Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] Fwd: [Piraten NRW] Gentechnik im Futtermittel stoppen

ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-umwelt mailing list

Listenarchiv

Re: [Ag-umwelt] Fwd: [Piraten NRW] Gentechnik im Futtermittel stoppen


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>
  • To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] Fwd: [Piraten NRW] Gentechnik im Futtermittel stoppen
  • Date: Thu, 17 Feb 2011 21:39:12 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Ahoi!

Am 17.02.2011 15:20, schrieb René Heinig:
Am 17.02.2011 13:59, schrieb Guido Körber:
Da ist mir Volker in praktisch allen Punkten zuvorgekommen, also nur noch ein paar Ergänzungen von mir:

Gentechnik und Netzsperren miteinander zu vergleichen sehe ich nicht als sinnvoll an, das eine ist enabling Technology, das andere disabling. Der Einsatz von Gentechnik schafft neue Möglichkeiten, Netzsperren verhindern sie.


Netzsperren und VDS schaffen neue Möglichkeiten in der Verbrechensbekämpfung, so wie grüne Gentech in der Agrarindustrie. Denke das kann man schon vergleichen. Der Nutzen von beidem ist sehr gering, weil er keine wirklichen Probleme löst, wie z.B. die Verhinderung von Verbrechen oder das Verteilungsproblem von Lebensgrundlagen. Aber die Gefahr für die Menschen, die irgendwann plötzlich in einer unfreien Welt leben, also noch unfreier als die jetzige, was ich nicht nur auf Deutschland beziehe, empfinde ich doch sehr groß.

Stell dir vor es werden im rasenden von den Industriemultis getriebenen Tempo Genabschnitte bei Pflanzen so verändert, dass sie Pestizide und Herbizide selbst hervorbringen und nicht mehr gesprüht werden muss. Alles wurde (ausnahmsweise) fein säuberlich nach Vorschrift eine Weile im Labor getestet, Langzeittests unter realen Bedingungen sind wie wir ja alle wissen nicht möglich. So jetzt werden diese Pflanzen verbreitet. Dann stell dir vor nach 4-5 Jahren sind diese Superpflanzen, die sämtliche anderen Pflanzen verdrängt haben soweit mutiert, wir nehmen mal an sie sind fortpflanzungsfähig, weil wir wollen ja was für die Bauern tun und nicht für die Monsantos, dass sie ein Pestizid entwickelt haben was sämtliche Bienen tötet, was machen wir dann? Stell dir vor es gibt nur noch diese Superpflanzen überall verbreitet.

Oder nimm irgendein schleichendes Gift für den Menschen, was bisher noch nicht bekannt ist, lass es ins Grundwasser gelangen und die Gesundheit wirklich langsam angreifen, so das man es erst nach vielen Jahren feststellt.
Ich denke Du malst hier ein etwas apokalyptisches Bild. Letztendlich ist die Erde an sich das größte und unbarmherzigste Genlabor, dass man sich vorstellen kann.
Viren und Bakterien schleusen permanent fremdes Erbgut von Mensch zu Mensch, von Tier zu Tier und kreuzweise. Auch sind eine spezifische Genveränderungen, also z.B. Resestinz gegen irgendeinen Schädling
oder schnellerer höherer Wuchs eine Pflanze nur wenige Abservablen auf einem Gen-Vektor mit vielen vielen Tausend spezifischen Eigenschaften, welche den Evolutionspfad dieser Spezies bestimmen.
Ich denke es würde nicht lange dauern bis so eine Superpflanze von z.B.  einem sich darauf spezialisierenden  Superkäfer massenhaft gefressen wird. So ergeht es z.B. invasiven Arten zunächst breiten diese sich Rapide aus und nach einiger Zeit gliedern sie sich in die neue Umgebung ein - erreichen also eine Art Gleichgewicht mit der Umwelt.
Es gibt z.B. Bakterien, welche in Massen an Tiefsee-Bohrlöchern zu finden sind, wo sie sich von Rohöl ernähren.

Es gibt die erstaunliche Tatsache, dass die Gene von Lebewesen unter einem höheren evolutionären Druck dazu neigen eine höhere Mutationsrate zuzulassen.
"""
Gerade während wir dies hier schreiben sorgt so ein Dienstmolekül namens HSP90 für Aufruhr in der Molekulargenetik. HSP90 *besteht darauf*, daß sich Proteine in der orthodoxen Form falten, selbst wenn es in der DNS, inder diese Proteine codiert sind, ein paar Mutationen gibt. Wenn der Organismus *unter Streß steht* und HSP90 für andere Aufgaben einsetzt, treten diese verborgenen Mutationen plötzlich hervor - die Proteine nehmen die unorthodoxe Form an, die ihren mutierten DNS-Codes entspricht. Im Grunde bedeutet das, daß man genetische Veränderungen mit nichtgenetischen Mitteln auslösen kann.
"""
Terry Pratchett, Ian Steward, Jack Cohen: Die Gelehrten der Scheibenwelt, Heyne, 2000

