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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: moneymind <moneymind AT gmx.de>
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- Subject: [AG-GOuFP] rekursive Gelddefinition
- Date: Thu, 06 Mar 2014 13:33:51 +0000
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Arne,
Du schreibst:
Durch diese Rekursivität wird Geld zu einem abstrakten Anspruch. Das ist letzt endlich die geniale Idee, die hinter dem Kreditgeld steckt. Sie stellt sicher, dass die Zentralbank z.B. nicht zahlungsunfähig werden kann.
Da würde ich zustimmen: daß die ZB im Gegensatz zu den GBen nicht zahlungsunfähig werden kann, weil sie Zahlungsmittel in beliebigem Umfang schaffen kann, ermöglicht es ihr, ihre gesamtwirtschaftliche Funktion als LOLR in Grenzsituationen auszuüben (ein Goldstandard würde ihre Geldschöpfungskapazitäten begrenzen - daher wurde dieser ja in der Weltwirtschaftskrise aufgegeben, dafür hat sich Keynes massiv eingesetzt).
Damit wurde der Geldstandard endgültig von jedweden Gütermengen entkoppelt und zu einem reinen, relationalen und "selbstbezüglichen" abstrakten Wertstandard.
In gewissem Sinn kommt damit die auf Eigentum ("Freiheit/Gleichheit"), Vertrag und Schuldrecht basierende Kreditwirtschaft erst richtig "auf den Begriff" oder "zu sich selbst" - kommt also dort an, was in der Rechtsstruktur der "abstrakten Gleichheit" (gleiches Recht für alle) von Beginn an logisch angelegt war.
Angelegt war dies von Beginn des Rechtssystems im Unterschied zwischen "Rechengeld" / "money of account" und "realem Geld" (dem, auf das Forderungen auf Geld letztendlich gerichtet waren, z.B. Gold). Von Beginn an konnte immer auch "Kreditgeld" (in money of account denominierte Forderungen) anstelle von realem Geld als schuldbefreiendes Zahlungsmittel verwendet werden (historisch beginnend mit "Wechseln" als Zahlungmitteln - ein Gläubiger A reichte seine Forderung gegen einen Schuldner B an einen Dritten C weiter, um dessen (des C) Forderung gegen ihn (den B) zu erfüllen (und vernichten).
Robert Fischer hat mir dazu gerade einen historischen Hinweis gegeben, den ich hier gern weitergebe:
/1. Ein gewisser "Dumuzi-Gamil" (eine Art Protobanker in Mesopotamien 18.Jh.v. Chr.) hat nachweislich eine bargeldose Zahlung ausgeführt im Auftrageines gewisssen "Sumi-Abum², der sein Gläubiger war. Und zwar zu Gunsten von zwo Herren (die ebenfalls Kunden von Dumuzi-Gamil's Protobank waren) und die ³Nur-Ilisu² und ³Sin-Asared² hießen. (Coole Namen damals;-) Alles dokumentiert auf Tontäfelchen. (Habe ich von Marc van Mieroop und Wiliam N. Goetzman)
Dagegen ist von Palästen (und noch früher Tempeln) m.W. nichts derartiges bekannt: Die haben m.W "nur" bilateral verrechnet. D.h. Sie waren nicht auf _d_i_e_ Idee gekommen, daß Palast/Tempel A seine offene Verrechnungsforderung gegenüber Palast/Tempel B dann bei Palast/Tempel B einen dritten Palast/Tempel zedieren lassen könnte.
N o t a b e n e: Dumuzi-Gamil ist erste Fall der Zession einer
***Namensforderung*** im heutigen Sinne, auf den ich bis jetzt gestoßen bin./
Das Buch von Goetzmann, auf das er verweist, ist glaube ich "Origins of Value". http://books.google.de/books?id=-oi7Osz2Ss0C&printsec=frontcover&dq=origins+of+value&hl=de&sa=X&ei=BHgYU860LYaatAaM9YHwAQ&ved=0CDsQ6AEwAA#v=onepage&q=origins%20of%20value&f=false
Ok ... klingt bißchen vage, müßte ich genauer ausführen. Aber ... ich will es erstmal mal nur andeuten.
Du scheinst da sehr "logisch" und abstrakt heranzugehen - das ist aus meiner Sicht auch nötig, weil unser ziviles Rechtssystem eben auf den Begriff der "Gleichheit" ("Eigentum, Freiheit, Gleichheit") beruht und daher abstrakte Aussagen braucht, die alle Bürger unterschiedslos gleich behandeln ("Gesetzes"-Aussagen). Dieser abstrakte, auf dem Begriff der Gleichheit beruhende Rechtsbegriff ist m.E. DIE zentrale Kernidee unserer abendländischen Zivilisation, und ein abstrakter, von allen Gütermengen entkoppelter Wertstandard mit "selbstbezüglichem" Geld ist die letztendliche Konsequenz davon.
Dieses Geld ermöglicht bzw. erzwingt positive Feedbackschleifen im Handeln voneinander unabhängiger (freier/gleicher) Marktteilnehmer - sowohl in der Kreditexpansionsphase als auch in der Kontraktionsphase, führt also - sich selbst überlassen - zu einem höchst instabilen System, das nur antizyklisch stabilisiert werden kann. Hier liegt der zentrale Zweck der Zentralbank und mit dieser koordinierter staatlicher Geldpolitik. DAS war die große Entdeckung der Weltwirtschaftskrise durch Keynes und andere, die aber leider noch unklar und kryptisch formuliert wurde. Immerhin hat sie sich auf die Praxis in gewissem Grad schon ausgewirkt, wurde aber seit '75 wieder ideologisch überwuchert und verdrängt durch neoklassische Vulgärökonomie, die klar den Interessen des Finanzkapitals dient.
George Soros hat das solche kreditären Feebackprozesse in Ansätzen ganz gut beschrieben in seinem Buch "Alchemy of Finance", im Kapitel "The Credit and Regulatory Cyle":
http://books.google.de/books?id=qxkiYul2wgoC&printsec=frontcover&dq=alchemy+of+finance&hl=de&sa=X&ei=k3cYU8jOAYrQsgb47IBQ&ved=0CDcQuwUwAA#v=onepage&q=alchemy%20of%20finance&f=false
Aber, zurück zum Punkt: Du scheinst da sehr logisch und abstrakt heranzugehen. Ich würde da gern eine historische Perspektive ergänzen. Geschichte ist menschliches Tun (und das kann es nur in Gruppen geben, da ein einzelnes, isoliertes Individuum nicht mal bis in die nächste Generation käme). In diesem Tun haben Menschen über Jahrhunderte hinweg sowohl das heutige Rechtssystem als auch das daraus folgende heutige Kredit- und Geldsystem geschaffen.
... ist die rekursive Definition "Geld ist Anspruch auf Geld" nicht falsch.
Sie ist aber auch nicht zwingend, sondern - wie Du selbst schreibst - zunächst eher unsinnig.
Ich finde sie v.a. deshalb irreführend, weil sie die konkreten Vorgänge der "Zentralbankgeldschöpfung" ausblendet und damit zu falschen Schlüssen verleitet. Sie legt nämlich nahe, daß Geschäftsbanken von der Zentralbank für Zentralbanknoten einfach nur andere Zentralbanknoten fordern könnten.
Tatsächlich aber kauft die ZB bei der ZB im weitaus größten Teil ihrer Geschäfte ja pensionierte Wertpapiere zurück. Zwar erfüllt die ZB damit nicht eine Forderung, die mit den jeweiligen ZB-Noten oder -Guthaben in Verbindung stünde, sondern Forderungen aus den Pensionsverträgen.
Entscheidend ist aber doch, daß - wenn Zentralbankgeld auf diese Weise geschöpft wird - seine Existenz eigentlich nur dokumentiert, daß sich irgendwo eine private Nichtbank verschuldet hat (der Schuldner des Papiers, das die GB bei der ZB in Pension gegeben hat).
Anders ist das, wenn die ZB einen Sachvermögenswert ankauft, z.B. Gold (was sie aus verschiedenen Gründen und mit verschiedenen Zielen tun kann). Dann steht dem dabei geschöpften ZB-Geld kein Schuldner gegenüber.
Will nur sagen: entscheidend scheint mir weniger die Frage zu sein, "was ist Geld?" Diese Frage scheint mir eher zu verkürzten und damit irreführenden Definitionen zu führen. Besser ist es, genau zu schauen, was die ZB tut, wenn sie Geld schöpft, wie es die Beteiligten in ihren Bilanzen verbuchen, und mit welchen Zielen sie diese Dinge tun. Und welche Folgen daraus für ihr Tun entsteht.
Will sagen: die Frage, "was ist Geld?" kann irreführend sein und zu unnötigen Definitions-Streitigkeiten führen. Bessere Frage: wie genau können ZBen Geld schöpfen, und welche Ziele verfolgen sie dabei?
Bei einem Kreditgeldsystem entsteht Rechtsenergie (=Ansprüche), die eine Dynamik in die Wirtschaft bring. Bei Kurantgeld ist dies nicht der Fall.
Die "Rechtsenergie" (bißchen vage Metapher) halte ich auch für entscheidend (bin mir nicht sicher, ob wir dasselbe darunter verstehen - das sollten wir bei Gelegenheit mal vertiefen). Was genau meinst Du mit "Kurantgeld"?
Würde ein einstufiges Bankenystem mit Einlösepflicht der Geschäftsbanken in Edelmetall (wie in der "free banking era") für Dich unter den Begriff "Kurantgeld" fallen?
Ein zweistufiges Bankensystem mit Goldstandard nur der Zentralbank mit Einlösepflicht?
Ein bankenloses System von Wechseln als Zahlungsmittel, die auf einen konkreten Güterstandard lauten (Gold, Getreide, beliebig)?
M.E. ist meine rekursive Definition des Giral-Geldes:
1. Ein Anspruch auf Geld gegen die Zentralbank ist Geld. (Rekursionsanker)
2. Geld ist ein Anspruch auf Geld. (Rekursionsfall)
eine entscheidende Erkenntnis.
Ist m.E. richtig, aber für sich genommen unvollständig und lädt ein zu Fehlschlüssen, wenn man es nicht genauer betrachet wie oben beschrieben.
Auf die "Rechtsenergie" würde ich gern noch zurückkommen, damit wir vergleichen können, was wir uns da jeweils konkret darunter vorstellen. Die halte ich auch für absolut entscheidend für geldwirtschaftliche Dynamik.
Danke und Beste Grüße!
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Peter Baum, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 06.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudolf Müller, 06.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 05.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Arne Pfeilsticker, 06.03.2014
- [AG-GOuFP] rekursive Gelddefinition, moneymind, 06.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] rekursive Gelddefinition, Arne Pfeilsticker, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Axel Grimm, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Axel Grimm, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, moneymind, 08.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Arne Pfeilsticker, 10.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Frank Dahlendorf, 10.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Rudi, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] rekursive Gelddefinition, Ex-SystemPirat, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Anspruch und Geld (rekursive Gelddefinition), Peter Baum, 08.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Anspruch und Geld (rekursive Gelddefinition), Arne Pfeilsticker, 08.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Axel Grimm, 07.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] rekursive Gelddefinition, Arne Pfeilsticker, 07.03.2014
- [AG-GOuFP] rekursive Gelddefinition, moneymind, 06.03.2014
- Re: [AG-GOuFP] Geld ist alles, womit man zahlen kann, Thomas Weiß, 05.03.2014
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