ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Marco Schmidt <mschmidt.mailbox AT web.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Fwd: Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen
- Date: Sun, 15 Feb 2015 19:30:00 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Unter Umständen habe ich mich missverständlich ausgedrückt, kommt
bei der komplexen Materie schon mal vor. Die Mainstream-Wirtschaftsmodelle setzen die Einhaltung des Ergodentheorems voraus. Das ist (nicht nur) in meinen Augen auf uns Wirtschaftsteilnehmer bezogen nicht haltbar. Patrik hat das schon angesprochen, wenn man die Grenze nur groß genug wählt, lässt es sich vielleicht simulieren, aber die Aussagekraft nimmt doch rapide ab. Wenn ich jetzt unseren Planeten aus der Vogelperspektive betrachte, kann ich formulieren, dass alle Strukturen, deren Erhalt mehr Energie verbrauchen als extern (über die Sonne) eingespeist wird, wieder zerfallen werden. Irgendwann wird das der Fall sein, das Entropiegesetz hat bislang noch niemand aushebeln können. Wir verschieben durch Nutzbarmachung u.a. fossiler Energieträger (systeminterner Energiespeicher) das Unvermeidliche nur weiter in die Zukunft. "In the end we're all dead" - mit solchem Fatalismus darf man aber nicht an die Sache rangehen. Besser als ich es momentan ausdrücken könnte, ist die Kritik dass Wirtschaft die Anforderungen an Ergodizität erfüllen würde, hier im Nachtrag zum Ursprungsbeitrag niedergeschrieben: http://georgtsapereaude.blogspot.de/2011/11/wie-sich-das-system-selbst-zerstoert.html Wer immer noch keine Vorstellung hat, was es damit auf sich hat, sollte da mal reinschauen, da viel mit Beispielen gearbeitet wird. Wirtschaftsteilnehmer verhalten sich nicht wie Gas- oder Wassermoleküle, da muss man schon sehr stark abstrahieren. Und genau das wirkt sich negativ auf die Aussagekraft des Simulationsmodells aus. Grüße, Marco Am 13.02.2015 um 22:28 schrieb David
Finsterwalder:
Hey Marco,
Ich muss dir ganz entschieden widersprechen. Stochastik setzt keineswegs rational handelnde Subjekte voraus. Du schmeißt hier Sachen zusammen die nichts miteinander zu tun. Nimm als Beispiel eine panische Menschenmasse. Die verhalten sich vollkommen irrational und trampeln sich an Engpässen gegenseitig nieder etc. In der Summe lässt sich aber so eine Masse ähnlich einer Wasserströmung simulieren (wobei Menschen eine höhere Viskosität haben). Das große Wunder der Stochastik (vorallem der Thermodynamik) ist ja, dass man ein System ohne Kenntnis seiner Mikrozustände beschreiben kann. Grüße David Am 13. Februar 2015 um 21:30 schrieb
Marco Schmidt <mschmidt.mailbox AT web.de>:
Die Publikation ist ziemlich genial. Endlich hat man es geschafft, von den 2-dimensionalen mechanistischen Modellen hin zu konkreten 3-dimensionalen dynamischen Modellen vorzudringen. Basiert u.a. auf der Vorarbeit von Keen und Minsky. Keen liest hier Krugman die Leviten, da er nach wie vor die Banken in seinen Modellen vollkommen ignoriert http://www.forbes.com/sites/stevekeen/2015/02/10/nobody-understands-debt-including-paul-krugman/ Zum Thema Ergodizität: dabei gehts um die Unsicherheit bzw. Vorhersagbarkeit von Systemen. Hat etwas mit der Anwendbarkeit von stochastischen Wahrscheinlichkeiten zu tun. Wenn ein System ergodisch ist, lässt es sich in Wahrscheinlichkeiten ausdrücken und vorhersagen. Das trifft aber auf die reale Welt nicht zu, da die Menschen eben keine rationalen Agenten sind. Das will aber in die Köpfe der "Experten" nicht rein... Beispiel für ein ergodisches System wäre ein Würfel-Wurf mit 10 Würfeln. Es ist egal, ob ich einen Würfel 10x hintereinander werfe oder mit 10en gleichzeitig, die Wahrscheinlichkeitsverteilung wird identisch sein. Damit ließen sich weitere Würfe vorhersagen. Das tun die lieben Mainstream-Ökonomen mit der Weltwirtschaft. Die Vorhersagen beruhen auf der Annahme, dass alles streng nach Schema F abläuft. So etwas wie Unsicherheit/(Irrationalität/Herdenverhalten/etc.) kennen sie nicht. Deswegen sind sie von unvorhergesehenen Ereignissen auch immer so überrumpelt... Habe auf die Schnelle noch eine Präsentation zum Thema gefunden: http://www.slideshare.net/pkconference/ehnts-alvarez Am Freitag, den 13.02.2015, 17:09 +0100 schrieb David Finsterwalder: > Hey Gerhard,
