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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?

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Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Wie entsteht Vermögen?
  • Date: Sun, 12 Mar 2017 22:23:03 +0100

Hallo Wolfgang,

der Beitrag "Aneignung von Vermögen durch Banken " war eine Fortsetzung der Diskussion mit UKW über die Möglichkeiten einer Bank, sich fremdes Eigentum anzueignen ohne dafür "wirklich" zu bezahlen.
Wie Arne in seinem letzten Vortrag „Währungsinfrastruktur in öffentlicher Hand“ nach Minute 6 ausführt, beträgt der Anteil der Sachvermögen nur etwa 5 % am Gesamtwert der Aktiva einer Bank. Diese Information nur zur Einordnung der Bedeutung des Sachvermögens im Bankensektor.
UKW's Erläuterungen zur Entstehung der leistungslosen Vereinnahmung von Sachvermögen kann ich nicht zustimmen. Das Ergebnis seiner Überlegungen hingegen sehe ich schon als richtig an, jedoch mit einer anderen Begründung. Dazu sollte mein Beispiel dienen.


Am 10.03.2017 um 19:32 schrieb moneymind:
Mumken schrieb:

Am 04.03.2017 um 19:39 schrieb Rudolf Müller:

Fortsetzung

+*Aneignung von Vermögen durch Banken*

Ein einfaches Beispiel kann den dahinter liegenden Mechanismus erkennen lassen, ohne dabei die Buchhaltung und die Bilanz einer Bank zu bemühen.

Ein reicher Kaufmann mit einem Vermögen von 1000 Gulden betreibt neben seinen Warengeschäften auch das Geldverleihgeschäft. Er genießt ein derart hohes Vertrauen bei seinen Kunden, dass von ihm ausgestellte Schuldscheine als allgemein akzeptierte Zahlungsmittel zirkulieren. Er kann Waren einkaufen und diese mit seinen Schuldscheinen „bezahlen“. Er kauft z. B. Waren im Wert von 500 Gulden und stellt dazu 50 Schuldscheine je 10 Gulden aus. Damit ist er jedoch nicht reicher geworden, denn den eingekauften Waren stehen Schulden in gleicher Höhe gegenüber. Bedingt durch das vorhandene Vertrauen seiner Kunden werden die Schuldscheine jedoch nie zur Einlösung vorgelegt, sondern finden Verwendung als Zahlungsmittel innerhalb seiner Kundschaft. Ohne sein eigenes Bargeld zu verwenden konnte er somit seinen Warenbestand erhöhen. Diese Waren gehören jetzt eindeutig ihm, auch wenn er gleichzeitig Schulden in Höhe von 500 Gulden gegenüber seiner Kundschaft angehäuft hat. Was stellt jetzt der nie eingelöste Schuldschein dar? Er ist:

* ein Kredit des jeweiligen Kunden an den Kaufmann in Höhe von 10 Gulden,

* und da der Kunde ihn nie einlöst ist aus dem Kredit faktisch ein Geschenk an den Kaufmann geworden. Der Kunde hat schließlich eine Lieferleistung gegenüber dem Kaufmann erbracht und verzichtet auf die Inanspruchnahme der Gegenleistung. Er wird mit einem Schuldschein abgespeist, den er nie beim Kaufmann einlöst sondern den er nur zum Bezahlen bei anderen Kunden des Kaufmanns verwendet.

ein rechtlich gesehen stehen jedoch den empfangenen Waren in Höhe von 500 Gulden auch Schulden an seine Kunden in gleicher Höhe gegenüber. Entscheidend sind jedoch die Erfüllungstermine. Die Waren wurden am Liefertag dem Kaufmann übergeben, dieser hat aber nur mit Inhaberschuldverschreibungen "gezahlt". Dem einzelnen Kunden fällt dieser Umstand nicht auf, da er mit dem Schuldschein ja bei einem anderen Kunden bezahlen kann.

Das Beispiel kann jetzt noch auf das heutige Bankensystem ausgedehnt werden.

Wende es doch mal auf die USA und den Dollar an. Mich würde nun interessieren: woher kommt das "Vertrauen" derjenigen, die die Schuldscheine des Emittenten akzeptieren, ohne sie je einzulösen
Da 95 % der Bilanzseite aus Forderungen bestehen existieren auch viele Kunden der Bank, welche Kreditrückzahlungen an die Bank leisten müssen. Diese sind darauf angewiesen, von anderen Nichtbanken Schuldscheine der Bank zu erwerben, um mit diesen ihren Kredit abzulösen. Es existiert somit ein Kreislauf, in welchem die Werte für Sachvermögen eine untergeordnete Rolle spielen. Betrachtet man sich zudem den Posten Giralgeld in den Bilanzen der  Banken, welcher ständig steigt und ebenfalls zu 95 % als dauerhaft angesehen wird, so erscheint auch hier der Anteil für Sachvermögen eher als geringfügig. Hinzu kommt, dass bei gleichzeitiger Erhöhung der Sachvermögen aller Banken keine Ausgleichszahlungen zustande kommen und somit auch kein Refinanzierungsbedarf entsteht. Dies alles in obiges Beispiel einzupacken würde dieses so aufblähen, dass der ursprünglich Sinn und Zweck nicht mehr erkennbar wäre. Aber weiter zu Deiner Grundsatzfrage:
 
Woher kommt das Vertrauen?

