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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss

ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss


Chronologisch Thread 
  • From: "Moritz Richter" <mmarichter AT aol.com>
  • To: "'Mailingliste der AG Energiepolitk'" <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de, ag-sozialpiraten AT lists.piratenpartei.de, ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de, ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss
  • Date: Tue, 9 Oct 2012 13:09:36 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Hallo Rene,

ich weiß wirklich nicht genau, was du unter dem Begriff Sockeleinkommen
verstehst. Ich verstehe darunter ein Konzept, bei dem jedem in Deutschland
legal lebendem Menschen ein einheitlicher Geldbetrag vom Staat gewährt wird.
Das bedeutet aber nicht, dass bestehende Sozialleistungen in irgendeiner
Weise beschränkt werden. Ich verstehe also nicht, wieso es berechtigt wäre,
dieses Konzept mit dem Adjektiv "neoliberal" zu bezeichnen. Es geht ja grade
nicht um irgendeinen Abbau irgendwelcher Sozialleistungen irgendeiner Art.
Wenn nun also Steuern auf Energie unkompensiert erhöht, bedeutet dies für
alle Einkommensschichten eine zusätzliche Belastung. Alle
Einkommensschichten? Alle, bis auf eine. Menschen in Grundsicherung würden
nämlich durch steigende Leistungsansprüche profitieren. Die großen Verlierer
wären die Menschen, deren Einkommen grade ausreicht, auf staatliche
Transferzahlungen nicht angewiesen zu sein. Diese werden nun also entweder in
das System staatlicher Transferzahlungen gedrängt, oder müssen tatsächlich
prozentual die höchsten Einkommensverluste hinnehmen.

Wenn man jetzt grade "nur" diese Menschen entlasten möchte, schafft man grade
diesen "bürokratische" Monster. Man müsste sich ein degressives System
einfallen lassen, damit es nicht zu Härten ab einer Einkommensschwelle kommt,
man muss eine irgendwie geartete Prüfung einführen, um herauszufinden, wer
berechtigt ist und wer nicht. Und am Ende hat man wieder ein zusätzliches
System geschaffen, welches du ja von Grund auf vermeiden wolltest.

Natürlich verbrauchen Menschen auf einem Einkommenslevel unterschiedlich viel
Energie, da sie in auch in komplett unterschiedlichen Lebensverhältnissen
leben.
Aber anscheinend gibt es auch einen statistischen Zusammenhang zwischen
Einkommen und Energieverbrauch. Dies bedeutet, dass statistisch
einkommensschwache Haushalte durch Besteuerung + Energiegeld entlastet
werden. Unsozial wäre es tatsächlich, wenn statistisch Menschen mit einem
geringeren Einkommen mehr belastet werden würden. Aber für Menschen die auf
einem bestimmten Einkommenslevel leben und viel Energie verbrauchen scheint
es möglich durch eine Veränderung des eigenen Verhaltens Energie einzusparen.
Und genau darum geht es doch!

Zu Kraftstoffkosten und Pendlerpauschale:

Durch eine Verteuerung von Kraftstoff steigt ja nicht die Rückzahlung, da
diese nur von der Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort und dem
Einkommen abhängig ist. Diejenigen, die also vor einer Energiesteuerreform
höhere Kraftstoffkosten hatten, werden auch nach der Reform höhere
Kraftstoffkosten haben. Und dies sind - wie statistisch gezeigt- Menschen mit
höheren Einkommen.

Gruß

Moritz


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: energie_und_infrastruktur-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:energie_und_infrastruktur-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag
von René Heinig
Gesendet: Dienstag, 9. Oktober 2012 10:57
An: Mailingliste der AG Energiepolitk
Cc: AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de;
ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de; ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de;
ag-sozialpiraten AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss

Am 08.10.2012 18:11, schrieb Moritz Richter:
> Hallo Rene,


Hi Moritz,


> Und diese sehr armen Menschen, (die auch keine Grundsicherung
> beziehen?) gibt es dann in allen unteren Einkommendezilen, oder was?


Die gibt es dort einfach *häufiger*.


