ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] "Wirtschaftswachstum", was: George Soros: Europas Zukunft ...
- Date: Sat, 10 May 2014 12:17:27 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hi Axel,
Wirtschaftswachstum.
Die aktuelle Wirtschaftsleistung produziert schon Überfluss. Wird diese Leistung beibehalten = Nullwachstum, dann wird sich der Bestand mehr als verdoppeln (Schätzung).
Nullwachstum ist weder Stillstand noch Rückschritt. Es bedeutet nur, dass jedes Jahr die selbe Leistungsmenge erbracht wird. Dabei werden sich die Produkte innovativ verändern als auch Neue Produke bisherige ersetzen werden.
Hab grade wenig Zeit, aber auf das Wachstums-Thema würde ich nochmal gern zurückkommen - das ist ein ideologisch besetztes, theoretisch schwammiges, aber absolut entscheidendes Kernthema.
Ich meine, hier muß man klar die Ebene der (immateriellen) Vermögenswerte der Güter und Dienstleistungen (die sozial konstruierte Zuschreibungen, "soziale Gedankendinge" sind, die eingebettet sind in ein Netz von (nominalen) vertraglichen Verpflichtungen – „credit relations“ - und darauf bezogenen Zukunftserwartungen) von den (materiellen) Gütern und Dienstleistungen und ihren "Mengen" auseinanderhalten.
Ich meine auch, das "Wachstumsziel" im magischen Viereck bezieht sich nur auf Vermögenswerte der Güter und Dienstleistungen (=forderungslose, daher nominal variable Vermögenswerte), und NICHT auf irgendwelche „Mengen“ – weder auf Güter- noch auf Geldmengen. Und für dieses Ziel gibt es gute Gründe, die mit der stofflichen Ebene der Produktion nichts zu tun haben, sondern ausschließlich mit der (immateriellen) Vermögensebene.
Ein Kernmißverständnis des "Öko"-Diskurses, und die Öko-Wachstumskritik mit ihrem diesbezüglichen begrifflichen "Muddle" ließ sich deshalb bestens für neoliberale Wachstumsdämpfungspolitik verwenden, die natürlich im Namen der „Geldwertstabilität“ gemacht wurde. Den Grünen fiel deshalb nicht auf, was das makroökonomisch bedeutet, weil sie überhaupt kein Verständnis dafür hatten, was „Wachstum“ makroökonomisch bedeutet und WARUM dies ein makroökonomisches Ziel ist und ein solches Verständnis fatalerweise auch gar nicht angestrebt haben.
Dazu trug natürlich bei, daß die Ökonomen hier nichts schlüssiges und sinnvolles anzubieten hatten. Die „Wachstumstheorie“ innerhalb der Neoklassik ist so realitätsfremd wie die Neoklassik insgesamt, weil sie schon auf der Ebene der Werttheorie vollkommen scheitert, dies aber systematisch leugnet bzw. für irrelevant erklärt. Wissenschaftstheoretisch bescheuert, aber Wissenschaftstheorie, Epistemologie und sinnvolle sozialwissenschaftliche Modellbildungsstrategien spielen keine Rolle in der Ökonomenausbildung (oder sonst irgendeiner Ausbildung). Seinen Weg ins magische Viereck fand das Wachstumsziel vermutlich noch über keynesianische Wachstumstheorien (denen das werttheoretische Fundament ebenfalls fehlt und die deshalb ebenso wie die Neoklassiker mit Größen herumrechnen, von denen begrifflich sie gar nicht wissen, worauf sie sich eigentlich beziehen, worauf auch Rolf hier ja kürzlich hingewiesen hat).
Stattdessen verstanden die grünen Alternativi-Spät68er mangels präziser Definition und Einordnung in eine makroökonomische Theorie (die wiederum darin wurzelt, daß die bestehenden Theorien eben keinen Platz für den Wachstumsbegriff haben und er im magischen Viereck aus pragmatischen Gründen vorkommt, die theoretisch nicht untermauert sind) allerlei Beliebiges unter „Wirtschaftswachstum“: Bevölkerungswachstum (hier ließ sich das olle Malthus-Lied weiterpfeifen), Wachstum des Ressourcenverbrauchs, technischen Fortschritt usw. usf. – der Begriff blieb beliebig und damit auch beliebig ideologisch funktionalisierbar. Daß der grüne Diskurs auch deshalb wunderbar in die lange „Abschwungphase“ (Schulmeister) seit den 70ern paßt, weil es ein apokalyptischer Diskurs ist, der alte weltweit verbreitete religiöse Denkmuster (z.B. biblische Apokalypse des Johannes) unbewußt in säkularer Form weitertransportiert und Untergangsängste deshalb rhetorisch sehr effektiv evoziert, kommt noch hinzu. Dies paßt wunderbar zur neoklassischen und österreichischen Sicht von der deflationären Depression als „notwendige Reinigungskrise“: die Menschen haben gesündigt, und jetzt bestraft sie der liebe Gott, indem er die Ozeane überschwappen läßt und die sündige Menschheit elend ersäuft. Bei den neoklassischen und österreichischen Marktfundamentalisten spielt natürlich der als quasi-Subjekt dargestellte „Markt“ die Rolle Gottes. Sehr effektive Rhetorik also, die auf ganz alte, sehr wirksame und weit verbreitete Untergangsänste zurückgreift, aber gleichzeitig die Zerstörung/“Strafe“ nicht nur als unausweichlich hinstellt, sondern sogar legitimiert und unhinterfragbar macht.
