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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Was haltet Ihr davon: Die unendliche Geschichte

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Was haltet Ihr davon: Die unendliche Geschichte


Chronologisch Thread 
  • From: Christian.Seiler <christian.seiler AT hotmail.de>
  • To: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Was haltet Ihr davon: Die unendliche Geschichte
  • Date: Wed, 23 May 2012 10:22:58 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Das Arbeitslosigkeit durch den Euro "entsteht" habe ich ja in einem weiteren Beitrag geschrieben. Das ist jetzt aber nicht so wirklich die Schuld der Exporte an sich, sondern die Euro Konzeption. In den USA beispielsweise wird der Schwund an Arbeitsplätzen durch die Mobilität der Arbeitnehmer kompensiert. Die Leute ziehen weg aus Michigan und Ohio und ziehen nach Texas oder Kalifornien.

Das geht in Europa nur bedingt, allein schon durch die Sprachen.

Ich finde es auch viel zu einfach zu sagen, dass höhere Löhne einfach mehr Wohlstand bedeuten. Die Frage ist doch wer die höheren Löhne hat. Ein Lohnniveau existiert ja nicht völlig grundlos. Wenn wir höhere Löhne per Staatssteuerung durchsetzen welchen Trade-off gehen wir dann ein? Und da ist es relativ eindeutig, dass vor allem die Leiden die am wenigsten gebildet sind. Wenn du nun sagst gut, wir haben ja eine soziale Sicherung, bleibt die ganz wichtige Frage im Raum stehen, schaffen wir nicht durch diese Kombination eine Klasse an Abgehängten? Welchen Anreiz zur Bildung und Weiterbildung hat jemand der sowieso keinen Job bekommt weil er einfach seit mehreren Jahren erfolglos auf der Suche ist?

Wir brauchen doch, beim Euro wie bei der Konstruktion eines sinnvollen sozialen Ausgleichs einen Bottom-to-Top Ansatz der einfach logisch schon sagt, wie schaffen wir einen Anreizrahemn für die Menschen da wieder raus zu kommen oder wie schaffen wir es dass die Menschen mit relativ niedrigen Einkommen zu den Mittleren absolut aufschließen. Wie unterstützen wir also die Menschen am effektivsten?

Wir können doch nciht den Ansatz pflegen dass wir einen Zustand zementieren der für keinen gut ist, indem wir den Erfolg einfach unterbinden.

Arbeitslosigkeit ist in der langen Frist, und über die reden wir gerade, kein Phänomen der Nachfrage. Warum ist das so? Überlege dir doch mal, dass in allen Gesellschaften mit Arbeitsteilung, es unabhängig konjunktureller Schwankungen Arbeitstätige gibt obgleich die Nachfrage ganz unterschiedlich ausfällt.

Zudem muss man sich immer vor Augen halten was denn die Makroebene ist. Das ist doch nichts anderes als das aggregierte Verhalten, mit allen gruppendynamischen Prozessen die stattfinden, der Mikroebene. Um die Makroebene zu verstehen muss man zunächst einmal die Mikroebene verstehen. Das sind ja keine unabhängig abgekoppelten Sphären.
Das wird auch schnell ersichtlich, wenn du dir mal Makroökonomische Modelle im Detail anschaust. Es gibt immer eine Überführung der Makrovariablen in die Mikroebene.


Am 23.05.2012 08:47, schrieb Nicolai Haehnle:
Hallo Christian,

2012/5/22 Christian.Seiler<christian.seiler AT hotmail.de>:
Es geht nicht lediglich um Lohn-Stück Kosten, das wäre eine sehr
oberflächliche Erkenntnis, vielmehr geht es um die Mischung aus
Kapitalausstattung/Arbeiter und die Kaptialaustattung/Technologische
Umsetzbarkeit. Produktivität macht sich nicht lediglich an den Lohn Stück
Kosten fest, sondern ist Ausdruck der Bildung, der eigenen Präferenzen, etc.
Produktivität macht sich nicht an den Lohnstückkosten fest, das ist
schon richtig. Aber die Lohnstückkosten sagen an, wie viel Geld
relativ zur Produktivität an die Arbeitnehmer fließen, die dann mit
dem Geld konsumieren. Das ist doch ganz einfach: wären die
Lohnstückkosten in Deutschland höher, dann würde in Deutschland mehr
konsumiert, weil die Sparquote bei Arbeitnehmern niedriger ist als bei
Kapitalbesitzern. Das würde auch zu höheren Importen führen und so das
Außenhandelsungleichgewicht Deutschlands zurückfahren.

