ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Ag-umwelt mailing list
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- From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
- To: "AG Wirtschaft \(Achtung viele Mails am Tag!\)" <ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de>
- Cc: AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de, ag-sozialpiraten AT lists.piratenpartei.de, ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de, Mailingliste der AG Energiepolitk <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss
- Date: Tue, 9 Oct 2012 22:43:16 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
Hallo Rene,
Am Tue, 09 Oct 2012 10:57:15 +0200
schrieb René Heinig <hren AT hrz.tu-chemnitz.de>:
> > Und diese sehr armen Menschen, (die auch keine Grundsicherung
> > beziehen?) gibt es dann in allen unteren Einkommendezilen, oder
> > was?
>
>
> Die gibt es dort einfach *häufiger*.
Ähem. Ist allen klar, was ein Dezil ist?
Die Leute im ersten Dezil einer Einkommensverteilung sind
die Personen, die höchstens soviel Einkommen haben wie die ärmsten
10 % der Gesamtheit. Die Leute z.B. im vierten Dezil sind
diejenigen, die _mehr_ als die ärmsten 30 % haben, aber
höchstens so viel wie die 'untersten' 40 %.
In den höheren Dezilen sind also per Definition keine
sehr armen Leute.
>
>
> > Natürlich wären Standardabweichung und Median noch zusätzlich
> > interessant
>
>
> sogar sehr interessant, und für jemand der ernsthaft empirische
> Sozialforschung betreibt ist das bei so einer Fragestellung ein muss
>
>
> > , aber aus deren Fehlen zu schließen, dass die Standardabweichung
> > vor allem in den unteren Einkommendezilen besonders hoch wäre,
> > finde ich dann recht an den Haaren herbeigezogen. Es ist ja nur
> > geringes Einkommen vorhanden, welches theoretisch zum
> > Energieverbrauch zur Verfügung steht...
Das ist unsinnig. Die Dezile (oder allgemeiner,
Quantile) beschreiben eine Verteilung wesentlich
genauer als Mittelwert und Standardabweichung.
Und der Median _ist_ per Definition das 5. Dezil
beziehungsweise das 50 % - Perzentil.
Wer's genauer wissen will:
de.wikipedia.org/wiki/Dezil
>
>
> Aus dem Fehlen schließe ich nur, dass schlampig gearbeitet wurde.
René, kannst Du das genauer begründen?
> Dass gerade diejenigen, die wenig Geld zur Verfügung haben sich
> häufiger keine (A++) Geräte leisten können ist einfach logisch.
Wobei sich die Frage stellt, ob die A++ Geräte so
wichtig sind. Am meisten einsparen kann man immer
noch durch intelligenten, sparsamen Verbrauch.
> Und
> wer den ganzen Tag zu Hause ist verbraucht in der Regel auch mehr
> Energie, wenn er Geräte besitzt, das ist auch wieder sehr logisch.
Dem widersprechen aber die von Moritz wiedergegebenen Zahlen,
die ärmeren Bevölkerungsteile geben zwar _anteilig_ mehr für
Energie aus (und das tut ihnen auch eher weh, weil sie viel
weniger frei verfügbares Einkommen haben), die _absoluten_
Ausgaben sind aber eindeutig geringer.
> Wenn jetzt eine Statistik kommt, die ausschließlich mit Mittelwerten
> arbeitet und keine Differenzierung und Analyse der Daten und ihrer
> Auswertung vornimmt, dann ist das auf den ersten Blick für mich kein
> sinnvoller Ausgangspunkt.
Einspruch: Die Statistik gibt Quantile an und ist damit viel
differenzierter als Mittelwerte. Noch genauer wären
hoch aufgelöste Histogramme, aber in denen steckt
dann auch viel statistisches Rauschen.
> 2 Personen). Ich vermute mal dass ich bei dem Modell Sockeleinkommen
> am Ende mehr rausbekommen würde als ich bezahle, insofern die
> zusätzlich zu schaffende Bürokratie den Teil nicht verbrennt. Ich
> sehe aber nicht ein warum dieses Geld an mich und andere Personen,
> wie mich, statt an Leute gehen sollte, die es viel dringender
> benötigen, vielleicht gerade benötigen, um sich davon auch
> energiesparende Geräte zu kaufen.
Die Kombination Energiesteuer & Energiegeld soll nicht
die klassische Sozialpolitik ersetzen, sondern Anreize
schaffen.
Und es ist ein großer Unterschied, ob einfach ein
Transfer von 10 € von euch an niedrigere Einkommensschichten
statt findet, oder ob ihr 50 Euro
Energiesteuer zahlt, und ihr 40 Euro als Energiegeld wieder
bekommt. Die 50 Euro könnt ihr nämlich sehr wirkungsvoll
reduzieren, indem ihr weniger Energie verbraucht,
und damit entsteht ein Markt für energieeffiziente
Geräte, Wohnungen, Siedlungsstrukturen, Autos und so weiter
- und das speziell und gerade bei Produkten, bei denen
herkömmlich der niedrige Preis den Ausschlag gibt.
