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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Öffentliche Positionierung der Piraten in der Beschneidungsdebatte vom Juli 13, 2012

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Öffentliche Positionierung der Piraten in der Beschneidungsdebatte vom Juli 13, 2012


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. A. Cavicchioli" <cavicchioli AT t-online.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Öffentliche Positionierung der Piraten in der Beschneidungsdebatte vom Juli 13, 2012
  • Date: Sun, 15 Jul 2012 14:02:24 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Andreas,

ich muss Dir leider Widersprechen. Ich teile diese Meinung nicht. Es werden tatsächlich Äpfel mit Birnen vermischt. Wir haben einen Rechtsstaat. Die Judikative hat eine Trennline gezogen zwische medizinisch notwendig und religiös veranlasst. Das Argument, wie von mhereren hier eingebracht, dass bei einem Verbieten woanders gegangen wird, ist nicht stichhaltig, denn dieses Argument gilt für jede Straftat. Jeder kann sich gegen geltendes Recht verhalten, das werden wir nie verhindern können.

Da ich nicht nur einmal traumatisierte muslimische Jungs behandelt habe, nach fehlgegange religiöse Beschneidungen durch muslimische und sonstige Urologen, halte ich diese klare Aussage des Gerichts für richtig und überfällig.

Tatsächlich müssen wir uns nach meiner Meinung Gedanken machen, inwieweit religiöse oder kulturelle Freiheit als höher bewerten wollen, als unsere Verfassung. Ich bin strikt dagegen. Die Vorhaut ist nur ein Symbol für weitreichende Verstümmelungen an Menschen und Tötung bei Nichtbefolgen von kulturellen oder religiösen Vorgaben.

Übrigens, wird ein Arzt, der nicht aus medizinischen Gründen eine Vorhaut entfernt, und dies wird bekannt, berufs- und sozialrechtlich zur Verwantwortung gezogen

Insofern kein Sommerloch, zumal morgen bei mir wieder Praxis ist.

Ciaociao
Alessandro

Am 15.07.2012 13:33, schrieb Dr. Andreas Forster:
Danke!!!
Andreas

Am 14.07.2012 20:29, schrieb Ch. B.:
Hallo!

ich habe folgenden Text ins Pad gestellt und würde um Kommentierung und ggf. Ergänzung bitten:


Ich bin ebenfalls gegen eine Positionierung der Piraten zu diesem Thema.
Das ganze ist eine Scheindebatte, die sich aus Unkenntnis der Praxis und der juristischen Lage bzw. deren falscher Darstellung in den Medien ergibt.
Zunächst zur bisherigen Praxis der Beschneidung durch Ärzte in Deutschland:
Es wird immer eine medizinische Indikation für eine Circumcision (Vorhautbeschneidung) gestellt, in der Regel lautet sie Phimose (Vorhautverengung). Die Diagnose wird durch einen Urologen gestellt. Eine nachträgliche Überprüfung ist nicht möglich, da das entfernte Vorhautteil in der Regel weggeworfen wird. Die Krankenkassen akzeptieren das auch so.
Gründe für dieses Vorgehen gibt es drei: 1. Medizinisch indizierte Eingriffe werden von der Kasse bezahlt, andere nicht. 2. Beschneidung "auf dem Küchentisch" wird verhindert. 3. Wenn ein Urologe das verweigern würde gingen die Eltern einfach zum nächsten.
Es gibt, auch nach diesem Urteil, keinen Grund dieses Vorgehen zu ändern.

Juristische Lage:
Jeder Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen heißt im deutschen Recht Körperverletzung, diese ist prinzipiell strafbar. Ausnahmen gelten unter bestimmten Voraussetzungen, z.B.: Der Eingriff ist medizinisch indiziert, der Patient (oder sein Betreuer, Erziehungsberechtigter) willigt nach Aufklärung in die Behandlung ein. Eine Aufklärung darf nur ein Arzt oder (leider auch) Heilpraktiker durchführen. Weiterhin muß der Eingriff ( z.B. auch eine Medikamentengabe) kunstgerecht durchgeführt werden, dann bleibt die Körperverletzung straffrei (auch wenn der Tatbestand weiterhin erfüllt bleibt).
Medizinisch nicht indizierte Eingriffe (auch "Schönheits-OPs") haben wesentlich höhere Anforderungen an die Aufklärung, deshalb sind sie bei Minderjährigen auch sehr problematisch. Im Zweifel ist ein Vormundschaftsgericht anzurufen.

Damit wird hoffentlich klar, dass die rein religiöse Beschneidung juristisch gesehen strafbar ist, sich aber an der Praxis nichts ändern sollte. Rein religiöse Beschneidungen müssten außerdem von den Eltern selbst bezahlt werden, wobei der medizinisch nicht ausgebildete Beschneider wesentlich billiger sein dürfte als eine ambulante OP (einschließlich Narkose) beim Facharzt.

Über Sinn und Unsinn der Gesetzeslage kann man natürlich streiten, sie ist aber langjährig ausgeübtes Recht. Eine neue Formulierung / Ergänzung zu finden, die speziell die Vorhautbeschneidung jüdischer und muslimischer Jungen aus rein religiösen Gründen erlaubt aber anderen Unsinn (z.B. die Klitorisbeschneidung von Mädchen) weiterhin verbietet dürfte sehr schwierig sein.

Deshalb würde ich diese Sommerlochdiskussion nicht weiter anheizen.

cbro
p.s.: Meine persönliche Meinung dazu: Eine konsensuelle Beschneidung in einwilligungsfähigem Alter ist kein Nachteil für den Jungen/Mann.




Am 14.07.12 13:02, schrieb Blattgold:

Ahoi Gesundheispiraten,

In dem Pad
https://aggesundheit.piratenpad.de/beschneidung
erarbeiten wir einen Vorschlag zum Thema

Öffentliche Positionierung der Piraten in der Beschneidungsdebatte vom
Juli 13, 2012
http://bundesliquid.tumblr.com/post/27148430453/vorschlag-neutralitaetsgebot-fuer-initiative-3897


Gesundheit umfasst sowohl die körperliche Gesundheit des Menschen als
auch psychische Gesundheit in allen ihren Dimensionen (Psychiatrie,
Psychosomatik), deshalb gehört es zu der Aufgabe der Gesundheits-AG zu
der Debatte um Beschneidung einen Beitrag zu leisten.

Die Positionierung der Gesundheits-AG zum Thema Beschneidung wird nicht
als Antrag formuliert, sondern um eine Hilfe für die Öffentliche
Positionierung der Piraten in der aktuellen Beschneidungsdebatte
darzustellen.http://bundesliquid.tumblr.com/post/27148430453/vorschlag-neutralitaetsgebot-fuer-initiative-3897


Bislang entspricht der Inhalt des Pads lediglich meiner persönlichen
Meinung, die ich nicht als allgemeingültig ansehe. Mir ist klar, dass es
eine schwierige Debatte ist, bei der Grundrechte kollidieren. Nämlich
das Grundrecht der Religionsfreiheit und das Recht auf Unversehrtheit
des eigenen Körpers.

Vielen Grüße,
Blattgold







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