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berlin-squad-integration - Re: [Squad-IIP] Rassismus durch Sarah Kuttner!?

berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Squad Integration, Inklusion, Partizipation (IIP)

Listenarchiv

Re: [Squad-IIP] Rassismus durch Sarah Kuttner!?


Chronologisch Thread 
  • From: Yonas Endrias <endriasy AT aol.com>
  • To: berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Squad-IIP] Rassismus durch Sarah Kuttner!?
  • Date: Sat, 26 May 2012 16:22:39 -0400 (EDT)
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/berlin-squad-integration>
  • List-id: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration.lists.piratenpartei.de>

Hallo alle,
 
eigentlich wollte ich mich an dieser Diskussion nicht beteiligen. Die Gründe erkläre
ich später. Aber da einige Diskutanten auf Unwissenheit plädieren, hier erst mal die Fakten.
Was oder wer ist eigentlich der "Mohr"? Oder der "Neger"? In der Regel bezeichnet
man Menschen nach ihrem Kontinent, Gebiet, oder manchmal auch der Sprache.
Der "Neger" genauso wie der "Mohr" ist Produkt und Projektionsfläche europäischer
kolonialer Phantasie. Nach dieser ist der "Mohr" ein Diener, ein Sklave, dumm,
kindisch, unzivilisiert, kulturlos, geschichtslos - ein Wesen, das nur dazu da ist,
Weißen zu dienen, also à la "Sarotti-Mohr". Ein Bewohner des afrikanischen
Kontinents heißt Afrikaner oder Afrikanerin oder je nach Land Senegalese,
Nigerianer, oder Kenianer oder nach politischer Hautfarbe Schwarzer.
Woher kommt das Wort "Mohr"? Ursprünglich kommt es in der deutschen
Sprache von der Bezeichnung für die Bewohner Nordafrikas, den Mauren.
Das Wort leitet sich wiederum aus dem Griechischen "moros"
ab und bedeutet "einfältig", "töricht" "dumm".
Laut "Wahrig Deutsche Rechtschreibung" kommt "mo|ros [lat.]: mürrisch,
verdrießlich" hinzu. Daraus leiten sich noch viel mehr negative Bezeichnungen ab,
die in Wissenschaft und Literatur einen festen Platz gefunden haben, z.B. aus der
Psychologie die Bezeichnung "moron", ein retarierter Erwachsener mit dem
mentalen Alter eines Kindes zwischen 7 und 12. Ihr kennt sicherlich das "Oxymoron"
aus der Literatur usw.
 
Noch weitere Beispiele. Das erste deutsche Lexikon von 1739 definiert den Mohr als
verbranntes Gesicht, in Anlehnung an die griechische Bedeutung bzw. lateinische:
 
"Mohr, Aethopier, Lat. _Aethiops_, von dem Griechischen [aethio] ich brenne und
 [ops] das Gesicht“ hier heißt es also ‚verbranntes Gesicht’.
 
Hundert Jahre später definiert der damalige „Duden“, angepasst an den Zeitgeist die
 Menschen in „Rassen“ kategorisiert: „Mohr (Menschenrasse), der; _en, _en u.
(Zeug) _e“.
Wie soll es auch anders sein, wenn der große weiße europäische „Aufklärer“
Emanual Kant meint:
Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Die
 gelben Inder haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind tiefer, und am
 tiefsten steht ein Teil der amerikanischen Völkerschaften.
Für Kant ist der „Neger“ ein geborener Sklave. Hier eine Kostprobe:
„Die Race der Neger […] nimmt Bildung an, aber nur eine Bildung der
 Knechte, d.h. sie lassen sich abrichten“
 
Noch eine zeitgenössische Kostprobe. Das deutsche Sprichwörterlexikon von 1876
 
 "Wer von einem Mohr wohl bedient sein will, der muss ihn wohl speisen, viel
 arbeiten lassen und tüchtig prügeln."
 
So viel zur positiven Konnotation à la Erik.
Wie ihr seht, waren zu keinem Zeitpunkt der deutschen Geschichte die Begriffe
„Mohr“ und „Neger“ positiv gemeint, sondern abwertend und entwürdigend. Die Rede
 von „positiver Konnotation“ ist einfach nur bullshit und eine Verniedlichung und
 Verharmlosung von Rassismus.
 
 
 
 
An Guido und Erik.
Es geht um Würde, die angeblich laut Verfassung unantastbar ist. Was ihr gerade
 praktiziert, ist sprachliche Gewalt. Mit dieser Gewalt und rassistischen Sprache fügt
 ihr Menschen sehr viele Schmerzen zu. Auch zu der Zeit, in der ihr oder eure Oma
 zu Schule ging, hieß es „ich bin nicht dein Neger“, ergo, ich bin nicht dein Sklave.
 Könnt ihr euch vorstellen, immer auf die Hautfarbe reduziert zu werden?
Es geht um Machtverhältnisse. Die Definitionsmacht, die die Weißen für sich
 beanspruchen, wie andere genannt werden sollen, aus weißer, rassistischer,
 kolonialistischer und Nachfahren der Sklavenhalter Perspektive.
 
Die dumme Argumentation, dass Schwarze Hipp Hopper den Begriff benutzen, gibt
 euch auch kein Recht, solche abwertenden Bemerkungen zu benutzen. Damit ich
 nicht viel schreiben muss, hier ein youtube link.
Tim Wise on the word nigger/nigga
Das sind nur ein paar Minuten.
 
 
Oder noch ein etwas längerer youtube-Beitrag zu weißen Privilegien.
Tim Wise - The Pathology of White Privilege
 
 
 
Ich möchte mich künftig bei solchen unterirdischen Diskussion nicht beteiligen.
Fabio, wie wäre es, wenn du ausnahmsweise auch deine Meinung sagst?
 
Etwas verärgert,
Grüße
 
Yonas
 
-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Von: Guido Weyers <guidoweyers AT googlemail.com>
An: Squad Integration, Inklusion, Partizipation (IIP) <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
Verschickt: Sa, 26 Mai 2012 6:54 pm
Betreff: Re: [Squad-IIP] Rassismus durch Sarah Kuttner!?

Hallo Bastian,

ich kann deine Argumentation prinzipiell nachvollziehen.
Nichtsdestotrotz bin ich mir nicht sicher, ob es immer so war wie du
schreibst und ob nicht auch positive Konnotationen in der damaligen
Zeit existierten. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch erwähnen,
dass es damals die berühmte Serie "Roots" gab, die einen sehr
beeindruckenden Einblick in die Sklavengeschichte, den amrikanischen
Rassismus ect. gab. Ich bin immer ein Mensch der sich gerne anschaut
welche Fortschritte in diesem Bereich erzielt wurden. Insbesondere die
Entwicklungen der afroamerikanischen Geschichte Martin Luther King,
Barack Obama und des dortigen schwarzen Hip-Hops haben dem Rassismus
dort starke Gegengewichte entgegensetzen können. Sicherlich gibt es
Amerika immer noch zu viel Rassismus gegen Afroamerikaner, aber sie
stehen dort sicher nicht mehr am Anfang.

Nochmal Fragen an dich

Findest du es auch rassstisch, wenn eigene "Rassen" oder Angehörige
einer Religionsgemeischaft Witze über sich selbst machen? (Eddy
Morphy, Kaya Yanar oder Oliver Polak)

Stehen für dich tatsächloich die Begriffe "Neger", "Judens*" und
"Kana* auf einer Stufe?

LG
Guido


Am 26.05.12 schrieb Bastian Blankenburg <bastian AT blankenburg.net>:
> Hallo, Erik, Guido, alle,
>
> es geht nicht darum, was ein Benutzer des N-Wortes empfindet oder meint, es
> geht darum, dass es Menschen herabsetzt und diese verletzt. Das Wort hat
> nunmal eine Reihe negativer Bedeutungen, das wird durch die eventuelle und
> heutzutage nicht akzeptable Unwissenheit des Benutzers nicht anders. Die
> allermeisten Schwarzen wissen sehr gut um die herabsetzende Bedeutung des
> N-Wortes, zumindest kenne ich keine Gegenbeispiele. Deshalb ist die
> Verwendung rassistisch. Und ja, es macht einen Unterschied, ob es
> ausgeschrieben wird.
>
> Nochmal zum historischen Kontext: ja, die Oma, die damals N*küsse gekauft
> hat, hat damit Rassismus zumindest in Kauf genommen. Die Dinger wurden so
> genannt, weil Rassismus damals eine gesellschaftlich akzeptierte Norm war.
> Ob man der Oma vorwerfen kann, dass sie das hätte erkennen und was gegen die
> Norm unternehmen müssen, ist eine andere Frage. Zu Guidos
> Kindheitserinnerung von Schwarzen als “fremd, faszinierend und exotisch”:
> ich habe es als Kind ähnlich empfunden, aber auch das ist purer Rassismus.
> Es ist egal, dass das für uns nichts negatives war oder wir es nicht böse
> gemeint haben. Wir wurden so sozialisiert, auf Grund strukturellem
> Rassismus. Heute haben wir die Verantwortung, Rassismus zu erkennen und was
> dagegen zu machen, auch bei uns selbst. Denn diese Zuschreibungen, selbst
> wenn sie postitiv gemeint sind, führen zu ganz realen Problemen schwarzer
> Menschen. Welche Firma stellt schon eine Buchhalterin, Projektleiterin, etc.
> ein, die vermeintlich “fremd, faszinierend und exotisch” ist?
>
> Fragt Euch doch mal, wie die Diskussion laufen würde, wenn Kuttner nicht N*,
> sondern Judens*, Kana* oder ähnliches geschrieben hätte. Auch diese Begriffe
> waren irgendwann mal von der Mehrheitsgesellschaft aktzeptiert. Trotzdem
> würde man sie heute höchstens in Anführungsstrichen schreiben, und nicht
> ohne ganz klar zu machen, dass man sich davon distanziert. Kuttner aber hat
> die Sache ins vermeintlich komische gezogen. Es geht bei der Puppe aber um
> eine sehr traurige Angelegenheit, da ist es schon sehr schwierig, eine
> humorvolle Schilderung des Sachverhalts zu finden, die für die Betroffenen
> nicht verletzend ist. Ganz sicher nicht ok ist eine Reproduktion des
> diskriminierenden “Humors” dieser Puppe, nichts anderes hat sie ja getan.
> Vermutlich hat sie aber gar nicht darüber nachgedacht, sondern das aus ihrer
> weißen Perspektive lustig gefunden, so wie wohl auch ihr Lektorat. Damit hat
> sie ihr weißes Privileg ausgespielt und rassistisch gehandelt, bewusst oder
> unbewusst.
>
> Gruß,
> Bastian
>
> Am 26.05.2012 um 26.05.12 10:01 schrieb Guido Weyers:
>
>> Tag zusammen,
>>
>> ich denke auch, das nach allem was ich von Sarah Kuttner bisher
>> mitbekommen habe, es mich sehr wundern würde, wenn sie in der
>> Rassismusecke landen würde.
>>
>> Für mich ist, genau wie Erik es schrieb, zum einen der Hinweis auf die
>> Vergangenheit, als diese Bezeichnung noch gang und gebe war, entschiedend
>> und die damalige Bedeutung des Wortes im entsprechenden historischen
>> Kontext.
>> Ich kann mich auch noch an diese Zeit erinnern und hatte damals als Kind
>> niemals das Gefühl, das der Begriff "Neger" negativ konnotiert war. Als
>> Kind war das damals für mich genauso faszinierend, fremd
>> und exotisch wie für Kids heute vielleicht Robert Paton als Vampir. Ich
>> habe damals im Geschichtsunterricht bereits gelernt, dass man
>> geschichtliche Dinge aus der Vergangenheit nicht nach heutigen Maßstäben
>> beurteilen sollte.
>> Die Bedeutung von Worten ändert sich im Laufe der kulturellen Entwicklung
>> in einmer Gesellschaft ständig.
>>
>> Interessent find ich auch das Phänomen, das Afroamerikaner in ihren
>> Hip-Hop Texten sich selbst als "Nigger" bezeichnen und dies absolut stolz
>> umkonnotieren. Ich finde das ein Beispiel für einen sehr klugen und
>> selbstbewußten Umgang,
>> mit einem ursprünglich von Weißen geprägten rassistischen Begriff. Ähnlich
>> intelligent gehen auch beispielsweise Juden in ihrem sehr eigenen dunklen
>> Humor mit sich selbst um, den schätze ich ebenfalls sehr.
>>
>> Liebe Grüße,
>> Guido
>
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