Auch würde das Problem überhaupt nicht gelöst werden. Nehmen wir an der
Staat würde regulierend in die Löhne eingreifen, dann würde sicherlich die
Produktivität in Deutshcland im Verhältnis zu den Kosten sinken - ganz
richtig.
Was würde aber geschehen? Eigentlich nichts weiter, außer dass nicht
Deutschland profitierren würde sondern eben ein anderes Land dass nun
relativ produktiver wäre.
Was ist Deutschland? Für mich zählen am Ende die Menschen. Und da muss
man nun einmal konstatieren, dass Menschen durch höhere Löhne
profitieren.

Was du über relative Produktivität und so weiter schreibst ist alles
richtig, aber du stellst dir offenbar nicht die Frage, wozu das alles
gut sein soll.

Für mich zählt der Mensch. Und immer mehr Produktivität anzustreben
ist unsinnig, wenn die Menschen davon nicht profitieren. Und wenn man
massive Nettoexporte hat, dann heißt das, dass die Menschen von ihrer
Produktivität nicht profitieren. Denn wir stellen hier reale Güter her
und schicken sie ans Ausland, ohne im Gegenzug selbst reale Güter im
gleichen Wert zu erhalten. Handel ist nur sinnvoll, wenn ich etwas
hergebe, damit ich mir dafür etwas anderes leisten kann.

Sagen wir DEutschland erhöht durch Lohnuntergrenzen die Kosten für Arbeit
dramatisch, dann hätten wir erstens eine ähnliche Sockelarbeitslosigkeit wie
in Frankreich und eine ähnliche Jugendarbeitslosigkeit. Aber was würde das
für Europa implizieren?
Ich bin da ganz bei Flassbeck, der gesagt hat, dass die Deutschen eben
nicht nur ihre Güter exportiert haben, sondern auch ihre
Arbeitslosigkeit. Du hast schon Recht, dass potentiell Arbeitsplätze
verloren gehen können. Wie viele und wie verteilt ist nicht ganz klar,
da eine Anhebung der Löhne ja auch den Binnenmarkt stärkt und dadurch
wieder Arbeitsplätze im Non-Tradable-Goods-Sektor entstehen. Welcher
Effekt dann überwiegt ist a priori nicht klar.

Aber es ist doch klar, dass Arbeitslosigkeit ein Makro-Problem ist,
und in diesem Fall ein Makro-Problem der ganzen Eurozone. Es wird in
der Eurozone zu viel gespart, bzw. die Haushaltsdefizite der
Eurostaaten sind zu klein, als dass die Arbeitslosigkeit sinken
könnte. Die korrekte Antwort darauf ist eine gemeinsame Strategie der
Eurostaaten.

Diese Abwärtsspirale über Lohnsenkung und gegenseitiger Konkurrenz
führt nur zu Verfall. Denk doch bitte mal über positive Wege aus einer
schlechten Situation.


Natürlich nicht! Unser Ziel muss es sein eine Harmonisierung des Euro Raumes
anzustreben (der sich wie ich schon seit Monaten sage so eh nicht halten
lässt - esm hin oder her, schon werden die Maastricht Kriterien eh wieder
weichgespült von den Opportunisten in den Regierungen). Aber diese
Harmonisierung muss dadurch erfolgen, dass wir endlich überall einen
exzellenten Bildungsstandard durchsetzen. Kann doch nicht sein, und das hat
mich wirklich schockiert, dass an einer der Universitäten in Frankreich, an
der ich studiert hatte (UM1), es nichtmal möglich ist einen Englischdozenten
einzustellen der Englisch kann (Kurs 6. Semester).
Oder das man für einen Master Kurs zur Agrarökonomie ein Lehrbuch von 1956
benutzt, dass die Agrarsysteme aus der ZZeit beschreibt, wohlgemerkt da ging
es nicht um Theorie sondern praktische Analysen existierender Systeme, die
Hälfte des Buches war nutzlos weil es die Systeme einfach gar nicht mehr gab
oder diese eh obsolet wurden.
Oder dass die Dozenten es nicht einmal schaffen eine Powerpoint Vorlesung zu
halten. Von meinen französischen Freunden konnte keiner, ich widerhole,
keiner, Englisch oder irgendeine andere Sprache.
Deine Wertschätzung von Bildung in allen Ehren (und die Franzosen, die
ich kenne, sprechen alle Englisch - aber das liegt sicher auch an
meiner Situation). Natürlich ist Bildung wichtig, da bin ich ganz bei
dir.

Aber Massenarbeitslosigkeit ist eben auch ein makroökonomisches
Phänomen der mangelnden Nachfrage. Deutschland hat durch Lohndrückung
im Vergleich zu anderen Euroländern direkt oder indirekt Nachfrage aus
diesen Ländern nach Deutschland umgelenkt und klopft sich jetzt dafür
auf die Schultern. Aber diese Art von Strategie kann nur in eine
Abwärtsspirale führen. Wie gesagt, denke einfach mal positiv.

Schöne Grüße,
Nicolai





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