> Natürlich wären Standardabweichung und Median noch zusätzlich interessant


sogar sehr interessant, und für jemand der ernsthaft empirische
Sozialforschung betreibt ist das bei so einer Fragestellung ein muss


> , aber aus deren Fehlen zu schließen, dass die Standardabweichung vor
> allem in den unteren Einkommendezilen besonders hoch wäre, finde ich
> dann recht an den Haaren herbeigezogen. Es ist ja nur geringes
> Einkommen vorhanden, welches theoretisch zum Energieverbrauch zur
> Verfügung steht...


Aus dem Fehlen schließe ich nur, dass schlampig gearbeitet wurde. Dass
gerade diejenigen, die wenig Geld zur Verfügung haben sich häufiger
keine (A++) Geräte leisten können ist einfach logisch. Und wer den
ganzen Tag zu Hause ist verbraucht in der Regel auch mehr Energie, wenn
er Geräte besitzt, das ist auch wieder sehr logisch. Wenn jetzt eine
Statistik kommt, die ausschließlich mit Mittelwerten arbeitet und keine
Differenzierung und Analyse der Daten und ihrer Auswertung vornimmt,
dann ist das auf den ersten Blick für mich kein sinnvoller Ausgangspunkt.


Ich wohne in einem 2 Personenhaushalt (bald werden es 3 :)) und habe die
neusten energiesparenden Geräte, wir sind beide Akademiker und verdienen
entsprechend, sind aber auch beide voll berufstätig. Wir haben einen pro
Kopf-Jahresverbrauch von um die 1.000kWh (2.000kWh / 2 Personen). Ich
vermute mal dass ich bei dem Modell Sockeleinkommen am Ende mehr
rausbekommen würde als ich bezahle, insofern die zusätzlich zu
schaffende Bürokratie den Teil nicht verbrennt. Ich sehe aber nicht ein
warum dieses Geld an mich und andere Personen, wie mich, statt an Leute
gehen sollte, die es viel dringender benötigen, vielleicht gerade
benötigen, um sich davon auch energiesparende Geräte zu kaufen.
Abwrackprämie für alte Kühlschränke ist ja auch schon lange ein Thema.


>>> Noch extremer ist das bei den Ausgaben für Kraftstoffe (Seite 28):
>> Und genau die gibt es für Fahrten zur Arbeitsstelle vom Staat wieder
>> (Pendlerpauschale).
> Da die Pendlerpauschale nur vom verfügbaren Einkommen abgesetzt werden kann


Sie kann nur von den gezahlten Einkommenssteuern zurückerstatt werden,
hat erstmal nichts mit dem verfügbaren Einkommen zu tun. Und deshalb bin
ich auch für die Abschaffung der Pendlerpauschale. Alternativ könnte man
auch die Rückzahlung von der geleisteten Einkommenssteuer entkoppeln,
aber ich finde die Pendlerpauschale setzt falsche Signale und ist eines
der größten Steuerschlupflöcher überhaupt. Aber solange es sie gibt, ist
die Aussage mit diejenigen die mehr verdienen bezahlen auch mehr für's
KFZ so pauschal einfach komplett falsch.


> und nicht erstattet wird, werden eben nicht die gesamten
> Kraftstoffausgaben vom Staat zurückerstattet.


Die täglichen Fahrten auf Arbeit machen aber einen Großteil aus, und da
werden auch nicht blos die Ausgaben für den Kraftstoff sondern auch noch
für den Verschleiß des Autos erstattet. Ich kenne Leute, die bekommen da
an die 4.000€ im Jahr raus, nur weil sie ihren Hauptwohnsitz nicht
umgemeldet haben.


> Dies ist für kleine Einkommen aufgrund der Progression dann sogar
> extremer, als für große. Folglich würden auch hier die unteren
> Einkommensschichten von einem Energiegeld/Sockeleinkommen profitieren.


Die Schlussfolgerung kann ich gerade überhaupt nicht nachvollziehen, das
Sockeleinkommen erhält jeder, also auch diejenigen, die bereits viel
durch die Pendlerpauschale bekommen.

> Und was zeigt dies? Es bedeutet ja nicht, dass Haushalte mit geringem
> Einkommen nicht von einem Energiegeld/Sockeleinkommen profitieren würden.
> Der Umstieg ist ja gar nicht notwendig, um eine Einkommensverbesserung zu
> erreichen, wenn diese schon durch das Energiegeld stattgefunden hat. Aber
> grade durch ein Energiegeld könnten auch die Zins- und Tilgungszahlungen
> "machbar" werden, da mehr festes Einkommen vorhanden ist.