Das erklärt vielleicht zu einem guten Teil mit, warum der marktfundamentalistische Diskurs und die dazugehörige Vorstellung, man müsse Krisen „ausbrennen lassen“, trotz seiner wirklichkeitsfremden axiomatischen Grundlagen und logischen Inkonsistenz bei der breiten Masse so „überzeugend“ wirkt. Der marktfundamentalistische Krisendiskurs ist ebenso wie der Ökodiskurs auf unerkannte Weise eingebettet in ganz alte religiöse Denkmuster (apokalyptisches Denken), die in säkularer Form strukturanalog weitergetragen werden.
Soviel also zur neoreligiösen Rhetorik des „grünen“ Verwendung des „Wachstums“-Begriffs, die ich ganz einfach ablehne - obwohl ich auf diese Ideologie selber jahrzehntelang reingefallen bin. Mein Umdenken wurde ganz wesentlich von Gunnar Heinsohn angeregt, den ich als Makroökonomen überhaupt nicht schätze. Er mich hat dazu angeregt, den grünen apokalyptischen Diskurs als solchen zu erkennen und historisch einzuordnen, und gleichzeitig empirisch lächerlich einfach und überzeugend gegen den Wahn vom anthropogenen Klimawandel argumentiert (der IPCC-Schwindel ist ja mittlerweile längst aufgeflogen).
Die AG hat Wachstumskritik in ihrem Programm bzw. das Ziel von Nullwachstum für sich formuliert, wenn ich das richtig verstehe. Daher nochmal meine Frage: was genau soll da nicht „wachsen“, und wie genau – in welcher Maßeinheit - läßt sich messen, ob dieses „etwas“ wächst oder nicht.
Ich werde mal bei Gelegenheit mein eigenes Verständnis ökonomischen „Wachstums“ beschreiben. Daraus ergibt sich u.a., daß dieses im magischen Viereck formulierte Ziel (das sich rein auf die immaterielle Vermögenseben und nicht auf Gütermengen bezieht) makroökonomisch absolut sinnvoll ist.
Denn hier haben wir es mit einem Kernbegriff zu tun, dessen rhetorische Verwendung eingebettet in neoreligiöse säkulare Apokalyptik - in ihrer religiösen Originalfassung übrigens die älteste Herrschaftsstrategie der Welt - nur durch präzise ökonomische Begriffsarbeit zu überwinden ist.
Wir kämpfen immer noch mit den Ideologien und Sichtweisen, die unserer Generation seit Mitte der 70er von der Elterngeneration eingetrichtert wurden: verwässerter Marxismus, neoreligiöse grüne Club-of-Doom-Öko-Apokalyptik (nicht zufällig verbunden mit Neo-Esoterik) und einem in diese Soße nach und nach unbemerkt eingesickerten bzw. eingeträufelten, sich immer weiter radikalisierenden neoliberalen Marktfundamentalismus als finale Realisation der unverstandenen 68er Freiheitsträume.
Und heute dürfen Millionen prekär arbeitender neoesoterischer "Heilpraktiker" und selbsternannter "Psychoberater" ihren alternativen geistigen und sonstigen Schrott "for a nominal service fee" (Zappa) einer mal wieder wegen marktfundamentalistisch begründeter deflationärer Totsparpolitik Krieg vorbereitenden Menschheit anzudrehen versuchen, von deren ökonomischer Entwicklung sie vor lauter Bachblüten und was weiß ich nicht noch alles nicht auch nur den blassessten Schimmer haben.
Unsere ganze Generation ist von der nach 44 geborenen bequemen Babyboomergeneration, die die Erfahrungen ihrer Eltern während der 30er gar nicht mehr nachempfinden konnten und wollten, mit dieser gequirlten Scheisse indoktriniert ("erzogen") worden, und sich davon zu befreien, ist eine Heidenarbeit.
Und weil ich darüber so wütend bin, hier mal Frank Zappas "Heilpraktiker-Song", mit dem ich gerne meine Wut auf grüne Neoesoterik und Untergangsideologie auslebe - daß er der Meinung war, daß "Flowerpower sucks" dürfte bekannt sein:
http://www.youtube.com/watch?v=1gfXsbm8CnY
Sorry. Aber das wollte ich mal gesagt haben - nothing personal. Es gab auch eine andere Seite der Flowerpower! Aber was ist das Gesamtergebnis? Die fucking situation, in der wir uns heute befinden und die offensichtlich kein Schwein versteht, geschweige denn, daß auch nur ein paar Nachkriegsgeborene auch nur ansatzweise verstehen würden, was die Stunde eigentlich geschlagen hat.
Lieber mal Egon Bahr (Jahrgang 1922 - unsere Großelterngeneration!) fragen:
/"Hitler bedeutet Krieg", habe sein Vater 1933 zu ihm gesagt. Als Heranwachsender habe er das nicht geglaubt. Und so sei das jetzt wieder: "Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben." "
/
http://www.rnz.de/heidelberg/00_20131204060000_109801352-Egon_Bahr_schockt_die_Schueler_Es_kann_Krieg_g.html
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, thomas, 04.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 05.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 06.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 06.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Rudi, 06.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 06.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 07.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 07.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Sascha Maus, 07.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, thomas, 08.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] "Wirtschaftswachstum", was: George Soros: Europas Zukunft ..., moneymind, 10.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 10.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 10.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 11.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 15.05.2014
- [AG-GOuFP] rebuttal DDR-bashing, thomas, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] rebuttal DDR-bashing, Sascha Maus, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 15.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, thomas, 16.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 16.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, thomas, 16.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Sascha Maus, 07.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 07.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Rudi, 06.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, Axel Grimm, 06.05.2014
- Re: [AG-GOuFP] George Soros: Europas Zukunft hängt jetzt von Deutschland ab, moneymind, 06.05.2014
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.