ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
- To: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
- Cc: "ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de" <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff
- Date: Thu, 2 Aug 2012 15:47:42 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Bei allem Verständnis für die Kritik am "neoklassischen Schlachtschiff"
wollte ich nur mal darauf hinweisen, dass wir uns als Piraten nicht an dieser
Billigpolemik beteiligen sollten.
Das neoklassische Modell ist im Kern nicht "falsch", sondern es abstrahiert
lediglich BEWUSST (und nicht etwa fälschlicherweise) von vielen realen
Bedingungen, weil es im wesentlichen nur eine einzige Frag untersucht: die
optimale Ressourcenallokation.
Das MODELL macht dabei vernünftige Grundannahmen und modelliert alle
Störgrößen weg, die nicht dienlich sind, den grundsätzlichen Zusammenhang zu
untersuchen. Es fragt also:
Wenn ich alles wüsste, mich frei entscheiden könnte, unendlich viel Zeit
hätte (oder ad hoc handeln könnte) und mir über die zukünftige Wirkung meiner
Handlungen im Klaren wäre, wie würde ich dann entscheiden, um meine
Ressourcen optimal einzusetzen?
NUR DAS ist die eigentliche Frage!
Da ist mit keiner Silbe auch nur angedeutet, dass die Welt wirklich so wäre!
Dies gilt insbesondere auch für die Annahme eines vollkommenen Marktes mit
unendlich vielen Anbietern und Nachfragern ohne Marktmacht (was wiederum eine
BEWUSSTE Abstraktion ist).
NATÜRLICH ist die Welt anders, aber genau darum geht es doch; wenn man weiss,
welche Allokation theoretisch optimal wäre und in der Realität feststellt,
dass sie es nicht ist, kann man nun nach und nach die Grundannahmen
modifizieren, um zu prüfen, welche Auswirkungen die Abweichungen haben.
Das Missverständnis liegt wohl darin, dass im Allgemeinen angenommen wird,
dass die Mainstream-Ökonomie nahelegen würde, dass die Welt so wäre, wie im
Modell oder gar so sein müsste oder könnte. Das ist natürlich nicht der Fall!
Ich empfehle an dieser Stelle mal, Ricardo zu lesen.
Nehmen wir mal als Beispiel die Finanzkrise, wie würde man sie neoklassisch
erklären?
1. Es liegt kein vollkommener Markt vor, weil es eine erhebliche
Konzentration der Marktmacht auf der Anbieterseite gibt - sowohl Menge als
auch Preis werden von den Geldanbietern bestimmt und nicht ausgehandelt
2. Der Käufer kann sich hinsichtlich des Geldes nicht zwischen mehreren
Produkten entscheiden, die qualitativ und preislich im Wettbewerb stehen, er
ist gezwungen die jeweils gesetzlich festgelegte Wahrung zu verwenden
3. Es gibt eine erhebliche Informationsasymetrie zwischen den Anbietern der
Finanzprodukte und den Käufern, weder kennen sie den gesamten Markt noch
können sie die einzelnen Produkte wirklich beurteilen
usw.
Deshalb kommt es dazu, dass der Preismechanismus nicht funktioniert, bspw.
weil ein steigender Preis für bestimmte Finanzanlagen die Nachfrage erhöht
statt sie zu senken, damit tendiert der Markt nicht zu einem
Gleichgewichtspreis, sondern ist systematisch instabil.
Dies ist auf den "Herdentrieb" zurückzuführen, der sich aufgrund des "Social
Proof"-Denkens einstellt; wenn ich nichts genaues weiss, dann schaue ich
halt, was die anderen so machen, die Mehrheit wird schon nicht völlig falsch
liegen - ein Fehlschluss!
Was ist an dieser (neoklassischen) Analyse falsch?
Natürlich kann man kritisieren, dass die Annahme des streng rational
handelnden Menschen nicht der Realität entspricht und deshalb bestimmte
Prozesse in der Realität zu anderen Ergebnissen führen als es "die reine
Lehre" voraussagt - aber kann man untersuchen, was die "optimale"
Ressourcenallokation ist, OHNE einen rational handelnden Akteur zu
unterstellen? Wohl kaum!
Fazit: Die Neoklassik stellt im Kern nur eine Frage und ist deshalb kann sie
auch nur diese eine Frage beantworten: Was wäre die optimale
Ressourcenallokation?
Wie man in der wirklichen Welt dahin gelangt und ob man dahin gelangen sollte
oder kann, beantwortet sie nicht - dafür gibt es berechtigterweise andere
Modelle, die sich mit dem "real existierenden Menschen" beschäftigen.
Die große Fehlinterpretation besteht in der Annahme, dass man die Welt so
umstricken müsste, dass sie dem Modell entspricht und dann alles gut würde.
Das ist natürlich quatsch, weil faktisch vergebens.
Am 02.08.2012 um 11:53 schrieb Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>:
> 2012/8/1 Gerhard <listmember AT rinnberger.de>:
>> Hallo,
>>
>> auf
>>
>> <http://www.youtube.com/playlist?list=PL0A21A329D01D0CFE>
>>
>> findet ihr die Mitschnitte der 'Behavioural Finance'-Vorlesungen von
>> Steve Keen (Autor von 'Debunking Economics') einem der führenden
>> Vertreter der Modern Monetary Theory.
>> <http://www.debtdeflation.com/blogs/>
>>
>> Er zeigt hier recht gerafft entscheidende Stationen in der ökonomischen
>> Modellbildung auf und stellt die konzeptionellen Fehler in der
>> Mainstreamökonomie schonungslos dar.
>>
>> Meines Erachtens Pflichtstoff für alle, die entsprechendes Basiswissen
>> mitbringen.
>
> +1; ich hatte auf die Serie schon vor ein paar Monaten hingewiesen.
>
> Aufbereiten für die AG wäre im Rahmen des AK Interne Bildung. Ich bin
> daran auch interessiert (und im AK).
>
> Schöne Grüße,
> Nicolai
> --
> Lerne, wie die Welt wirklich ist,
> aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.
>
> --
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
> AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
- [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 01.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Bodo Thiesen, 10.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, alex, 10.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
- [AG-GOuFP] gegen das neoklassische Schlachtschiff, The Dude, 03.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 09.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 09.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Gerhard, 13.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 09.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Patrik Pekrul, 02.08.2012
- Re: [AG-GOuFP] Volle Breitseite gegen das neoklassische Schlachtschiff, Nicolai Haehnle, 02.08.2012
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