> > Wow, Vielen dank für den Hinweiß auf Grasselli/Lima! Ich bin erst seit > gestern in der Mailingliste und hatte zuvor nichts davon gehört. Meine > mehr oder weniger heuristische Herleitung auf konkrete Modelle zu > übertragen würde ich mir nie zutrauen. Ich bin mir nicht mal sicher - > nach einem ersten kurzen Blick - ob ich die Publikation verstehen > werde. Dennoch viele Dank für den Hinweiß. > > Grüße > David > > Am 13. Februar 2015 um 14:34 schrieb Gerhard > <listmember AT rinnberger.de>: > > Am 12.02.15 um 23:06 schrieb David Finsterwalder: > > Ganz genau das ist mir damals bei der Diskussion im Gelben > Forum zum > > "fehlenden Zins" wie die Schuppen von den Augen gefallen > (Der Zins fehlt ja > > nicht, er ist ja als Forderung im Buch des Gläubigers - > > Gesamtwirtschaftlich also nur "woanders") . Und aus diesem > Grund würde auch > > ein Kreditloses Geldsystem alleine nichts bringen. Das > Problem ist, dass > > sich beim Vermögen immer eine Lognormalverteilung einstellt. > > > > Hier die Herleitung in Kurzform: > > > > 1. Bei chancengleichem Handeln (50%/50% Gewinn/Verlust) sind > Gewinner und > > Verlierer über eine Normalverteilung verteilt (Mathematisch > korrekt wäre > > eigentlich Binomialverteilung da über diskreter Menge). > > > > 2. Gewinne und Verluste wären somit erstmal auch > Normalverteilt. (Gewinne > > und Verluste seien proportional zum Vermögen) > > > > 3. Verluste können aber nicht unendlich sein (und das gilt > unabhängig vom > > Geldsystem: Ob durch "Überschuldung" limitiert oder bei > Schuldfreiem > > Geldsystem durch 0 spielt hierfür kein Rolle) > > > > 4. Die Normalverteilung verschiebt sich somit immer zur > Lognormalverteilung. > > > > 5. Ohne irgendeine Form der Umverteilung > > (Steuern/Pleiten/Spenden/Heiraten/Raub/Geld > verbrennen/Whatever) hat im > > Grenzwert einer alles und der Rest nix. > > Das haben Grasselli und Lima bewiesen [1]. Habe das neulich in > einem > anderen Thread schon gepostet: > > <cite>Das von Keen zugrunde gelegte Modell weist zwei > Fixpunkte > (Gleichgewichte) auf. Einer davon entspricht tatsächlich dem, > was die > Neoklassik vorhergesagt hat. Dieser ist jedoch instabil, d.h. > bei > geringsten Abweichungen vom Gleichgewichtszustand strebt das > System in > einem Grenzzyklus dem zweiten Fixpunkt zu. Dieser ist > gekennzeichnet > durch NULL Einkommen, Null Beschäftigung und unendlicher > Verschuldung.</cite> > > > > Die Herleitung macht hierfür nur minimale Annahmen. Das mag > erstmal nach > > einem Klein-Erna Modell aussehen, aber bei genauerem > Hinsehen sollte > > schnell klar werden, das eine große Zahl möglicher Ökonomien > diese > > Prämissen erfüllen. Ist Handeln nicht chancengleich sondern > asymetrisch > > verschärft sich das Problem nur. > > Das ist einer der Kritikpunkte der Postkeynesianer am > neoklassischen > Allokationsmodell, derzufolge der Markt die optimale > Allokation liefert > und unter dem Stichwort Nicht-Ergodizität diskutiert wird: > > <http://de.wikipedia.org/wiki/Ergodizit%C3%A4t> > > Kurz gesagt wird ein komplexes System ergodisch genannt, wenn > für fast > Messgrößen der Zeitmittelwert gleich dem Scharmittelwert ist. > Das ist > nun mathematisch /etwas/ anspruchsvoller als die gängigen > Modelle in der > Ökonomie und bin da selber auch noch nicht voll > durchgestiegen. > > > [1] Grasselli, M. R./Costa Lima, B. (2012): An analysis of the > Keen > model for credit expansion, asset price bubbles and financial > fragility. > In: Mathematics and Financial Economics 6, S. 191–210. > <http://link.springer.com/10.1007/s11579-012-0071-8> evtl. > Paywall oder > <<http://ms.mcmaster.ca/~grasselli/GrasselliCostaLima_MAFE_online.pdf>> > > > > > -- > AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list > AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de > https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik > > > > -- AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik -- Mit freundlichen Grüßen, Marco Schmidt |
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- [AG-GOuFP] Fwd: Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, David Finsterwalder, 13.02.2015
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