ist. Aber es geht hier
> nicht um ein paar Prozentpunkte Abweichung im prognostizierten BIP
> (wobei man den systematischen Bias von Vorhersagen der OECD schon ganz
> klar kritisieren muss).
Ich finde es grundsätzlich albern, von der VWL Prognosen zu fordern, das hat
fast schon etwas Metaphysisches - wie die Auguren im alten Rom. 2000 Jahre
später sollten wir ein bißchen weiter sein, sollte man hoffen - aber so ist
das mit zivilisatorischen Prozessen, sie brauchen ewig. Wir brauchen halt
immer noch die "Hohepriester", die mit okkulten Methoden die nächste Ernte
voraussagen. Und wie eh und je, leben die Priester ganz in der nähe der
Könige...
>
> Es ist viel schlimmer. Robert Lucas ist ein verdammt einflussreicher
> Ökonom, und der hat ca. 2003 geschrieben:
>
>> My thesis in this lecture is that macroeconomics in this original sense
>> has succeeded: Its central problem of depression-prevention has been
>> solved, for all
>> practical purposes, and has in fact been solved for many decades.
>
> Davon ist er meines Wissens auch bis kurz vor der GFC nicht abgewichen.
Ist ER die Neoklassik/der Mainstream?
>
> So gesehen hat die VWL als Wissenschaft auf ganzer Linie versagt: es
> gab zwar Wissenschaftler, die klar dargestellt haben, was
> wahrscheinlich bald schief gehen würde (eben Leute wie Keen oder
> Mosler oder Godley) - aber diese Erkenntnisse blieben am Rand der VWL,
> und die wirklich einflussreichen Figuren haben sie nicht geteilt. Und
> das Schlimmste ist, dass viele der einflussreichen Figuren _trotz_ der
> GFC diese Erkenntnisse _immer noch nicht_ in ihr intellektuelles
> Repertoire aufgenommen haben.
DAS kann man dem Mainstream tatsächlich vorwerfen - hier wird Wissenschaft
zum Glaubensbekenntnis, aber kann man von einem Priester verlangen, dass er
seine Religion verrät?
Ökonomen, die im Angesicht der Krise immer noch unreflektiert das hohe Lied
des Marktes predigen, sollte man aussortieren, weil erkenntnisresistent und
damit als Wissenschaftler ungeeignet (an dieser Stelle würde ich übrigens
auch den hier so beliebten Flassbeck kritisieren, der sich offenkundig
weigert, die Realität unseres heutigen Geldsystems zur Kenntnis zu nehmen -
passt halt nicht zu seinem Keynesianischen Glaubensbekenntnis, schade!)
>
> Es gibt natürlich viel gute Arbeit, die von Ökonomen geleistet wird,
> aber für dieses riesige Problem gibt es keine Ausrede - gerade im
> Vergleich zu anderen Wissenschaften. Siehe zum Beispiel den sauren
> Regen, vor dem laut und einstimmig gewarnt wurde, und der in Folge der
> Warnungen zurückgegangen ist; ähnlich mit dem Ozonloch, oder
> heutzutage Klimaerwärmung und Peak Oil. Mögliche Probleme werden
> erkannt, es wird gewarnt und kommt zur gesellschaftlichen Debatte. Vor
> der GFC kam vom Mainstream der Ökonomen kein Piep - das ist ein
> Versagen auf ganzer Linie.
Mag sein, aber der Kollaps kam ja nicht "alternativlos", sondern weil die
amerikanische Regierung über Nacht ihre Politik geändert hat, Lehman nicht
gerettet wurde und dieser Sinneswandel "die Märkte" schockiert hat. Das ist
eben ein Beispiel für den "menschlichen Faktor" im System, den keiner
voraussehen kann (von unzähligen weiteren nicht prognostizierbaren externen
Störgrößen mal ganz abgesehen).
Die Ökonomie kann - wenn überhaupt nur ceteris paribus - prognostizieren,
bequemerweise liegen die "sonst gleichen Bedingungen" aber NIE vor.
Sei es drum, ich denke, wir brauchen die Debatte nicht weiter zu vertiefen,
beschäftigen wir uns mit behavioral finance, die ist sehr nützlich und kann
uns im Verständnis der aktuellen Ereignisse weiterhelfen - ist der Link schon
unter "Quellen" auf dem Wiki eingestellt?
- [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 01.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Bodo Thiesen, 10.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, alex, 10.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
- [AG-GOuFP] gegen das neoklassische Schlachtschiff, The Dude, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 09.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 09.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 13.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 14.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gunnar Kaestle, 10.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 14.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Christoph Ulrich Mayer, 10.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 09.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
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