Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Nash-Gleichgewicht

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

[AG-GOuFP] Nash-Gleichgewicht


Chronologisch Thread 
  • From: thomas <pazeterno AT web.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-GOuFP] Nash-Gleichgewicht
  • Date: Thu, 08 May 2014 15:09:48 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Rolf

weil wir's gestern hatten, vom:

Nash-Gleichgewicht

Wenn die Spieler irgendwelche Vereinbarungen treffen, ohne dass die
Regeln des Spiels die Einhaltung garantieren, dann stellt sich
automatisch die Frage, ob es nicht vielleicht immer einen Spieler gibt,
für den es sich lohnt, die Vereinbarung zu brechen, um seine eigene
Auszahlung zu erhöhen?

Behalten wir diese Idee im Hinterkopf und sehen uns eine dem
Eingangsbeispiel sehr ähnliche Situation an (es handelt sich hierbei um
eine vereinfachte Version des sogenannten Cournot-Spiels (Cournot 1838
hat das Spiel zwar auf andere Weise dargestellt, aber die Grundidee ist
dieselbe) ):

http://www.spieltheorie.de/Spieltheorie_Grundlagen/Nash-Gleichgewicht.htm


Entscheidungssituation mit einem vernunftbegabten Gegenspieler.

Die Situation ist im Prinzip die gleiche wie in Abbildung 1 , lediglich
wird jetzt die ursprünglich anonyme Marktlage durch das Verhalten genau
eines Konkurrenten bestimmt, dessen Auszahlungen mit in die Tabelle
aufgenommen sind (an zweiter Stelle); es gibt jetzt also außer uns noch
einen weiteren Produzenten auf dem Markt. Nehmen wir für den Augenblick
an, wir würden unsere Firma nach dieser Periode schließen, damit wir
mögliche Reaktionen des Gegenspielers auf unser Verhalten
unberücksichtigt lassen können (würde das Spiel über mehrere Perioden
gehen, dann wäre diese Matrix keine adäquate Darstellung der Situation).

Nehmen wir hierzu an, wir setzen uns vor dem Spiel mit "dem Anderen"
zusammen und beschließen, uns beide nur gering zu engagieren, weil dies
den gemeinsamen Gewinn maximiert (das heißt wir bilden ein Kartell ).
Kann dies eine Lösung sein? Gesetzt den Fall, wir wissen genau, dass der
andere ein recht naiver Mensch ist und sich mit Sicherheit an die
Abmachung hält, was werden wir dann tun? (Machen Sie sich bitte klar:
Die Frage ist, wie wir unseren Gewinn maximieren; wie es dem anderen
geht, interessiert uns nicht. Falls Ihnen diese Annahme zu egoistisch
erscheint, gedulden Sie sich noch bis Seite 37 .)

Da wir sicher sind, dass sich der andere an die Vereinbarung hält, ist
nur die erste Spalte der Tabelle für uns relevant. Wir können also
wählen, ob wir lieber einen Gewinn von 18, 19 oder 21 machen möchten;
natürlich nehmen wir am liebsten den Gewinn von 21 und folglich werden
wir – anstatt uns an die Abmachung zu halten – Strategie 3 wählen.
Strategie 3 ist also beste Antwort auf Strategie a. Ebenso ist unsere
Strategie 2 eine beste Antwort auf seine Strategie c, denn wenn aus
irgendwelchen Gründen sicher ist, dass der andere Strategie c wählt,
dann werden wir Strategie 2 wählen, um unseren Gewinn zu maximieren
(dass der andere in dieser Situation mehr bekommt als wir, interessiert
uns nicht, da wir auch diesmal nur an unserem eigenen Gewinn
interessiert sind und an sonst nichts).

