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ag-meinungsfindungstool - Re: [Ag Meinungsfindungstool] Deliberative Demokratie

ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

Listenarchiv

Re: [Ag Meinungsfindungstool] Deliberative Demokratie


Chronologisch Thread 
  • From: pa.rei AT gmx.de
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag Meinungsfindungstool] Deliberative Demokratie
  • Date: Mon, 28 Apr 2014 19:38:59 +0200
  • Importance: normal
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>
  • Sensitivity: Normal

Hi Henri,
 
also gut - ich werde versuchen, möglichst wenig über Märkte zu reden, aber weil es das grundlegende Konzept deiner Plattform ist, muss ich wohl darauf eingehen.
 
Glaub mir, ich finde Märkte im Grundsatz 'ne super Sache. Unsere Gesellschaft würde nicht ohne Märkte funktionieren. Allerdings sind sie kein Allheilmittel, denn sie wollen den einen Zweck (Kapitalismus: Gewinn) in einen anderen (Gemeinwohl) umwandeln. Dafür braucht es aber die passenden Regeln. Auf jeden Fall aber kann ein Markt keine ethischen Entscheidungen lösen. Sie sind eher auf Koordination und Flexibilität ausgelegt.
 
Um Macht zu managen, sind Märkte dadurch in der Tat geeignet. Sie sind ja teilweise schon im Parteiensystem umgesetzt, allerdings mit einigen Verzerrungen (die aus derselben Ursache folgen, aus der der Kapitalismus und die unsichtbare Hand manchmal "löchrig" sind: es sind die Reibungsverluste bei der Umwandlung der beiden Zwecke).
 
Aber ebenso sind sie nicht dazu geeignet, mündige Bürger zu schaffen. Es stimmt, dass du auch ein Diskussionssystem-Element eingebaut hast und das sollte dann, wenn du willst, auch in d!sco reinpassen. Aber mMn ist das Diskussionselement nicht weiter entwickelt als in bisherigen Diskussionssystemen (wir sind uns über die Definition noch nicht ganz klar) wie Foren oder, von mir aus im weit entfernten Sinne, Petitionsplattformen. Tiefe Diskussionen sind auch hier nicht möglich. Wie soll ein Marktmechanismus, der von mir aus eventuell Interessen ausgleichen kann, dafür sorgen, dass die Interessen überlegt und nicht nur instinktiv geäußert werden? Dabei ist Mündigkeit die Grundvoraussetzung für Demokratie (aus meiner Sicht).
 
Demokratie besteht des weiteren nicht ausschließlich aus Interessenausgleich. Sie besteht zu einem ebenso großen Teil aus gemeinsamen Problemen wie Umweltschutz oder Internetpolitik. Dabei sind natürlich auch Interessen im Spiel, aber gerade bei der Internetpolitik stehen auch sehr stark Ideologien und Weltbilder im Vordergrund. Die müssen der Realität angepasst werden. Und wie? Zum Beispiel durch den Austausch in einer gemeinschaftlichen Diskussion. Oder?
 
Liebe Grüße,
Paul
 
Gesendet: Montag, 28. April 2014 um 14:57 Uhr
Von: "Henri Nathanson" <henri.nathanson AT gmail.com>
An: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [Ag Meinungsfindungstool] Deliberative Demokratie
Hi Dinu,
danke für Dein Mail. Wir kennen uns ja von der AG-Demokratie-Liste, wo ich Dir bereits mitgeteilt habe, dass ich den Herrn Koschnik für einen Schwätzer, aber zumindest für einen auflagenorientierten Journalisten halte. Ich würde ihn gerne lesen, um Anreize zu erhalten. Aber den einzigen Reiz, den ich fand, war der Schmerzreiz.
 
Dennoch ist Deine Bemerkung, wie man ein solchen Projekt zehn Jahre im Alleingang verfolgen kann, allemal angebracht. Ich staune selbst darüber. Insbesondere als es nicht beabsichtigt war. Ich hatte immer schon die Öffentlichkeit gesucht. Das geht bis ins Frühjahr 2005 zurück. Seit 2009 entwickelte ich Prototypen und stellte diese anderen vor. Ende 2011 bereits mit Stuttgarter Piraten. Im Sommer 2012 in Berlin.
 
