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Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis... Kein Gerücht: IPCC ... 20. Gunstjahrhundert
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- From: "Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>
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- Subject: Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis... Kein Gerücht: IPCC ... 20. Gunstjahrhundert
- Date: Mon, 19 Dec 2011 12:43:42 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
On 15/12/11 22:02, klaus.oellerer AT oellerer.net wrote:
> Was Du jetzt machst, Volker, ist Dich in Spitzfindigkeiten zu verlieren,
> weil Du argumentativ nichts mehr hast.
Yep. Ich hatte zumindest keine Primärquelle. Dank Amazon liegt nun mein
Weihnachstgeschenk schon auf dem Schreibtisch:
Wetternachhersage von Christian Pfister.
> Pfister hat Dir "widersprochen".
> Recherchier doch selber weiter. Es betrifft Dich ja auch am meisten. Für
> mich reicht das erst einmal zu diesem Thema.
Das Kapitel 4.4 Fazit: Der Rhythmus der Naturkatastrophen kann wechseln
ist zu lang um es hier komplett wiederzugeben. Daher zitiere und kommentiere
ich Auszugsweise:
"
Schwere Naturkatastrophen sind Medienereignisse mit schwerwiegenden
Auswirkungen für betroffenen Bevölkerungen und Implikationen für die Politik.
Um allfällige hausgemachte Einflusse erkennen zu können, muss die
Schwankungsbreite solcher Ereignisse in einem natürlichen Klima ausreichend
bekannt sein. Die Internationale Politikberatung IPCC hat sich zur
Abschätzung der künftigen Häufigkeit von Naturkatastrophen als Folge des
Klimawandels bisher weitgehend auf Daten aus dem 20. Jahrhundert gestützt
(Houghtom et al., 1995). In dieser Zeit stand das Weltklima aber
möglicherweise bereits unter der Einwirkung des Treibhauseffektes, so dass
diese Ergebnisse für rein natürliches Klima nicht aussagefähig sind.
Ausserdem sind Messungen während hundert Jahren, wie der Blick in die
Klimageschichte zeigt, bei weiten nicht ausreichend. Ganz abgesehen davon,
dass die schwersten Ereignisse häufig nicht dokumentiert sind, weil die
Instrumente ausfallen.
Die "Wettermachhersage" hat sich in diesem Bereich um die Frage bemüht, wie
oft Überschwemmungen, Lawinen und Winterstürme in der Schweiz vor
1900, wo das Klima noch ausschließlich von natürlichen Kräften beeinflusst
wurde, im langjährigen Durchschnitt aufgetreten sind.
"
Pfister hat also IMHO die Befürchtung, dass die Annahmen über Wetterextreme
welche auf Beobachtungen des 20. JH fußen nicht gut geeignet sind
als Grundlage
für den IPCC, weil es evtl. vorher deutlich schlimmere Ereignisse gegeben hat,
Pfister sagt nicht explizit was die Konsequenzen dieser evtl. falschen
Annahmen sein sollen. Führt diese fragwürdige Annahme nun zu einer
Unterschätzung der zu erwartenden Extremwetter, oder führt es zu einer
Überschätzung der zu erwartetenden Extremwetter.
Ich bin der Meinung, dass wenn man eine zu "friedliche Periode, wie das
sogenannte Gunstjahrhundert" als Grundlage für seine Projetktionen
nimmt, die Auswirkungen
wohl eher unter als überschätzt werden. Dies würde bedeuten, dass die
aktuellen Aussagen im Extrem-Wetterbericht des IPCC als zu konservativ
anzusehen sind.
Weiterhin ist der Bereich in dem Pfister seine Aussagen trifft alleine die
Schweiz.
Das das 20. Jh durch den antropogenen Klimawandel so Schadarm war sagt
Pfister nirgends, auch wenn es einige Andeutungen gibt:
"
In allen drei Untersuchungsgebieten [Bodensee, Basel, Gotthard VJ] sind
extreme Ereignisse [Überschwemmungen VJ] vom ausgehenden 19. Jh bis zur
Mitte des 20. JH seltener geworden und haben in den letzten Jahrzehnten - vom
Bodensee abgesehen - wieder etwas zugenommen.