Wenn man nun davon ausgeht, dass sowohl wir als auch der andere
einigermaßen clever ist, dann zerstört sich eine Abmachung wie die
Strategienkombination (1,a) von selbst, weil beide einen Grund haben
abzuweichen, wenn sie annehmen, dass sich der jeweils andere daran hält.
Das Kartell war also offenbar keine Lösung des Spiels. Wie man leicht
nachprüfen kann, gilt das Gleiche für die meisten anderen
Strategienkombinationen. – Gibt es aber auch Kombinationen, die sich
nicht selbst zerstören? Voraussetzung dafür ist, dass die zu wählenden
Strategien wechselseitig beste Antworten aufeinander sind. In dem
Beispiel gibt es tatsächlich eine solche Kombination, nämlich (2,b),
beide engagieren sich mittel. Man nennt eine derartige
Strategienkombination strategisches Gleichgewicht oder auch nach seinem
Erfinder Nash-Gleichgewicht (seltener gibt es auch die Bezeichnung
Cournot-Nash-Gleichgewicht ). Das strategische Gleichgewicht hat die
Eigenschaft, dass sich kein Spieler verbessern kann, indem er als
Einziger von der Gleichgewichtskombination abweicht.

Im Nash-Gleichgewicht hat keiner der Spieler einen Anreiz, als Einziger
von der Gleichgewichtskombination abzuweichen; die Spieler spielen
wechselweise beste Erwiderungen. Das Nash-Gleichgewicht wird oft auch
strategisches Gleichgewicht genannt.

Diese Definition geht zurück auf John Nash 1951, ein Vorläufer war
Augustin Cournot 1838. – Der Name Nash-Gleichgewicht ist derzeit der
weitaus gebräuchlichere Name als strategisches Gleichgewicht. Aber
letzterer ist gerade dabei, sich im Englischen durchzusetzen und es ist
daher wahrscheinlich, dass dies auch im Deutschen passieren wird.
Ohnehin wird in der Spieltheorie oft nur vom Gleichgewicht oder
Gleichgewichtspunkt gesprochen und damit implizit das Nash-Gleichgewicht
gemeint. Ich verwende die Begriffe Gleichgewicht, Nash-Gleichgewicht und
strategisches Gleichgewicht meistens synonym.

Bei John Nash handelt es sich übrigens um den an Schizophrenie
erkrankten Mathematiker aus dem Film "A Beautiful Mind", der trotz
seiner Krankheit im Jahr 1994 den Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften erhielt, und zwar insbesondere für die
Definition des eben vorgestellten Nach-Gleichgewichts. Der Nobelpreis
wurde ihm gemeinsam mit Harsanyi und Selten verliehen, auf deren
Beiträge wir noch an späterer Stelle ausführlich zu sprechen kommen werden.

Um Verwechslungen zu vermeiden: Es gibt ebenfalls von John Nash die
Nash-Verhandlungslösung (Nash 1950), die sehr bekannt geworden ist, die
aber vordergründig nichts mit dem Nash-Gleichgewicht zu tun hat: Die
Verhandlungslösung entstammt der sogenannten kooperativen Spieltheorie,
die in diesem Buch nicht behandelt wird.

Noch eine weitere Anmerkung ist wichtig: Das Nash-Gleichgewicht ist für
eine beliebige Spielerzahl definiert. Sie erinnern sich: Obwohl wir
bisher nur Zweipersonenspiele betrachtet haben, beschäftigt sich die
Spieltheorie generell mit n-Personen-Spielen.

Es gibt viele wesentliche Argumente, die Gleichgewichts­kombinationen
gegenüber anderen Strategienkombinationen auszeichnen, von denen ich
Ihnen hier nur drei nenne:

Wenn die Spieler sich vor dem Spiel auf eine Strategienkombination
einigen, dann hat eine solche Einigung nur dann auch wirklich Aussicht
darauf, gespielt zu werden, wenn es sich um ein strategisches
Gleichgewicht handelt.