Wir sollten nicht vergessen, dass alles was auf der Erde lebt Gewinnertypen sind. Gewinner eines Optimierungsprozesses namens Evolution, welcher weder ethisch, noch zielgerichtet oder gar sinnvoll ist.
Die Gewinner der Evolution sind aber nicht nur die Arten die wir gerade auf dem Planeten sehen und als unsere Umwelt definieren. Sie tragen in sich ein genetisches Potential welches viel größer ist als ihre eigene Existenz zu sichern. Die Veränderungen, welche wir in unseren Genlabors vornehmen erscheinen wie grobes unbeholfenes Herumhacken auf der DNS ohne wirklich zu verstehen, was die DNS eigentlich macht.
Es ist wahrscheinlich prinzipiell unmöglich die DNS so zu *dekodieren* wie man immer wieder liest. Abschnitte von denen man heute denkt sie wären unnützer Balast können in Wahrheit eine Funktion haben.

Wenn man sich anschaut, was passiert wenn man Bakterien Streß aussetzt - wie schnell sie Resistenzen gegen Antibiotika entwicklen - dann wundert man sich, warum die Erde nicht einfach von einer zwei Meter hohen Schicht dieser Superbakterien bedeckt ist. Die Umwelt ist nicht ein fragiles Gleichgewicht welches man nicht stören darf. Das Leben auf der Erde hat mehrere Male kosmische oder irdische Katastrophen erlebt, deren Maß wir z.B. mit der Klimaveränderung zwar langsam erreichen, aber die Umwelt hat es überlebt und sie wird auch uns überleben.

Ich möchte die Rolle des Menschen im Einfluß auf das Klima und die Umwelt weis Gott nicht marginalisieren. Doch mag ich auch mit einem zu romantischen Verständis unserer Umwelt aufräumen. Unsere Umwelt ist nicht aus Glas gebaut und die Gentechnik ist der Stein, der alles in Scherben aufgehen läßt. Dieses Bild ist IMHO wenig dienlich, ausser Hysterie zu verbreiten.

Die Gefahren der Gentechnik sind bekannt. Sie sind ein Eingriff in gewisse Gleichgewichte und sie werden diese verschieben. Dies kann bedeuten, dass wir einige andere Arten in Nischen drängen, die vorher auf jeder Wiese und jedem Feld zu finden waren. Wiesen und Felder sind übrigends für die Natur in Europa nicht sonderlich natürlich, auch wenn unser romantisches Naturbild es uns so erscheinen lassen mag.
Die Entwicklung vom Jäger und Sammler zum sesshaften Menschen hat die Umwelt mehr verändert als Monsato es je tun wird.

Wir Menschen haben die Welt zu dem gemacht was sie nun ist. Sie ist kein Paradies und wir sind sicher nicht die Apokalypse. Trotzdem haben wir die Freiheit und damit die Verantwortung zu entscheiden was wir mit der Erde tun wollen. Diese Verantwortung wiegt schwer.

Wenn wir z.B. die Artenvielfalt erhalten wollen müssen wir einen rückwärtsgewandten Kurs einschlagen. Wir müssen unterschiedlichste (alte) Nutzpflanzen wieder auf die Monokultur-Felder ausbringen. Wir müssen diese Felder verkleiner und mehr mit Wäldern vermischen. Wir müssen aufhören Düngemittel und Pestizide einzusetzen um nicht wenige Nutzpflanzen zu bevorzugen gegenüber anderen Arten.

Das können wir alles tun. Aber wen wollen wir dabei über die Klinge springen lassen? Wir können die Welt ohne die hochindustrialisierte Landwirtschaft (ich meine damit noch nicht einmal die Gentechnik) nicht ernähren. Interessant in diesem Zusammenhang "The Oil we Eat" http://www.harpers.org/archive/2004/02/0079915

Sicher ist eine INtensivierung der Landwirtschaft mit Hilfe der Gentechnik ein Schritt in die falsche Richtung. Aber was ist der richtige Weg?
Wir sollten aufpassen, dass wir nicht die Umwelt als Paradies und uns als Apokalypse zu betrachten. Tun wir dies landen wir in Rousseau's Falle:

"""
The first man who had fenced in a piece of land, said "This is mine," and found people naïve enough to believe him, that man was the true founder of civil society. From how many crimes, wars, and murders, from how many horrors and misfortunes might not any one have saved mankind, by pulling up the stakes, or filling up the ditch, and crying to his fellows: Beware of listening to this impostor; you are undone if you once forget that the fruits of the earth belong to us all, and the earth itself to nobody.
"""
http://en.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau#Theory_of_Natural_Human

Beste Grüße

Volker
-- 
====================================================
   inqbus it-consulting      +49 ( 341 )  5643800
   Dr.  Volker Jaenisch      http://www.inqbus.de
   Herloßsohnstr.    12      0 4 1 5 5    Leipzig
   N  O  T -  F Ä L L E      +49 ( 170 )  3113748
====================================================



Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang