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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Sparen: Fluch oder Segen?

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Sparen: Fluch oder Segen?


Chronologisch Thread 
  • From: Ex-SystemPirat <systempirat AT live.de>
  • To: AG-GOuFP <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Sparen: Fluch oder Segen?
  • Date: Tue, 11 Feb 2014 15:44:46 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Organismusanalogien scheinen mir in Diskussionen sehr unproduktiv und auch höchst spekulativ, wenn sie ohne gemeinsames Orientierungsgerüst so einfach in den Raum hinein geführt werden.

Wenn man (als Orientierungsgerüst) z.B. über Systeme spricht, ist es sehr hilfreich, immer die Systemreferenz im Auge zu haben.

Wenn man z.B. einen lebenden Organismus als System so definiert, dass er aus Zellen besteht, liegt es nahe die Gesellschaft als aus Menschen bestehend zu betrachten. (Das formuliere ich jetzt in Anlehnung an den Diskussionsstand. Es stellt nicht meinen Standpunkt dar)

Man könnte jetzt nach der Überlebenseinheit suchen. Das wäre einmal eher offensichtlich der einzelne Körper, im anderen Fall könnte es die Menschheit sein. Das eine wird durch "Leben" zusammen gehalten, das andere durch "Gesellschaft".

In Bezug auf die Überlebenseinheit könnte man jetzt behaupten: Genauso wenig, wie es möglich ist, innerhalb des Lebenszyklus eines Körpers das Nervensystem auszutauschen, könnte es genauso unmöglich sein, innerhalb des Lebenszyklus der Gesellschaft einer Menschheit, das "Geldsystem" auszutauschen.

Man sollte z.B. innerhalb einer Systemtheorie auch darlegen können, warum der vermeintliche Systemaustausch nicht einfach eine Subsystembildung sein kann, welche vom Gesamtsystem toleriert muss, an dessen "Wesen" aber nichts Grundsätzliches ändert.

Wenn man behauptet, das Geldsystem innerhalb einer globalisierten Weltgesellschaft austauschen zu können, sollte man das schon sehr genau begründen können, jedenfalls wenn man den Anspruch erhebt, mit wissenschaftlichem Hintergrund zu arbeiten. Das wäre sonst sehr unfair denen gegenüber, die sich "nur" auf eine politische Ideologie berufen können oder die sich den realen Zwängen des Wissenschaftsbetriebs unterwerfen müssen.

Ich will mit diesem Beispiel nur skizzieren, wie eine konstruktive Diskussion ablaufen könnte, so dass sie von mehreren Beteiligten und Unbeteiligten konstruktiv mitvollzogen werden kann.

Einfach zu behaupten, man könnte von vorne anfangen, ist populistisch und empirisch wie wissenschaftlich nicht haltbar. Was einmal geschehen ist, kann "im richtigen Leben" nicht rückgängig gemacht werden. Es kann höchstens im Laufe der Zeit vergessen werden, aber auch das ist immer Bestandteil eines unumkehrbaren Prozesses.

Am 11.02.2014 14:39, schrieb Frauke Mattfeldt:
Am 11.02.2014 07:13, schrieb Christoph Mayer:
Der Blutkreislauf ist ein gutes Beispiel, wie in der Natur Kreisläufe
dauerhaft, nachhaltig und stabil funktionieren.
Blut ist für den Austausch von Nährstoffen, Sauerstoff usw. zuständig und
daher recht nahe an der Geldfunktion.

Ja, das stimmt schon; wobei doch die Stoffe eigentlich die realen Güter
sind und nicht das Geld. Die Organe müssen ja letztlich mit realen
Gütern versorgt werden. Das Geld ist nur das Mittel für den
Realgüteraustausch. Es wäre also irgendwas Irreales, was ein Organ
zurück gibt, wenn es dafür mit Nährstoffen versorgt wird. Die Produktion
eines Organs selbst ist auch wiederum die Produktion von Realgütern. Im
Körper gibt es - soweit ich weiß, aber ich bin auch keine Medizinerin -
nichts vergleichbares mit Geld.
Vielleicht kann man Geld = Blutkreislauf annehmen, wenn man Geld mit
Realgütern gleichsetzt bzw. als Repräsentant dafür sieht.

Manche Teile des Körpers verwandeln Aufgenommenes in Nährstoffe oder
Sauerstoff, andere nehmen diese Nährstoffe auf.
Damit Nahrung beschafft werden kann, werden auch die Konsumierenden, z.B.
Das Gehirn benötigt.

Das Gehirn ist aus meiner Sicht die Schaltzentrale, d.h. derzeit die
Politik und die Lobbyisten.
Die Konsumierenden sind letztendlich alle Körperzellen, wobei sie
gleichzeitig auch die Produzierenden sind.

Wäre das Herz eine Bank, würde sie für jeden durchgelumpten Liter Blut
beim Rückfluss 5% mehr einbehalten.
In dem Fall würde das Herz innerhalb recht kurzer Zeit platzen. Und das
Knochenmark müsste ständig neues Blut in extremer Menge produzieren.
Gäbe das Herz die 5% Extrablut an andere Organe - immer die, die schon
viel Blut haben - weitergeben, dann würden auch die immer weiter
aufgepumpt, bis sie entweder platzen oder das Blut wieder abgeben.

Im Wirtschaftskreislauf wird nun aber nicht viel abgegeben (Konsum oder
Steuer) sondern immer weiter aufgepumpt (Vermögensaufbau bis in
dreistellige Milliardenhöhe).

Das bedeutet, die Organe, die die Nahrung beschaffen, sind chronisch
unterversorgt, andere werden wegen Überfluss träge.
Irgendwann kollabiert der Organismus oder stirbt, weil die für
Nahrungsbeschaffung und -aufnahme zuständigen versagen.

Anders als im Körper gibt es eben im Gesellschaftsorganismus
Körperzellen, denen keine Funktion zugedacht ist durch deren Ausübung
sie Nahrung erhalten. Im Sozialstaat werden sie trotzdem mitversorgt.
Anderswo müssen sie irgendwie gucken, wo sie sich Nährstoffe abzwacken
können, um überhaupt zu überleben.

In Wirklichkeit ist das Ganze natürlich noch viel komplizierter. Und der
Mensch lebt auch nicht vom Brot allein.

Ich glaube mittlerweile, dass wir durch die Technik und unsere
Produktionsweise sehr viel verloren haben, insbesondere was den
zwischenmenschlichen Bereich angeht.
Ursprünglich, in den Stammesgesellschaften, waren Produktions- und
Lebensgemeinschaften untrennbar miteinander verbunden. Und jedem in der
Gemeinschaft war eine Rolle zugedacht. Die Rolle wurde dort mehr oder
weniger durch das Geschlecht bestimmt.
Dass die Rollen heute offener sind und für den einzelnen scheinbar viele
Möglichkeiten offen sind, die er wählen kann (was aber auch nicht
wirklich und nicht überall der Fall ist) ist ja schön und gut. Aber:
Heute gibt es oft überhaupt keine Gemeinschaften mehr. Die
Lebensgemeinschaften sind immer mehr geschrumpft und in der Produktion
ist jeder austauschbar und kämpft gegen andere (im Konkurrenzkampf). In
einem biologischen Organismus ist das eben nicht der Fall. Würden sich
hier einzelne Organe gegenseitig bekämpfen, wäre das der sofortige Tod
des Organismus.
Die Gesellschaft als Ganze ist eben gar kein Organismus. Ggf. sind
einzelne Unternehmen Organismen. Der Staat sollte vielleicht auch ein
Organismus sein. Aber global betrachtet bekämpfen sich die
(Staats-)Organismen/Organe auch gegenseitig. Und Unternehmen bekämpfen
sich auch. Und innerhalb der Unternehmen kämpfen die Leute in einem
Komkurrenzkampf u.U. auch noch gegeneinander.

Letztendlich ist das das eigentliche Problem. Und das hat auch nix mit
dem Geldsystem oder dem Wirtschaftssystem zu tun, sondern dieses ist
eine Folge des falschen Bewusstseins, nämlich des Bewusstseins, dass wir
gegeneinader kämpfen müssen, um uns durchzusetzen (survival of the
fittest) anstatt zu erkennen, dass wir alle ein Teil eines Ganzen sind
in dem auch jeder einen Platz hat.

Würden die Menschen so denken, dann würden sich auch automatisch das
Geldsystem und das Wirtschaftssystem ändern. Klar, auf der anderen Seite
bestimmen diese Systeme auch unser Denken und machen uns so. Es ist
irgendwo beides: Das System prägt unser Denken und Handeln und dieses
wiederum hält das System aufrecht.

Wenn man sich überlegt, wie ein System oder auch ein Kreislauf aussehen
würde, wenn wir nach dem Prinzip des gemeinschaftlichen Denkens handeln
würden, dann würden ja die Menschen aus der Motivation der
Sinnhaftigkeit dessen heraus handeln, was sie tun und nicht primär wegen
der Versorgung, die käuflich ist. Das setzt aber eine Versorgung voraus.

Die Frage ist, ob es möglich ist in einem alternativen System jedem eine
gerechte Versorgung zuteil werden zu lassen, solange man
Handlungen/Tätigkeiten/Arbeit/Aufgaben in gut und besser, etwas wert,
etwas mehr wert und ganz viel wert oder unwert einteilt. Wer bewertet
das und wie?

Die Frage ist zum Einen: wie kann jeder Teil des Ganzen werden/sein und
sich damit akzeptiert und glücklich fühlen und wie und wer bestimmt das
Entlohnungssystem / die Verteilung?

Worüber wir uns offensichtlich einig sind ist, dass das derzeitige
Entlohnungs- und Verteilungssystem so nicht korrekt ist und dass die
Qualität der Versorgung und die Höhe der Entlohnung derzeit meist davon
abhängt, wieviele Realgüter man schon angesammelt hat oder auch, wie gut
der Draht zu jenen ist, die viele Güter angesammelt haben, d.h. welche
Funktion man in deren System einnimmt. Die Problematik liegt hier vor
allem auch darin, dass die Verteilung extrem ungleich geworden ist und
ganz offensichtlich ein paar wenige sich einen großen Teil des globalen
Reichtums gesichert haben.

Die Frage ist auch, ob ein Verteilungssystem von irgendwo gesteuert
werden muss, unter welchen Voraussetzungen und von wem oder ob es
Systeme / Kreisläufe geben könnte, in denen sich das System quasi
systemimmanent selbst so steuert, dass in jedem Fall erstmal niemand
unterversorgt wird und letztendlich auch eine Form von gerechter
Verteilung sowohl in Bezug auf die Funktion, als auch in Bezug auf die
Versorgung stattfindet.



Am 11.02.14 02:40 schrieb "Frauke Mattfeldt" unter
<mattfeldt AT karten-verlag.de>:

Am 09.02.2014 11:37, schrieb High-End-Studio Prenk:
ich persönlich finde den Vergleich mit dem
menschlichen Körper und dem darin enthaltenem
Blut und dem Blutkreislauf besser:

Entziehe ich dem Körper das Blut

- analog zum Wirtschaftskreislauf das Geld -

so fängt der Körper an zu schwächeln und
durch die Unterversorgung mit Blut
- auch als Transportmittel für Sauerstoff und
anderen Dingen -
werden alle Organe unterversorgt und sterben im
Extremfall ab.

Ich fand den Vergleich mit dem Nervensystem eigentlich ganz interessant.
Hab selbst mal drüber nachgedacht und fand den Vergleich Blutkreislauf =
Geldsystem nicht schlüsseig, da das Blut die Organe mit Nährstoffen
versorgt. Da finde ich, sind die Adern eigentlich die Verkehrwege und
das Blut die Wirtschaftsgüter.
Das Geld ist ja nur das Mittel zum Austausch, also eher sowas wie
Botenstoffe im Nervensystem. Daher find ich das mit dem Nervensystem
schon besser. Allerdings finde ich wiederum, dass das Nervensystem eher
die Informationen darstellt / Informationsaustausch.
Geld passt irgendwie gar nicht in den Körper / Organismus. Jedenfalls
ist mir selbst noch kein passender Vergleich eingefallen.

Entziehe ich der Real-Wirtschaft nach und nach
das Tauschmittel Geld, so stirbt auch diese
langsam ab. Im Extremfall führt das dann in der
Gesellschaft zu Unruhen, Bürgerkriegen oder auch,
siehe 1913, zu Weltkriegen.

LG Winnie


----- Original Message ----- From: "Ex-SystemPirat"
<systempirat AT live.de>
To: <ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Sunday, February 09, 2014 11:10 AM
Subject: Re: [AG-GOuFP] Sparen: Fluch oder Segen?



Am 08.02.2014 23:06, schrieb Patrik Pekrul:
Am 07.02.2014 um 18:15 schrieb Amos comenius:

Am 06.02.2014 22:05, schrieb Patrik Pekrul:
...

Damit eine Fortführung der Arbeit überhaupt Sinn macht, müsste eine
Mehrheit alle drei folgenden Fragen bejahen:

1. Unser Geldsystem IST problematisch, weil es auf höchst
undemokratische Weise einer kleinen Gruppe Macht verleiht
2. Daher MUSS es verändert werden, um substantiell die Macht- und
Vermögensstrukturen zu verändern
3. Es KANN auch verändert werden, wenn es hierzu genügend
politischen
Willen gibt
Wenn du das Wörtchen "Geldsystem" durch "Wirtschaftssystem" ersetzt,
stimme ich zu.
(Wobei ich manchmal den Verdacht habe, dass du eigentlich sowieso
"Wirtschaftssystem" meinst, wenn du von "Geldsystem" sprichst.)
Das Geldsystem ist in der Wirtschaft, was das Nervensystem im Körper
ist.

Wenn jemand nervenkank ist, hilft der schönste und kräftigste Körper
nichts. Am Ende steht man nur vor ein Wand und haut den Kopf dagegen.

Wenn ich vom "Geldsystem" rede, meine ich genau das - und unser
Wirtschaftssystem ist "geisteskrank". Wenn gewisse Teile unseres
"Wirtschaftskörpers" nicht funktionieren, dann hilft es nicht
unbedingt,
an den Symptomen rumzudoktern, man muss schon das Übel an der Wurzel
packen.

Ein Arm kann noch so stark sein, wenn die Nerven nicht mitspielen,
hilft
alles nichts.



Jetzt würde ich aber in Bezug auf die Analogie dann doch gern wissen,
wie man denn bei einer "Geisteskrankheit" das Nervensystem so
verändern kann, dass es wieder besser funktioniert?

Denn Vergleich finde ich übrigens schon sehr viel passender und als
"Leuchtturm" sehr viel geeigneter als das ganze Rumdiskutieren mit
irgendwelchen einfachen Formeln und Gleichungen.

--
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ik



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