Wenn man versucht zu definieren, welches Verhalten rational ist,
dann kommen als Kandidaten für Rationalverhalten nur
Gleichgewichtsverhaltensweisen in Frage. Denn würde die Rationalität ein
ungleichgewichtiges Verhalten empfehlen, dann würde sie sich aus sich
selbst heraus zerstören. Allein die Vermutung, die anderen Spieler
könnten sich an einen derartigen Rationalitätsbegriff halten, müsste
einen rationalen Spieler dazu veranlassen, davon abzuweichen.

In vielen Situationen liegen "blinde" Prozesse vor, in denen die
Spieler keine Einsicht in die eigentliche Spielsituation haben, sondern
nach einem Versuch-und-Irrtum-Prinzip handeln. Sofern solche Abläufe
überhaupt jemals gegen ein stabiles Verhalten (also eines, das auf Dauer
von allen beibehalten wird) konvergieren, muss es sich bei einem
potentiellen stabilen Verhalten um ein Nash-Gleichgewicht handeln.

Das Nash-Gleichgewicht, dessen Grundidee wir hier schnell angerissen
haben, ist der Kernpunkt der Spieltheorie schlechthin; wenn man es genau
nimmt, dreht sich fast alles um diese eine Idee. Wir werden noch an den
verschiedensten Stellen auf dieses Gleichgewicht zurückkommen, soviel
aber schon vorweg: Es ist eine der genialsten Entdeckungen in den
Sozialwissenschaften überhaupt. Sie gehört sogar zu den ganz wenigen
Ideen, die es geschafft haben, in die Naturwissenschaften exportiert zu
werden.

Bedauerlicherweise reicht das Gleichgewichtskonzept nicht aus, um für
jedes Spiel zu einer eindeutigen Lösung zu gelangen, weil Spiele sehr
oft mehrere Gleichgewichte haben. Ein Großteil der neueren
spieltheoretischen Grundlagenforschung beschäftigt sich deshalb damit,
Kriterien für mehr oder weniger sinnvolle Gleichgewichte zu entwickeln,
um möglichst viele als Lösungskandidaten[4] auszuschließen.
Zum Begriff des Gleichgewichts

Eine Anmerkung zu der Bezeichnung Gleichgewicht, ob mit oder ohne Nash:
Ursprünglich ist dieser Begriff aus der klassischen Mechanik übernommen,
inzwischen gibt es aber in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen
Gleichgewichtsbegriffe, die im Wesentlichen ein Kriterium gemeinsam
haben: Befindet sich ein System im Gleichgewicht, so entwickelt es keine
Kräfte aus sich selbst heraus, um den Systemzustand zu ändern. Daher
wird ein System einen Gleichgewichtszustand beibehalten, solange keine
ändernden Kräfte von außen auftreten, das heißt, solange sich die
Rahmenbedingungen nicht ändern. Dieses Kriterium trifft auch genau auf
das Nash-Gleichgewicht zu.

Auf jeden Fall muss man aufpassen, dass man das Nash-Gleichgewicht nicht
mit anderen Definitionen von Gleichgewichten verwechselt, wie etwa dem
Marktgleichgewicht (Gleichheit von Angebot und Nachfrage), einem
makroökonomischen Gleichgewicht (zum Beispiel im Sinne des
IS-LM-Schemas) oder dem thermodynamischen Gleichgewicht. Verwechslungen
können insbesondere dadurch leicht auftreten, dass in der
spieltheoretischen Literatur oft nur vom Gleichgewicht gesprochen wird,
wenn eigentlich das Nash-Gleichgewicht gemeint ist.

Dieser Sachverhalt wird besonders dadurch interessant, dass die anderen
Gleichgewichte manchmal gleichzeitig ein strategisches Gleichgewicht
sein können, aber nicht sein müssen, und manchmal das strategische
Gleichgewicht ein Ungleichgewicht (in irgendeinem anderen
Gleichgewichts-Zusammenhang) sein kann




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang