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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] GrundsatzAntrag für bpt 2012.2

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] GrundsatzAntrag für bpt 2012.2


Chronologisch Thread 
  • From: Nicolai Haehnle <nhaehnle AT gmail.com>
  • To: Karlsruher <otto AT ootoo.de>
  • Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] GrundsatzAntrag für bpt 2012.2
  • Date: Mon, 9 Apr 2012 15:19:47 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

On Mon, Apr 9, 2012 at 2:55 PM, Karlsruher <otto AT ootoo.de> wrote:
> nha schrieb:
>> Wobei unser jetziges Wirtschaftssystem wahrscheinlich auch stabil wäre,
>> wenn sich auf natürliche Weise eine Phase ohne Wachstum einstellen würde.
>> Das Problem in der Krise ist ja der *Rückgang* des Wirtschaftswachstums und
>> die damit verbundenen Anpassungsprozesse, aber das hast du in deinem neuen
>> Vorschlag ja auch so geschrieben.
>>
>> Randbemerkung: Warum wird eigentlich "Stabilität" so hervorgehoben in der
>> Diskussion als Kriterium? Das Eurosystem hat sich als außerordentlich
>> stabil
>> in der Krise gezeigt, es erzeugt nur leider menschliches Leiden in großem
>> Ausmaß. Wollen wir ein stabiles System, das menschliches Leiden erzeugt,
>> oder wollen wir ein System, dass menschliches Leiden verhindert, egal ob
>> stabil oder instabil? (Das ist gar nicht so sehr an dich gerichtet, ist mir
>> nur gerade aufgefallen, dass Stabilität so sehr als Selbstzweck
>> wahrgenommen
>> wird, und nur ganz selten über die Auswirkungen für die Menschen gesprochen
>> wird.)
>
> Hier sind wir noch nicht einer Meinung, das sollte vielleicht mal in einem
> separaten Thread ausdiskutiert werden. Unsere Stabilität ist derzeit m.a.
> mit Staatsschulden erkauft und damit nicht nachhaltig. Daraus folgend wäre
> der Titel dann besser "Ist unsere Finanzpolitik nachhaltig?".

Da sind wir definitiv nicht einer Meinung. Denn die Implikation "mit
Staatsschulden erkauft => nicht nachhaltig" halte ich für falsch. In
der Eurozone haben wir mit Staatsschulden ein Problem, aber zu dessen
Lösung müssen wir nur endlich wieder einen monetären Souverän schaffen
(siehe http://nhaehnle.blogspot.de/2011/10/def-souveran-monetarer.html).

Zum Thema "nachhaltige Finanzpolitik" gibt es übrigens eine schöne
Reihe von Blogartikeln "Fiscal Sustainability 101" von Bill Mitchell
(VWL-Professor an der University of Newcastle in Australien).
Natürlich auf Englisch, ich poste die Links trotzdem mal:
http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=2905
http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=2916
http://bilbo.economicoutlook.net/blog/?p=2943


> nha schrieb:
>> Vielleicht bin ich ein Pessimist, aber ich würde nicht alle Karten darauf
>> setzen, dass das funktioniert. Insbesondere sollte man einen hohen
>> Beschäftigungsstand als Ziel erst weniger ernst nehmen, *nachdem* das BGE
>> Erfolge gezeigt hat. (Ich sehe das BGE persönlich als interessantes
>> Experiment; niemand kann wirklich voraussehen, ob es langfristig
>> funktioniert, bzw. auf welchem Niveau, und wie die Folgen genau aussehen
>> werden.)
>
> Da stimme ich Dir zu, ich hatte nur noch nicht den Mut die Umsetzbarkeit des
> BGE in Frage zu stellen. Als Vision ist das BGE erstrebenswert, aber wenn
> man nur mal 1000 € pro Monat * 12 Monate * 80 Mio. Einwohner = 960 Mrd. €
> p.a. ansetzt, das entspricht mehr als 50% des gesamten Haushaltes von Bund,-
> Länder und Gemeinden. Ohne Finanzierungsvorschlag ist das BGE nicht die
> Diskussion wert, gibt es dazu einen? Ich hatte noch keinen gesehen.

Ach, umsetzbar ist das BGE auf jeden Fall, wenn man bereit ist, das
auf Ebene des monetären Souveräns umzusetzen. Man muss sich dazu nur
endlich von den ganzen Denkblockaden lösen, die in Sachen
Staatsfinanzierung existieren. Von daher finde ich die ganzen
Finanzierungsdiskussionen äußerst niedlich.

Mir stellen sich zwei Fragen:

1. Welcher *reale* Lebensstandard ist langfristig damit verbunden,
wenn man sagt, jeder bekommt X € pro Monat? Ein monetärer Souverän
kann die X € problemlos monatlich bezahlen, aber im Zweifelsfall passt
sich einfach das Preisniveau an, so dass die X € einfach real nicht
mehr so viel wert sind. Welcher reale Lebensstandard für reine
BGE-Empfänger garantiert werden kann ist unklar.

2. Führt das BGE wirklich zu gesellschaftlicher Teilhabe? Selbst wenn
diese X € pro Monat langfristig ein Betrag bleiben, der auch real
ordentlich etwas wert ist, folgt daraus noch lange nicht, dass die
Menschen, die lediglich ein BGE beziehen ohne ansonsten einen
Arbeitsplatz zu haben, dann wirklich an der Gesellschaft teilhaben und
entsprechend integriert sind.

Über diese beiden Fragen kann man ewig diskutieren, letztlich wäre das
Experiment interessant, denn nur dadurch erhält man wirklich eine
Antwort.

> nha schrieb:
>
>> Ich finde echte Effizienzgewinne schon gut. Eine
>> Produktivitätssteigerungssingularität, bei der wir einfach alles aus einem
>> Replikator im Star Trek-Stil bekommen, wäre doch super. Das ist
>> natürlich unrealistisch, aber zu Schritten in diese Richtung sage ich
>> nicht Nein, und wenn der technische Fortschritt in die Richtung aufhören
>> würde fände ich das eben schade.
>
> Da stimme ich Dir ebenfalls zu, auf Produktivitätssteierungen will ich
> ebenfalls nicht verzichten. Allerdings kann Produktivitätssteigerung auch
> bedeuten, daß Preise sinken, damit schrumpft die Wirtschaft sogar nominell
> !!! D.h. Wirtschaftswachstum ist m.a. nicht eine Voraussetzung für
> Produktivitätssteigerung, sondern es müssen dann schon mehr Menschen mehr
> konsumieren (wozu wiederum Produktivitätssteigerung ein Beitrag leisten kann
> durch sinkende Preise).

Okay, da hast du Recht. Die Möglichkeit von auf breiter Basis
sinkenden Preisen habe ich nicht in Erwägung gezogen.

Wobei der Verlust an Arbeitsplätzen in diesem Fall trotzdem eintreten
würde (man muss dann genauer zwischen realem BIP und nominalen BIP
unterscheiden).

Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.




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