Ein praktisches Beispiel bietet die Bitcoin-Geschichte. Wie kann jemand Vertrauen in Bitcoins besitzen? Bitcoins sind durch absolut keinerlei Werte gedeckt. Ein vermeintliches Plus ist lediglich die Beschränkung auf eine bestimmte Menge an erzeugbaren Bitcoins. Eine Zentralstelle, von der irgendetwas abverlangt werden könnte, existiert  nicht. Und doch besitzen die Benutzer von Bitcoins seltsamerweise Vertrauen in dieses Zahlungsmittel. Dagegen erscheint der Kaufmann aus dem vorhergehenden Beispiel als äußerst seriös. Den von ihm ausgegebenen Schuldscheinen stehen immerhin noch echte Vermögenswerte im Eigentum des Kaufmanns gegenüber.

Die Funktion von Zahlungsmitteln beschreibt Georg Friedrich Knapp in seinem Werk: "Staatliche Theorie des Geldes" Auf Seite 119 schreibt er zu den von privaten Banken emittierten Banknoten, welche mit unserem heutigen Giralgeld vergleichbar sind:

"Die Bank versucht, wenn sie Zahlungen zu leisten hat, in Noten statt in staatlich emittiertem Gelde zu zahlen - weil sie dann mit einem verhältnismäßig geringen Kapital größere Gewinne erzielt, als sie sonst erzielen könnte.
Was aber ist eine Banknote? Sie wird gewöhnlich so definiert: eine Urkunde, auf welcher dem Inhaber versprochen wird,  daß die Bank ihm, nach Sicht, den und den Betrag in Geld auszahle. "Nach Sicht" bedeutet: sobald der Inhaber die Urkunde zu diesem Zweck einreicht (präsentiert). Das Geld bedeutet stattlich emittiertes Geld, in letzter Linie das jeweilig valutarische Geld."

Auf den Banknoten war etwa folgender Text zu lesen:  „Ich verspreche an Herrn Peter Deal oder jeden anderen Inhaber gegenwärtiger Note eine Goldmark auszubezahlen.“

Hier wird die Abhängigkeit der privaten Banknoten von dem staatlich emittierten Geld in den Vordergrund gestellt. Die Banknote ist demnach ein "Zahlungsversprechen", einlösbar in staatlich emittiertem Geld. Auf Seite 120 behauptet Knapp, dass die Banknote, obwohl sie eindeutig gemäß dem Text auf der Note ein Zahlungsversprechen darstelle, kein Zahlungsversprechen sei. Der Textaufdruck sei ganz gleichgültig. Der Text beweise höchstens, dass die Banknote als Zahlungsversprechen gemeint war, als man sie herstellte. Wie kommt Knapp zu dieser zweifelhaften Aussage?
Bereits im 18. Jahrhundert wurde von Staaten mehrfach die Einlösbarkeit der Banknoten in staatlich emittiertem Geld aufgehoben. Knapp hierzu:

Nun kommt es mitunter vor, daß die Bank sagt: wir bezahlen nicht; der Staat selber hat uns von dieser Pflicht entbunden.
Dann ist die Banknote kein wirksames Zahlungsversprechen mehr. Ist sie dann auch keine Banknote mehr, sondern nur noch ein Blatt Papier?

Die Banknote kann auch ohne Forderung nach einer Einlösung in staatliches Geld für Zahlungen an die Bank selbst benutzt werden.

Wenn nun die Bank trotz des Versprechens die Noten nicht einlöst – dann bleibt immer noch die zweite Verwendung bestehen: die Bank nimmt die Note noch in Zahlung an.

Daß Banknoten bei ihrer Entstehung als Zahlungsversprechen auftreten, ist praktisch notwendig, weil sie sich sonst nicht einbürgern würden; aber diese Eigenschaft kann aufhören, ohne daß die Banknote aufhört, wie man es unzählige Male erlebt hat.

Bitcoin hat nun nachgewiesen, dass ein Geldsystem auch ohne jegliche Zusicherung einer Einlösbarkeit in staatlich emittiertem Geld entstehen kann.

Weshalb Vertrauen in die Bitcoins besteht kann ich Dir nicht beantworten. Beim Kaufmann wie auch bei der Bank stehen zumindest Sachvermögen und Forderungen auf der Vermögensseite der Bilanz.
Weitere Details siehe: http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php?title=Es_werde_Geld

Deine Frage nach dem Dollar und der USA erschließt sich mir nicht. Kannst Du das näher erläutern?

a) im Falle des Kaufmanns in deinem Beispiel
b) im Fall einer Geschäftsbank
c) im Fall der USA.

Und was haben a)-c) gemeinsam, was ist spezifisch für jeden der 3 Fälle?
Habe leider Deine Vorlesung zu dem Thema nicht gehört, sodass ich auch die von Dir gewünschte Antwort über gemeinsame/spezifische Eigenschaften nicht liefern kann. Vielleicht kannst Du näher erläutern, was Du eigentlich wissen willst.

Beste Grüße
Rudi Müller

Gruß
moneymind





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