Der Rückgang von Überschwemmungen in den 1890 er Jahren wird bis heute in
erster Linie der Wirksamkeit hochwasservermindernder Massnahmen
(Aufforstung, Regulierung der Alpenrandseen, Anlage von Stauseen)
zugeschrieben. Auf Grund der vorliegenden Ergebnisse sind jedoch auch
Veränderungen des Klimas zu berücksichtigen: Im APlenraum wurde in der
Periode 1864-1900 in den überschwemmungsträchtigen Jahreszeiten Sommer
und Herbst 14%, respektive 28% mehr Niederschlag gemessen als 1901-1960; auf
der Alpensüdseite waren die Herbste um 18% nasser.
Auffallend selten waren Überschwemmungen in den mittleren Jahrzehnten des 20.
JH. Das hier Veränderungen des Klimas mit im Spiel waren, legt
ein Blick auf die Verhältnisse im 16. Jahrhundert nahe: Auch in der wärmeren,
und trockeneren Periode von 1518 bis 1559 trat der Rhein
wesentlich seltener über die Ufer als in den vorangehenden und in den
nachfolgenden Jahrzehnten.
Rund um den Gotthard und am Bodensee sind schwere Überschwemmungen in den
zwei Menschenaltern zwische 1641 und 1706 sogar völlig ausgeblieben.
Dies vermutlich unter dem Einfluß der ausgeprägten Trockenheit dieser
Periode. Andererseits häufen sich in den Alpen schwere Überschwemmungen in
der Sommernassen und herbstnassen Zeit zwischen 1830 und 1890. Inwieweit
diese Ereignisse auf die Übernutzung der Gebirgswälder zurückzuführen
sind, wie dies die Zeitgenossen zu wissne glaubten, ist fraglich. Auch die
Zunahme von Überschwemmungen in den letzten Jahrzehnten darf nicht
alleine den Eingriffen in den Landschaftshaushalt (Bodenverdichtung,
Überbauung von kulturland) zugeschrieben werden. Vielmehr muss mit
berücksichtigt werden, dass schwere Überschwemmungen in der Mitte des 20. JH
selten waren, so dass wir uns heute in dieser Beziehung eher wieder
einem langfristigen Normalniveau angenähert haben.
Damit sollen die besagten Eingriffe in die Landschaft nicht bagatellisiert
werden; nur haben sie sich im Rhytmus der grossräumingen
Überschwemmungen noch nciht in Form eines identifizierbaren Signals
geäussert. Auch ein Signal des Treibhauseffektes ist bisher nicht zu
erkennen. Wir bewegen uns in dieser Hinsicht noch innerhalb der Bandbreite
des natürlichen Klimas.
"
Das ist klug gesprochen und detailliert dargelegt, wie sich die Klimaextreme,
also Überschwemmungen im Alpenraum entwickelt haben.
Beim Hinweis bzgl. der Perioden ausgeprägter Trockenheit vermisse ich aber
von Pfister den Hinweis darauf, dass extreme Trockenheit auch ein
Extrem darstellt, welches z.B. zu Ernteausfällen und
Erosion führt. Weiterhin ist das Untersuchungsgebiet relativ klein und
Pfister läßt Betrachtungen in den angrenzenden Gebieten leider ganz weg.
Die Verschiebung des Klimas im 20. JH hat IMHO dazu geführt, dass die
Niederschläge welche Pfister zwischen 1964 und 1900 ausmacht und dann
1901-1960 vermisst schlicht und ergreifend weiter nördlich gefallen sind. Ich
habe diese Aussage aus einen Seminar zu Niederschlag, welches ich
vor meiner Promotion absolvierte. Ich werde mal hier beim Observatorium
HoherPeißenberg anfragen,
wie sich die Niederschläge in den letzten paar hundert Jahren hier 20 km
nördlich der Alpen entwickelt haben.
Hier aber schonmal ein erster Beleg, dass ich mit dieser Behauptung so falsch
nicht liege:
"""2.2 Niederschlagsänderung in der Schweiz
Im 20. Jahrhundert haben auch die Niederschläge in der Schweiz stärker
zugenommen, als die globale Durchschnittsentwicklung. FREI & SCHÄR (2001: 1572
ff.) beschreiben im schweizerischen Winter eine Zunahme um 10 Prozent
innerhalb
der vergangenen 100 Jahre und im Sommer sogar 20 bis 35 Prozent mehr
Niederschlag. Die Regionen haben sich hierbei stark verschoben. So hat der
Schnee- und Regenfall im Herbst im Süden der Schweiz um 20 bis 30 Prozent
abgenommen. Der Norden und Westen der Schweiz erhielt jedoch im Gegensatz
dazu 20 bis 30 Prozent mehr Niederschlag während der Wintermonate.
"""
http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=niederschl%C3%A4ge%20alpen&source=web&cd=12&ved=0CGYQFjAL&url=http%3A%2F%2Fwww.staff.uni-mainz.de%2Fhjfuchs%2FWallis-Homepage%2Freferate%2F07%2520Klimawandel%2520im%2520Alpenraum%2520-%2520Jan%2520Gast.pdf&ei=BB_vTsDgB8364QS51Jz_CA&usg=AFQjCNGzHxtd5mnJ5SgqfKvXknyeZSZNvg&cad=rja
Das Paper von Frei und Schär ist von 2001, also etwas aktueller als das Buch
von Pfister.
Aber noch einmal zu der Ausage von Herrn Oellerer
"
Seit dem ist die Erde wärmer und grüner geworden und es werden seit
Jahrzehnten – wahrscheinlich auch durch einen gestiegenen CO2-Gehalt plus
Grüne Revolution – Rekordernten eingefahren.
So spricht der bekannte Klimahistoriker Christian Pfister in seinem Buch
„Wetternachsage“ für Europa von einem Gunstjahrhundert im Vergleich zu
früheren Zeiten.
"
und was nun davon übrig geblieben ist.
Erstens :
Die Aussage von Pfister wird für die Schweiz getroffen, ein kleines Land in
den Bergen, welches klimatisch sicher nicht mal für Europa als
Maßstab dienen kann, geschweige denn für
die globale Klimaentwicklung.
Zweitens:
Pfister spricht hautsächlich von Überschwemmungen. Er selbst räumt ein, dass
der Mensch durch Schutzmaßnahmen dazu geführt hat, dass seit dem
19. JH
weniger Überschwemmungen auftreten. Pfister redet also oft von den Wirkungen
der Wetterextreme nicht aber von den Ursachen.
Seine Aussagen zu den Ursachen der Überschwemmungen also i.d.R. Niederschläge
müssen in dem Kontext betrachtet werden, der seiner Studie
zugrunde liegt: Die Schweiz.
Es kann durchaus sein, dass es in der Schweiz im 20. JH ein Gunstjahrhundert
war, dort weniger Niederschläge fielen und daher Überschwemmungen
ausblieben.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die ganze Welt trockener geworden
ist. Trockener wurde der südliche Alpenraum und dafür wurde der
nördliche nasser.
Ich glaube nicht, dass die Italiener oder die Spanier Rekordernten wegen dem
antropogenen Klimawandel einfahren. Im Gegenteil sind deren Ernten
nur noch mit massiver Bewässerung zu erzielen, weil eben die Niederschläge
nach Norden abgewandert sind.
Als Abschluß mag ich noch den letzten Satz von Pfister besprechen
"
Auch ein Signal des Treibhauseffektes ist bisher nicht zu erkennen. Wir
bewegen uns in dieser Hinsicht noch innerhalb der Bandbreite des
natürlichen Klimas.
"
Das klingt isoliert betrachtet wie eine kollektive Aufforderung, das alles
nicht so schlimm anzusehen. Man darf aber nicht vergessen worauf
Pfister sich mit dem Satz bezieht:
"die Zunahme von Überschwemmungen in den letzten Jahrzehnten", in der Schweiz.
Beste Grüße
Volker
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- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis ... Wissenschaft und Politik, (fortgesetzt)
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis ... Wissenschaft und Politik, Guido Körber, 14.12.2011
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis ... Wissenschaft und Politik, frank schneider, 14.12.2011
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis ... Wissenschaft und Politik, Guido Körber, 15.12.2011
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis ... Wissenschaft und Politik, Dr. Volker Jaenisch, 14.12.2011
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis... Kein Gerücht: IPCC widerspricht bisherigen Kosten des Klimawandels, Dr. Volker Jaenisch, 15.12.2011
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- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis... Kein Gerücht: IPCC ... 20. Gunstjahrhundert, Dr. Volker Jaenisch, 15.12.2011
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis... Kein Gerücht: IPCC ... 20. Gunstjahrhundert, klaus.oellerer, 15.12.2011
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- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis der globalen Erwärmung, klaus.oellerer, 13.12.2011
- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis der globalen Erwärmung, Hanns-Jörg Rohwedder, 13.12.2011
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- Re: [Ag-umwelt] Eindeutiger Beweis der globalen Erwärmung, Hanns-Jörg Rohwedder, 13.12.2011
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