Und über das Energiegeld sind auch ärmere Leute an diesem
Markt beteiligt.
Die Alternative dazu ist, spezielle technische Entwicklungen
wie Elektroautos, von denen man nicht weiß ob daraus jemals
etwas wird, zu fördern, sowie beispielsweise Elektrogeräte
mit einem Wust an Regelungen zu administrieren. Die
Energiesteuer könnte dazu beitragen, dass zunächst mal
wesentlich kleinere, leichtere und somit verbrauchsärmere
Autos gebaut werden. Und genau das wäre ein wesentlicher
Schritt, wie der Erfolg der Pedelecs (Elektrobikes) zeigt.
> > Dies ist für kleine Einkommen aufgrund der Progression dann sogar
> > extremer, als für große. Folglich würden auch hier die unteren
> > Einkommensschichten von einem Energiegeld/Sockeleinkommen
> > profitieren.
>
>
> Die Schlussfolgerung kann ich gerade überhaupt nicht nachvollziehen,
> das Sockeleinkommen erhält jeder, also auch diejenigen, die bereits
> viel durch die Pendlerpauschale bekommen.
Nun, die Leute mit hohem Einkommen geben in der Regel
deutlich mehr für Energie aus, also zahlen sie
auch mehr Steuer und sind im Mittel Nettozahler.
Nicht erfasst werden wie schon gesagt Vermögenseinkommen,
für so etwas braucht man immer noch eine Vermögenssteuer
oder ähnliches.
>
> > Und was zeigt dies? Es bedeutet ja nicht, dass Haushalte mit
> > geringem Einkommen nicht von einem Energiegeld/Sockeleinkommen
> > profitieren würden. Der Umstieg ist ja gar nicht notwendig, um eine
> > Einkommensverbesserung zu erreichen, wenn diese schon durch das
> > Energiegeld stattgefunden hat. Aber grade durch ein Energiegeld
> > könnten auch die Zins- und Tilgungszahlungen "machbar" werden, da
> > mehr festes Einkommen vorhanden ist.
>
>
> Es geht doch nicht darum, dass irgendwie Geld verteilt wird,
> hauptsache es kommt irgendetwas an, sondern es geht doch darum, dass
> möglichst viel bei denen ankommt, die es benötigen.
Zumindest *ein* wesentlicher Sinn einer Energiesteuer ist es,
energiesparendes Verhalten ökonomisch zu machen.
Soweit die primäre Zielsetzung ist, der Einkommensungleichheit
entgegen zu wirken, besteht ja durchaus die Alternative,
das direkt zu tun.
> Ein
> Sockeleinkommen "minimiert" aber die Transferleistungen für
> diejenigen, die sie benötigen und "maximiert" sie für diejenigen, die
> sie nicht benötigen.
Hier machst Du wieder den Fehler, den Fall "Steuersatz x und
vollständiger Transfer" zu vergleichen mit "Steuersatz x und
Rückzahlung an alle". Solange der Steuersatz derselbe ist,
erfolgt im zweiten Fall ein geringerer Transfer. Aber es
ist eben gerade Sinn und Zweck der Übung, dass man den
Steuersatz eben soweit auf x + y erhöhen kann, dass man eine
gewünschte Lenkwirkung bekommt.
> Wenn man zielgerichtet verteilt, oder eben den
> Weg über ein BGE, was tatsächlich die 4 immanenten Kriterien eines
> BGE erfüllt, dann kommt mehr Geld bei denen an die es benötigen und
> gerade solche dringend notwendigen Verbesserung werden einfacher
> möglich als mit einem Sockeleinkommen.
Das verstehe ich nicht so ganz. Nach meinem bisherigem
Verständnis ist der Hauptunterschied zwischen BGE
und Sockeleinkommen, dass das Sockeleinkommen nicht
die gesamte Grundsicherung abdeckt, die alten Transfers
also bestenfalls teilweise ablösen kann.
Die Hauptidee beim BGE ist nach meinem Verständnis die
Bedingungslosigkeit, und gerade dem kommt ein bedingungslos
gezahltes Sockeleinkommen doch sehr nahe. Es kann als
Übergangslösung dienen, zumal die Energiesteuer ja auch
niedrig anfangen und mit der Zeit steigen würde.
> Wir sind uns doch soweit einig, dass wir Energiesteuern richtig
> finden und diese anheben wollen. Der Disput liegt an dieser Stelle
> rein in der Verteilung der (zusätzlichen) Mittel.
Die Crux ist, dass man wenn man eine wirkliche Lenkungswirkung
erzielen will, die Energiesteuern schon ziemlich substanziell
erhöht werden müssen. Die bisherige Mineralölsteuer bewirkt ja auch
nicht, dass die Leute massenhaft auf Brötchenholen per PKW
verzichten. Wenn man die Steuer aber entsprechend hoch macht, führt
das wiederum zu wirtschaftlichen Belastungen. Nicht nur für
Geringverdiener, sondern für alle. Das Energiegeld kann diese
kompensieren _und_ zusätzlich einen Anteil zum sozialen Ausgleich
beitragen.