Es ist nur erklärbar, wenn man bedenkt, dass ich mit meinem Demokratieverständnis der allgemeinen Blickrichtung konträr entgegen laufe. Auch hier rollen sich bereits manchem die Strumpflöcher zusammen, wenn ich "DIE KAPITALISTISCHE WELTORDNUNG" zur Lösung des Demokratieproblems propagiere. Was natürlich alles Quatsch ist. Aber es bleibt, dass man kaum einen gemeinsamen Nenner findet. 
 
Es liegt auch an mir selbst. Ich besitze keine große soziale Intelligenz. Ein Aspekt, den man nicht unterschätzen darf. Der mich aber nicht hindern wird, nach der Erforschung der Demokratie, diese auch in die Praxis zu führen. Auch schaue Dich bitte um, welche Forschungsergebnisse von Einzelpersonen erreicht werden. Klar baut man heute grundsätzlich auf die Ergebnisse anderer auf. Das ist auch bei mir der Fall. Aber das heißt ja nicht, dass die Aufbauarbeit selbst nicht auch allein getätigt werden könnte.
 
Ich bin es eigentlich recht Leid, eine Diskussion zur Qualität von Märkten zu führen. Märkte bereichern seit jeher das menschliche Miteinander. Sie implementieren einfachste Regeln, die sich wie selbstverständlich aus der Natur des Menschen ergeben. Sie ermöglichen die arbeitsteilige Wirtschaftsgesellschaft und damit unseren Wohlstand. Ich frage mich immer, wie asozial man eigentlich sein muss, um dieses nach der Familie wohl grundlegendste soziale Prinzip nicht als das zu erkennen, was es ist?
 
Märkte sind soziale Organisationsformen. Und davon gibt es eine unglaubliche Vielzahl in stark unterschiedlicher Disposition und Komplexität. Und diese Organisationsformen sind andauernd dabei sich zu verändern und sich zu entwickeln. Und es ist eine ganz perfide Komik unserer heutigen Situation, dass vielfaches Marktversagen deshalb geschieht, weil die politische Organisation zu wenig Markt aufweist. Bitte. Soll schauen, wer aus diesem Schlamassel heil heraus kommt. Aber Märkte haben eben nicht das Primat in unserer Gesellschaft. Sie sind Mittel zum Zweck. Den die Gesellschaft festlegt und den einzuhalten sie stark genug sein muss, Märkte zu gescheit zu regeln.
 
Unsere Gesellschaften sind schwach. Wir sind schwach, weil wir über keine gute Demokratie verfügen. Wir leben nicht in einer "repräsentativen Demokatie". Wir leben in einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. Einer Demokratie, die von Personen entworfen wurde, die keine Ahnung von ihren theoretischen Grundlagen hatten bzw. die bis dahin sich geschichtlich so entwickelt hat. Es gab ja auch noch keine Telekommunikation. Der Versuch, die repräsentative Demokratie in ein Parlament zu zwängen, ist recht lächerlich. Das wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, wie viele Freiheitsgrade die repräsentative Demokratie a la "noddr" zu bieten hat. Die Demokratie ist eine leuchtende Fackel der Freiheit. Das sollte doch jeder sehen.
 
In der Mathematik braucht man für einen logischen Gedankengang keinen empirischen Beweis. In der Physik hatte Einstein auch gewusst, dass ein Lichtstrahl durch Masse ablenkbar ist, bevor man es gemessen hat. Die Wirtschaftswissenschaft ist nun deutlich weniger heilig als die Mathematik. Aber sie hat doch so viel, dass ich die Demokratie bereits heute sehen kann. Ich will noch die Freiheitsstatue anfassen, die wir ihr zu Ehren bauen werden.
 
Grüße
Henri
 
 
 
Am 28. April 2014 14:08 schrieb Dinu Gherman <gherman AT darwin.in-berlin.de>:
Hallo zusammen,

eine nette Diskussion, von der ich meine, sie wäre besser in der AG Demokratie aufgehoben, aber egal.

Henri, Deine Bemühungen in Ehren, noddr hat einen coolen Namen und sieht durchaus interessant aus. Was mich allerdings irritiert sind folgende Punkte (bitte korrigiere mich, wenn ich Dich falsch verstanden habe):

1. Warum glaubst Du, dass Du (nach eigener Aussage) allein 10 Jahre lang Demokratie-Forschung betreiben und diese in ein System gießen kannst, auf das andere aufspringen? Ich frage ganz ernsthaft, weil Du entweder "Forschung" anders verstehst, oder nicht genug darüber sagst, wie Du dazu kommst oder wer das unterstützt? Auf jeden Fall wird akademische "Forschung in Isolation" schon länger nicht mehr praktiziert, soweit ich weiß.

2. Was veranlasst Dich, "Marktprinzipien", also ökonomische, als diejenigen zu identifizieren, nach der sich in Zukunft die Demokratie richten wird? Für mich schwingt da sehr die vielzitierte "unsichtbare Hand" mit, die alles zum Guten führen soll. In der Realität sieht das leider ganz anders aus, siehe z.B. nur den Markt für Emissionszertifikate, wo man schon vor längerem eine Tonne C02 für den Preis eines Kaugummies kaufen konnte. Es klingt auch sehr nach TINA, There Is No Alternative. Wie gesagt, ohne fundierte Begründung kann man das nicht verkaufen. Dazu noch: Märkte funktionieren nur mit theoretisch gleichberechtigten Teilnehmern. Diese haben wir eigentlich nirgendwo, oder hast Du in Deiner Forschung welche identifizieren können?

3. Warum betrachtest Du die repräsentative Demokratie als Lösung, während in allen Ländern, die sie haben, gilt, dass die Probleme, die sie verursacht, mehr zunehmen als die, die sie löst? Dazu gibt es übrigens eine lesenswerte Artikelreihe auf Telepolis unter dem Titel "Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr" (mit inzwischen 21 Teilen): http://www.heise.de/tp/autor/wolfgangjkoschnick/default.html

Gruß,

Dinu

PS: Übrigens wundert es mich auch, dass jemand, der die Demokratie verbessern möchte, ein Konto bei der Postbank führt, Tochter eines der undemokratischsten und kriminellsten (verurteilten) Unternehmen, die man heutzutage so finden kann.


Am 27.04.2014 um 23:17 schrieb Henri Nathanson:

> Hi Paul,
> ich antworte mal, auch wenn Du mich mit "y" geschrieben hast! ;)
> Du hast natürlich vollkommen recht, wenn Du "noddr" als einfaches Beschlusssystem einstufst. Es hat ja auch niemand gesagt, dass die Demokratie kompliziert sein muss.
>
> "noddr" beinhaltet aber auch einige Elemente der Meinungsbildung. So hat jedes Programm einen Inhalt, der informiert und variabel ist. Egal, ob man ein Programm nun als Politiker oder als mehr am Gemeinwohl orientierter Mensch einstellt.
>
> Dazu kommt die Möglichkeit eines privaten Dialogs eines Wählers mit einem Politiker. So können die Inhalte des Programms nachgefragt und vertieft werden. Weiters gibt es schon eine Kommentar-Funktion beim Programm, die jedem offen steht.
>
> Ein großer, wenn nicht der größte Komplex an Dialog und Informationsaustausch findet innerhalb der Koalitionsverhandlungen statt. Die vielfach stattfinden. Die Koalitionsverhandlungen wirken auch wieder zurück zum Wähler. Sprich, dass sich Politiker versichern, ob sie Inhalten der Koalitionspartner sinnvollerweise zustimmen.
>
> Insgesamt entsteht in genau diesen - sinnvollen - Entscheidungsstrukturen an expliziten Stellen die Notwendigkeit der Diskussion und Information. Recht dezentral. Ich kann nicht abschätzen, wo Werkzeuge der Meinungsbildung dort oder anderswo sinnvoll zu platzieren sind.
>
> Ich finde es gut, dass Du den Begriff "Minderheitenschutz" erwähnst. Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dieser dient als Rechtfertigung der allgemeinen Hilflosigkeit in Bezug auf Demokratie. Es ist so ein "Gutmenschen"-Begriff. Und wenn jetzt die Alarmglocken schrillen, dann nur Recht. Denn es ist wie bereits erwähnt die "direkte" Demokratie, die Minderheiten nicht schützt, sondern sie direkt in den Abgrund führt. Und gleichzeitig wird sie gerne von aufgeklärten pluralistisch denkenden Menschen propagiert. Das ist eine Farce. Es ist so, dass wir in einer wahren pluralistischen Gesellschaft letztlich alle in der Minderheit sind. Dass wir alle es sind, die durch schlechte Demokratie in den Nachteil kommen.
>
> Die vorschlagsorientiere Demokratie ist so: Es gibt drei Personen, die eine Gesellschaft bilden und reihum jeweils einen Vorschlag haben, der sie selbst und die nächste Person leicht bevorteilt. Die dritte Person aber wird ruiniert. Ergebnis ist dann, dass alle Vorschläge angenommen werden und alle Gesellschaftsmitglieder ruiniert werden. Die direkte Demokratie bietet keinen Minderheitenschutz oder gar einen Schutz vor dem allgemeinen gesellschaftlichen Suizid.
>
> Ganz anders die "programmorientierte" Demokratie: Hier wird ein allgemeines Gleichgewicht aufgebaut. Ein Marktgleichgewicht. Nicht die kleinste Stimme kann diesem Gleichgewicht hinzugefügt oder weggenommen werden, ohne dass nicht das Gleichgewicht darauf reagieren und sie berücksichtigten würde. Das ist das Ideal. Und durch Transparenz und Freiheit, muss man auch keine Angst haben, dass Politiker nicht den Willen des Volkes beachten würden. Siehe die Theorie des Marktes unter vollständiger Konkurrenz, wo Leistungen zu Herstellungskosten erbracht werden. D.h. kein Vorteil für Politiker durch missbräuchliche Stimmenvertretung!
>
> Das Letzte nur weil Du auch noch nach den Hintergründen zu noddr gefragt hast. Es sind ökonomische. Und wer sich einmal damit beschäftigt hat, wird auch feststellen, dass sie gut zum Verständnis politischer beziehungsweise demokratischer Prozesse beitragen. Es sind die Strukturen der repräsentativen Demokratie, die uns die Zukunft weisen und auch heute schon überall relevant sind. Auch heute schon in impliziter Form die die meisten direktdemokratischen Strukturen erst brauchbar machen. Und - ich spreche bei noddr auch von "natürlicher Herrschaft" - sich spieltheoretisch als militärische Vorgängerstruktur der Demokratie herleiten lassen. Denn eine zivile politische Struktur hat nur dann Bestand, wenn ein Rückfall in die Gewalt kein anderes Ergebnis erwarten lässt.
>
> Deswegen gibt es nur eine einzige Demokratie. Und ich habe Dir jetzt grad noch Deine Stimmen auf http://sandbox.noddr.de/profil/bloxx gegeben. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich damit Deine Anonymität aufgedeckt habe. Politiker sind bei noddr eh recht gläsern. Und Deine 100 Stimmen kannst Du - bis aufs Prozent genau - verteilen.
>
> Grüße
> Henri
>
>
>
>
>
>
> Am 27. April 2014 21:03 schrieb <pa.rei AT gmx.de>:
> Hi Henry,
>
> dein "noddr" finde ich interessant, aber ich würde es im Moment wirklich einfach als Beschlusssystem einstufen. Die dienen dazu, die Meinungen der Leute quantitativ oder objektiv festzuhalten, sind aber mMn völlig ungeeignet, wenn es darum geht, dass Leute sich eine Meinung bilden. Das ist aber die Voraussetzung für mündige Bürger, was widerum die Voraussetzung für Demokratie ist.
>
> Ich meine: Wenn jeder einfach nach dem Mehrheitsprinzip seine Stimme für ein Programm abgibt, dann wird zwar der "Wille des Volkes", oder dessen Mehrheit, befolgt, aber oft beschäftigen sich die Abstimmenden nicht mit konträren Meinungen oder wissen einfach nicht von anderen Argumenten, die vielleicht besser sind. Ein Diskussionssystem soll hier nachhelfen, die Basis für eine qualifizierte Entscheidung sein, in der Hoffnung, dass die Menschen über eine solche Plattform ihre Erfahrungen und Argumente zu Streitthemen zusammentragen und abwägen können.
>
> Dahinter steckt auch die Vorstellung, dass Menschen nach Gerechtigkeit streben, solange ihre Grund- und Kulturbedürfnisse abgedeckt sind. Zumindest, wenn sie nicht durch Angst oder Populismus manipuliert werden. Eine Demokratie mit Minderheitenschutz, die nicht nur auf der Vertretung der eigenen Interessen und oft noch unüberlegten beruht, ist nämlich nur dann möglich. Wenn wir dagegen von einem egoistischen Menschen ausgehen, so mag das vielleicht in der Wirtschaft mehr oder weniger klappen, aber nicht in einer Demokratie, denn dann werden Minderheiten unterdrückt.
>
> Außerdem gibt es noch Bereiche wie den Umweltschutz, der momentan nicht gegenwärtig im Großteil der Bevölkerung ist, obwohl er doch eigentlich sehr dringend und im Interesse aller ist.
>
> Warum läuft hier aber nichts? Das mag verschiedene Gründe haben, die sich aber bestimmt nicht durch eine andere Form von Abstimmung lösen lassen. Dafür braucht es aus meiner Sicht einen gesellschaftlichen Diskurs - momentan aber nur sehr rudimentär möglich.
>
> Mich würden aber deine grundsätzlichen Überlegungen hinter noddr interessieren, und warum du der Meinung bist, dass es besser zur Lösung solcher Probleme geeignet ist. (Siehst du? Ohne Diskurs läuft hier nix :o) )
>
> Viele Grüße,
> Paul
>
> Gesendet: Sonntag, 27. April 2014 um 19:28 Uhr
>
> Von: "Henri Nathanson" <henri.nathanson AT gmail.com>
> An: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
> Betreff: Re: [Ag Meinungsfindungstool] Deliberative Demokratie
> Hi Paul,
>
> schön, dass Ihr meinen Input beachtet habt. Ich habe mich deswegen auch nochmal umgeschaut, bevor ich hier eine Antwort schreibe. Also ich bin seit zehn Jahren intensiv auf der Suche nach der Demokratie. Die Mailinglisten der Piratenpartei habe ich mir aber erst seit Jahresfrist angeschaut. Dabei fiel mir auf, dass Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zwar getrennt sind. Aber doch unter dem gemeinsamen Banner der Demokratieentwicklung stehen. Und diese ominöse Demokratieentwicklung ist nun ein unglaubliches Chaos an Unsinnigkeiten und Unklarheiten.
>
> Wie gesagt bin ich seit zehn Jahren dabei. Zehn Jahre, in denen ich Demokratie immer als den wichtigsten Bestandteil meines Lebens gesehen habe. Ich habe letztes Jahr meine Forschung dazu abgeschlossen. Und im vergangenen halben Jahr diesen Prototypen programmiert - http://noddr.de
>
> Was jetzt noch fehlt ist ein erläuterndes Dokument. Etwas, wo man in einfachen Worten darstellt, was Demokratie denn nun eigentlich ist. Darin kann man dann lesen, dass man von direkter Demokratie - ich nenne es die vorschlagsbasierte Demokratie - möglichst die Hände lassen sollte. Denn sie ist wirtschaftlich ineffizient. Viel interessanter ist die "programmbasierte Demokratie". Also die repräsentative Demokratie. Und Mischformen der beiden, sind ebenfalls ein Graus. Siehe Liquidfeedback oder die bundesdeutsche "repräsentative" Struktur.
>
> Man muss zuletzt das Rad nicht neu erfinden. Nur verbessern. Die demokratischen Strukturen von Morgen sind fast die gleichen wie heute - nur freiheitlicher und transparenter. Und es sind Markt-Strukturen. Sie sind nicht anders als die Strukturen beim Kaufen von Kleidern, Autos oder Versicherungen. Wo es natürlich ebenfalls um den Bedarf einer Informationsbeschaffung gibt, wo ich aber nicht sehe, dass dieser nicht gedeckt ist. Verhältnismäßig gedeckt ist.
>
> Verhältnismäßig im Vergleich zum Demokratieproblem an sich. Also der Frage nach den Kernstrukturen der Demokratie. Der Entscheidungsfindungsproblematik. Ich habe die Angst, dass die Meinungsfindungsproblematik zu einem Ersatzproblem der Entscheidungsfindungsproblematik werden kann. Eine Horrorvorstellung, wenn ich unterstelle, dass wird doch alle klar die gleiche Ziellinie verfolgen: eine Demokratie von Morgen zu entwickeln.
>
> Ich sage nicht, dass Tools zur Diskussion oder sonstigem nicht sinnvoll oder sinnvoll zu verbessern seien. Man muss nur auch wissen, ob abhängig von den demokratischen Strukturen überhaupt eine Anwendung zu erwarten ist. Ich denke, dass der Blick rüber zur Entscheidungsfindung ein wichtiger ist. Und von der Entscheidungsfindung aus kann ich Euch sagen, dass das demokratische Problem ein ökonomisches Problem ist, welches nicht durch Habermas und Co. mit "Deliberation" gelöst oder verstanden wird. Und auch nicht durch tausend andere "Akteure", die sich, dass muss man ja doch sagen, ehrenhaft der Förderung der Demokratie verschrieben haben.
>
> Ich sehe immer nur das Eine: http://participedia.net/en/content/research
>
> In diesem Sinne.
> Henri

 
-- Ag-meinungsfindungstool mailing list Ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-meinungsfindungstool



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