Es geht doch nicht darum, dass irgendwie Geld verteilt wird, hauptsache
es kommt irgendetwas an, sondern es geht doch darum, dass möglichst viel
bei denen ankommt, die es benötigen. Ein Sockeleinkommen "minimiert"
aber die Transferleistungen für diejenigen, die sie benötigen und
"maximiert" sie für diejenigen, die sie nicht benötigen. Wenn man
zielgerichtet verteilt, oder eben den Weg über ein BGE, was tatsächlich
die 4 immanenten Kriterien eines BGE erfüllt, dann kommt mehr Geld bei
denen an die es benötigen und gerade solche dringend notwendigen
Verbesserung werden einfacher möglich als mit einem Sockeleinkommen.


> Das Geld, von dem die Rede ist, ist momentan nicht verfügbar! Es
> müsste durch eine zusätzliche Besteuerung endlicher Energieträger erst
> aufgebracht werden. Und diese Besteuerung erfolgt aus einem
> Lenkungszweck und nicht um die sozialen Probleme in Deutschland zu
> lösen. Wer meint, Geld umverteilen zu müssen, soll sich an die
> Einkommensteuer halten oder eine Vermögensbesteuerung, aber bitte
> nicht irgendeine Verbrauchsteuer herzaubern!


Wir sind uns doch soweit einig, dass wir Energiesteuern richtig finden
und diese anheben wollen. Der Disput liegt an dieser Stelle rein in der
Verteilung der (zusätzlichen) Mittel.


> Aber genau da liegt das Problem! Diese Instrumente gibt es gar nicht!
> Menschen in der Grundsicherung würden so oder so durch steigende
> Leistungsansprüche profitieren.


Das ist in dieser Pauschalität falsch. Klar würde derjenige, der auf der
Straße lebt und keine Energiekosten hat profitieren, klar würde eine
"viel"-köpfige Familie davon profitieren, wo die Eltern ihr ganzes Leben
von einer Sozialleistung zur nächsten wechseln. Aber es gibt eben auch
Personen, die nicht in diese Kategorien fallen, wie z.B. sehr alte
Menschen in Grundsicherung mit hohem Energieverbrauch, die dann am Ende
vermutlich mit noch weniger dastehen oder wenn überhaupt nur sehr wenig
besser. Denn diese würden mit einer Anhebung der Mindestsicherung
deutlich besser dastehen als mit einem Sockeleinkommen. Und genau
deshalb würde ich, wenn wir eine soziale Komponente fordern, entweder
die Anhebung von ALG-II, Kindergeld und Mindestsicherung fordern oder
eben eine umfassende Reform zu einem BGE, was auch eine umfassende
Steuerreform mit Anhebung der oberen Progressionsstufen beinhaltet.


> Ein Ausgleich könnte ja dann nur durch eine irgendwie geartete
> Bedürftigkeitsprüfung erfolgen.


Oder wie im Modell Sozialstaat 3.0 (für das Wohngeld) eine Einkommens-
statt einer Bedürftigkeitsprüfung.


> Diese ist zum einen entwürdigend


nicht entwürdigender als die Menschen weiterhin unter der Armutsgrenze
leben zu lassen, wenn man die Gelder auch besser verteilen kann als über
ein Sockeleinkommen


> und zum anderen bedeutet sie die grade deutlich mehr Bürokratie als
> ein Sockeleinkommen. Grüße Moritz


Eben nicht. Das Sockeleinkommen ist ja zusätzlich zu den bisherigen
Regelungen, es bläht also die Bürokratie weiter auf, so dass am Ende
weniger bei denen ankommen kann die es brauchen. Bitte verwechsel nicht
Sockeleinkommen mit BGE, das sind 2 grundverschiedene Ansätze, an ein
BGE werden harte Kriterien angelegt, so dass es nur mit einer radikalen
Reform des Gesamtsystems realisierbar ist, ein Sockeleinkommen ist ein
neoliberales Modell bei dem es egal ist ob am Ende jeder eine Sicherung
der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe hat.

Viele Grüße
René
--
Energie_und_Infrastruktur mailing list
Energie_und_Infrastruktur AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/energie_und_infrastruktur





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