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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] Fwd: [Piraten NRW] Gentechnik im Futtermittel stoppen

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Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] Fwd: [Piraten NRW] Gentechnik im Futtermittel stoppen


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>
  • To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] Fwd: [Piraten NRW] Gentechnik im Futtermittel stoppen
  • Date: Thu, 17 Feb 2011 12:33:08 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Ahoi!

Guido schrieb:
Ich sehe Gentechnik als eine sehr wichtige Technologie an
Rene schrieb:
Kannst du das mal weiter ausführen?
Ich mische mich mal ein, obwohl ich weder Biologe noch Mikrobiologe bin.

Ich sehe den Nutzen von grüner Gentech wirklich so gut wie kaum, außer dass die Zucht von Superorganismen etwas beschleunigt werden könnte, was ich langfristig eher als Gefahr, denn Nutzen sehe.
Ein bekanntes Problem bei einer Technologie und deren Forschung ist, dass man sie nicht in gute und schlechte Anwendungsfälle auseinander dividieren kann.
Die Erfindung von Sprengstoffen hat sehr im Bergbau und damit der Erschließung von Rohstoffen geholfen - gleichzeitig aber viele Menschenleben in Kriegen gefordert.

Die Erforschung von gefährlichen Krankheiten wie Milzbrand, Ebola, Marburg, AIDS birgt gleichzeitig die Gefahr der ENtwicklung biologischer Waffen.
Die Atom- und Kern-Forschung hat uns viele wichtige Impulse bei der Materialforschung, Röntgengeräte, Tumortherapien, bildgebende Verfahren wie Kernspintomographie aber auch die Atom und Wasserstoffbombe gebracht.

Bei der Gentechnik ist das ganze nur in sofern anders, dass nicht vorrangig die Sphäre der Physik sondern die der Biologie und der Medizin betroffen sind. Also Bereiche der menschlichen Existenz die uns persönlich betreffen und auch damit emotional näher liegen. Ob von einem Feld mit Monsato-Gen-Mais mehr Gefahr ausgeht als von einer russischen SS20 die auf meinen Kopf zeigt ist oftmals eine sehr persönliche Einschätzung. Die SS20 kann ich nicht sehen, muss ich nicht essen, kann ich verdrängen. Der Genmais aber dringt mit meinem täglichen Essen bis in mich selber vor.

Daher kann ich die Abneigung (auch meine persönliche) gegen gentechnisch veränderte Lebensformen (zur reinen Profitmaximierung!) verstehen.

Dies sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass jede Form der Forschung ein kulturelles Voranschreiten unserer Zivilisation bedeutet.
Selbst Dinge, welche ein Teil der Menschheit als abstoßend oder religiös nicht vertretbar hält können durchaus einen großen Nutzen für die Menscheit haben. Ein gutes Beispiel ist hier die historische Entwicklung der Pathologie. Das Aufschneiden von Leichen war in vielen Bereichen der Erde verboten und hat dort die Entwicklung der Medizin stark behindert.

Ich denke dass wir weniger daran interessiert sein sollten eine Technologie oder Wissenschaftsdiziplin zu verteufeln, sondern uns zu überlegen, welcher ethischen Rahmenbedingungen es bedarf
diese Technologie/Forschung zum Wohle der Menschheit einzusetzen. Zu diesem Thema gibt es ein sehr schönes Buch vom Altmeister der Science-Fiction Arthur C. Clarke (Bekannt vor allem durch Cubricks Verfiilmung von "2001"): Waffenruhe.

http://www.amazon.de/Waffenruhe-Arthur-C-Clarke/dp/3453169360/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1297938418&sr=1-1

Das Buch schildert sehr anschaulich die seelischen Nöte und ethischen Probleme eines Teams von Wissenschaftlern, welche per Zufall einen Strahlungsgenerator entwickeln, der alle konventionellen Sprengstoffe in einem gewissen Radius zur Explosion bringt. Was zunächst wie der Weg zur ultimativen konventionellen Abrüstung aussieht führt zu großen gesellschatlichen Problemen (Gerade mit der US-Waffenlobby) und massiven Konflikten.

Bei der Genforschung z.B. an Embrionen greift unser Staat wie z.B. bei der Abtreibungsfrage massiv in die Sphäre der Bürger ein - sogar bis in den Uterus der Frauen.
Ist das eine Lösung des Problems? Wäre eine Lösung auf freiliger Basis nicht denkbar. Das Frauen Embrionen spenden, welche sie selbst nicht austragen wollen.
Eine ähnliches ethisches Problem gibt es bei der Organspende. Organspende kann viel Leid beseitigen, aber auf Gewinnmaximierung betrieben führt sie über Indern mit nur noch einer Niere,
zur Organmafia, welche Menschen tötet um deren Organe zu vermarkten. http://de.wikipedia.org/wiki/Fleisch_%281979%29

Bei alle diesen Themenkomplexen sehe ich nicht die Forschung oder die Technologie als das vordergründige Problem. Enkenntnis läßt sich nun mal nicht einsperren. Weiterhin gibt es sowieso immer einen Frankenstein oder Mengele, der sich über jedes Gesetz und jede Ethik hinwegsetzt. Richtig schlimm wird die Geschichte aber, wenn Konzerne mit der Rückendeckung von Gesetzen und Patenten jede ethische Dimension übersteuern dürfen. Das ist IMHO der Punkt wo wir ansetzen sollten.

Eigtl. könnten wir problemlos die ganze Welt ernähren, haben aber ein Verteilungsproblem. Dieses Verteilungsproblem wird jedoch nicht durch Gentech gelöst. Mit Gentech kann man auch keine Tomaten in der Wüste anbauen, weil nicht irgendwelche Gene sondern der Trinkwassermangel das Problem ist. Maximal könnte man irgendwelche Mikroorganismen züchten, die dabei helfen Wasser zu reinigen, aber da würde ich dann mal eine Ausnahme machen, sofern die Folgen absehbar sind, jedoch trotzdem keine Persilscheine ausstellen.

Diese Aussage von Rene passt wunderbar in den Kontext den ich gerade entwicklt habe. Gentechnik ist nicht die Lösung für das Ernährungsproblem. Die Überbevölkerung ist dessen Ursache und diese ist entstanden durch viele kulturelle Errungenschaften (Medizin, Biologie (Liebig, Erfindung des Kunstdüngers), Geologie (Erschließung von Öl), usw. uswf) welche sie erst ermöglicht haben. Selbst die Friedensforschung mag dazu beigetragen haben, wenn man es zynisch betrachtet: Solange Mars nicht mehr auf der Erde als großer Reaper Menschen aurottet vermehren sie sich ungestört.
Ganz polemisch: Wollen wir daher die Friedensforschung verbieten?

Überleg doch mal, wer hat denn letztendlich was von Gentech, sicherlich nicht der Verbraucher, der (bald) keinen Einfluss mehr darauf hat was er essen darf, der Bauer, der dann gezielt nicht fortpflanzungsfähiges Saatgut bekommt auch nicht, ok bleiben ja eigtl. nur noch die Multis wie Monsanto, die eben auch nicht wie der Rest (Verbraucher/Kleinbauern) auf der "Wir haben es satt" waren um gegen Gentech zu demonstrieren, weil genau diese Leute diese Technologie nutzen wollen, weil sie genau Ihnen noch mehr Profit bringen kann.

Die industriell einsetzbare Gentechnik ist sicher keine Lösung für irgendein Problem - höchtens dass der Finanzierung von Monsato. Aber ist hier wirklich die Gentechnik das Problem. Ich denke nur vordergründig. Wenn Bauern gewusst hätten, was sie sich mit diesem "Super"-Saatgut am Ende einkaufen - hätten sie es sicher nicht gekauft. Gerade die hohe Rate an Selbstmorden von Bauern macht dies glaubhaft. Hier würde also Bildung in Form von Aufklärung schon mal viel Entscheidungskompetenz fördern. Solange z.B. in der BRD aber ein "Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" das Wort Wirtschaft vor dem Wort Entwicklung trägt ist nicht anzunehmen, dass man die Bauern über Ihre Rechte aufklärt sondern ihnen eher den Genreis als Segnung der westlichen Kultur VERKAUFT.

Ebenfalls der verzerrte Wettbewerb in der Landwirtschaft (auch kein neues Problem - das geht auch schon mehrere hundert Jahre so (siehe Kolonialzeit, Plantagen, Sklavenhandel usw.) letztendlich
ist der Handel mit Gentechnisch verändertem und patentierten, nicht reproduktionfähigen Saatgut einfach eine Fortführung der Kolonisation und des Imperialismus mit anderen Mitteln.
Ich sehe schon, dass man mit Gentech halbwegs sinnvolle Dinge machen könnte (in der Theorie), das sehe ich aber auch bei VDS und Netzsperren, ich sehe nur nicht, wie man die Leute, denen man so eine Technologie in die Hand gibt beibringt, sie nicht für ihre Zwecke ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit zu missbrauchen. Bisher konnte mir noch niemand erklären, wie das ausreichend sicher funktionieren kann. Und bis zu dem Tag, bis das jemand mal macht, bin ich dagegen diese sehr mächtigen Technologien in vermeintlich falsche Hände, da nur von Profitgier getrieben, zu legen.
Das kann ich gut verstehen. Es gibt einige Beispiel von Wissenschaftlern, welche sich geweigert haben für sie ethisch nicht mehr vertretbare Ziele zu unterstützen siehe z.B.
"In der Sache J. Robert Oppenheimer" http://de.wikipedia.org/wiki/In_der_Sache_J._Robert_Oppenheimer .

Eine einfache Anwort in diesem Bereich sehe ich nicht.
Dem kann ich mich nur voll anschließen.

Und was schlägst du vor soll man in der Zeit machen, bis man eine entsprechend komplexe Antwort hat?
Weiter diskutieren. Weiter aufklären. Menschen mobilisieren.

Allerdings sollten wir uns auch überlegen, welche Slogans wir den Menschen in die Hand geben wollen.
"Nieder mit der Gentechnikforschung" werde ich bestimmt nicht skandieren. Auch bin ich strikt gegen das Niederbrennen mikrobiologischer Universitätsgebäude.

Bei "Keine Patente auf Lebewesen und Gene" bin ich aber gerne dabei.

Ich habe bewusste hier Quellen aus der Fiction und Science-Fiction gewählt. Kein anderes Genre hat sich seit den Anfängen der Industrialisierung so intensiv mit dem Thema der
Folgeabschätzung von Technologie und Forschung beschäftigt. Hierzu ein frei verfügbarer Artikel aus: Deutsche Science-fiction 1870 - 1914 By Roland Innerhofer

http://books.google.com/books?id=JPphfpOTeKkC&lpg=PA369&ots=u85IzjjGS6&dq=Als%20der%20Welt%20Kohle%20und%20Eisen%20ausging&pg=PA364#v=onepage&q=Als%20der%20Welt%20Kohle%20und%20Eisen%20ausging&f=false

Beste Grüße

Volker


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