Eine progressive Einkommenssteuer ersetzen kann die Kombi
Energiesteuer plus Energiegeld dagegen wahrscheinlich nicht,
weil, wie wir gesehen haben, die Progression schwächer ist
als bei einer Einkommenssteuer.
> Das ist in dieser Pauschalität falsch. Klar würde derjenige, der auf
> der Straße lebt und keine Energiekosten hat profitieren, klar würde
> eine "viel"-köpfige Familie davon profitieren, wo die Eltern ihr
> ganzes Leben von einer Sozialleistung zur nächsten wechseln. Aber es
> gibt eben auch Personen, die nicht in diese Kategorien fallen, wie
> z.B. sehr alte Menschen in Grundsicherung mit hohem Energieverbrauch,
> die dann am Ende vermutlich mit noch weniger dastehen oder wenn
> überhaupt nur sehr wenig besser.
Dass Besteuerung und Sozialapparat Menschen in sehr
unterschiedlichen Situationen über einen Kamm schert,
ist nichts neues.
> Denn diese würden mit einer Anhebung
> der Mindestsicherung deutlich besser dastehen als mit einem
> Sockeleinkommen. Und genau deshalb würde ich, wenn wir eine soziale
> Komponente fordern, entweder die Anhebung von ALG-II, Kindergeld und
> Mindestsicherung fordern oder eben eine umfassende Reform zu einem
> BGE, was auch eine umfassende Steuerreform mit Anhebung der oberen
> Progressionsstufen beinhaltet.
Ich sehe wie gesagt den Konflikt zwischen Sockeleinkommen und BGE
nicht. Vielmehr denke ich, dass die beiden hier genannten
Möglichkeiten in eine gegensätzliche Richtung gehen. Die
erste wäre eine Verstärkung des Bedürftigkeitsprinzips,
während das Konzept BGE in Richtung der Abschaffung des
Bedürftigkeitsprinzips zielt.
Ich würde nicht ausschließen, dass es Fälle gibt, wo
man um Härtefall- und Sonderregelungen nicht herum kommt,
wie die mehrfach erwähnten Rentner mit sehr wenig
Einkünften aber im Besitz eines extrem schlecht isolierten
Hauses. Da sollte man sicher gezielt Lösungen suchen,
ich bin mir sicher dass es da Möglichkeiten gibt.
Aber dass es einzelne Personen geben kann/wird, die
im Fall einer solchen Besteuerung auf Unterstützung
angewiesen sind, kann ja wohl kein Argument dafür sein,
dass die ganze Gesellschaft auf die Anpassung an zukünftige
wesentlich höhere Energiekosten verzichtet und so
die Zukunftsfähigkeit insgesamt aufs Spiel setzt.
> > und zum anderen bedeutet sie die grade deutlich mehr Bürokratie als
> > ein Sockeleinkommen. Grüße Moritz
>
>
> Eben nicht. Das Sockeleinkommen ist ja zusätzlich zu den bisherigen
> Regelungen, es bläht also die Bürokratie weiter auf, so dass am Ende
> weniger bei denen ankommen kann die es brauchen. Bitte verwechsel
> nicht Sockeleinkommen mit BGE, das sind 2 grundverschiedene Ansätze,
> an ein BGE werden harte Kriterien angelegt, so dass es nur mit einer
> radikalen Reform des Gesamtsystems realisierbar ist, ein
> Sockeleinkommen ist ein neoliberales Modell bei dem es egal ist ob am
> Ende jeder eine Sicherung der Existenz und gesellschaftlichen
> Teilhabe hat.
Ein Sockeleinkommen ist noch keine Totalreform, geht für mich aber
in die gleiche Richtung wie ein BGE. Und der bürokratische Aufwand,
finde ich, dürfte sich durchaus in Grenzen halten. Das ließe sich
ja über eine Steuergutschrift für Einkommenssteuerpflichtige
und einen Zuschlag zum ALGII weitgehend erledigen.
Viele Grüße,
Johannes
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss: Risikovorsorge Peak Fossil, (fortgesetzt)
- Nachricht nicht verfügbar
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss: Risikovorsorge Peak Fossil, Gunnar Kaestle, 06.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Abstimmung Risikovorsorge Peak Fossil, Johannes Nix, 06.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss: Risikovorsorge Peak Fossil, Gunnar Kaestle, 06.10.2012
- Nachricht nicht verfügbar
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 09.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Moritz Richter, 09.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 09.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Moritz Richter, 10.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Sozialpiraten] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 10.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Moritz Richter, 10.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 09.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Johannes Nix, 09.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 10.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Johannes Nix, 13.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 14.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Johannes Nix, 13.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [AG Wirtschaft] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, René Heinig, 10.10.2012
- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss, Moritz Richter, 09.10.2012
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