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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten


Chronologisch Thread 
  • From: "Dr. Andreas Forster" <dr.forster AT aforster.de>
  • To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten
  • Date: Mon, 18 Nov 2013 10:27:49 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Aber dann müssen alle die bisher über die unsolidarischen Privaten schimpfen plötzlich auch für ihre Kinder und Ehefrauen zahlen, wie es in der PKV schon immer Pflicht ist... Ob der Wunsch nach mehr Solidarität so weit gehen wird??
Andreas


Am 15.11.2013 18:47, schrieb Wolfgang Gerstenhöfer:
Auch aufgrund der unten genannten Beispiele ist mein Ziel, daß es künftigt nur noch Privatpatienten gibt ...

Kann man es den Ärzten verdenken, wenn sie Privatpatienten bevorzugen und sich diese auch (gern) bevorzugen lassen? Immerhin bekommen die Ärzte für die gleichen Leistungen von ihnen auch mehr Geld.

Bei den Kassenpatienten weiß der Arzt heutzutage zum Zeitpunkt der Behandlung in der Regel ja noch nicht einmal, wie viel die Leistung überhaupt wert ist - in jedem Fall weniger als beim Privatpatienten.

Und bitte nicht vergessen, daß ein großer Teil der Apparatemedizin und des medizinischen Fortschritts nur möglich ist, weil die Privatpatienten das Gesundheitswesen überproportional finanzieren. Davon profitieren heute die Kassenpatienten. Sie finanzieren eben nicht nur zehn Prozent - aufgrund der höheren Honorare.

Der Skandal liegt doch - zumindest nach meiner Meinung - darin, daß eben nicht jeder die Möglichkeit hat, sich privat zu versichern. Das will ich - durch ein neues Krankenversicherungssystem - ändern.

W.G.





----- Original Message ----- From: "syna" <syna AT news.piratenpartei.de>
To: <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Friday, November 15, 2013 10:51 AM
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten


wdt-als-aeb schrieb:
Deine Punkte 1-5 haben nur was mit "Wohlfühlindikatoren" zu tun, mit der echten Medizin als Heilung oder Linderung hingegen haben sie nichts zu tun. Aber sie sagen natürlich etwas darüber aus, wie sich Ärzte im Behandlungskontext benehmen, vielleicht sollte man mal untersuchen, ob das von der jeweiligen Versicherung abhängt.

Also zu den Wartezeiten gibt es schon Untersuchungen, das weiß man:
Das hängt davon ab, ob GKV oder PKV! Dass dem so ist, sollte aber jedem einleuchten:
Der typische niedergelassene Arzt hat i.d.R. diverse Kredite, etwa für die Einrichtung der
Praxis, laufen. Und er muss - wie jeder andere Mensch auch - dafür sorgen, dass die
Kredite bedient werden, und er will ja auch noch "gut" leben. Das heißt: Er ist auch - ob
er will oder nicht - ein Unternehmer. Ein Unternehmer, der ganz unbewusst und oft sogar
in Kollision zum hippokratischen Eid, sich seinen lukrativen "Kunden" mehr zuwendet.

Nochmal zu den Punkten, den Vorteilen als PKV-Versicherter:

---------------------------------------------------------------------

1 --- Keine Wartezeiten bei JEDEM Arzt

2 --- Zuvorkommenderes Behandeln bei JEDEM Arzt

3 --- Zuvorkommenderes Behandeln im Krankenhaus

4 --- Zugang zu ambulanten Behandlung im Krankenhaus (das ist
für GKV-Versicherte - bis auf wenige Ausnahmen - nicht erlaubt)

5 --- Zugang zur High-Tech-Medizin in Universitätskrankenhäusern
oder Spezialkliniken (Wenn da ein GKV-Versicherter nur anruft,
wird er schon von der Sekräterin abgewiesen oder auf jahrelange
Wartezeiten hingewiesen) im Falle einer ernsthafen Erkrankung.

6 --- Selbst einfache Erkrankungen (Blinddarum usw.) werden von
hochrangigen Spezialisten operiert.

---------------------------------------------------------------------

Punkte 1 bis 3 sind im Prinzip "Wohlfühl-Eigenschaften". Die Warte-
zeiten bei Fachärzten könnten aber schon ernste Konsequenzen
haben, das würde ich nicht verharmlosen.

Punkt 4 ist ein sehr ernsthafter Punkt: Es geht hier um die sogenannte
"Drehtürmedizin" - ein düsterer Punkt, ein ständiges Macht-
geplänkel der Lobbygruppen Ärzte, PKV und Politik. Der GKV-ler ist
dieser Drehtürmedizin voll ausgesetzt, der PKV-ler ist davon nicht
betroffen. Siehe dazu mein Beispiel unten.

Punkt 5 bezieht sich nicht auf alternde Chefärzte an Dorfkranken-
häusern, sondern auf hoch dotierte Spitzenchirurgen bzw.
Speziallistenteams an Unikliniken. Zu denen werden Sie als
GKV-ler selten Zugang erhalten, der PKV-Patient jedoch schon.

Punkt 6 bezeichnet die Fehlallokation durch das duale Vergütungs-
system. Das ist alleine aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht gravierend
und verursacht hohe Zusatzkosten - wie jede Fehlallokation eben.

wdt-als-aeb schrieb:
Die Behauptung, dass der PKV-Versicherte wählen könne ist insofern falsch, als die asymmetrische Kommunikation das nicht zulässt. Selbst der kranke Arzt hat bei seinen behandelnden Kollegen nicht unbedingt noch viel freie Wahl, wenn auch ein wenig mehr, aber übrigens ohne Berücksichtigung der Versicherungsart.

Da haben Sie allerdings recht. Trotzdem: Dem Arzt stehen seinem PKV-Patienten
mehr Mittel zur Verfügung, aus denen er auswählen kann. Das wird manchmal
ausgenutzt, aber oftmals ist es ein Vorteil für den PKV-ler.

Zudem: Bei chronischen Krankheiten ist es ja oft so, dass der Patient selbst zum
Experten für seine Krankheit wird. In solchen Fällen löst sich die "asymmetrische
Kommunikation" mit der Zeit auf - und der Patient kann bewusst wählen.

wdt-als-aeb schrieb:
Meinen gesetzlich versicherten Blinddarm hat mir ein engagierter Assistent entnommen, war eine gute Leistung. Meine zerrissene Netzhaut hat mir ein Oberarzt geflickt, einmal gut und einmal an anderer weniger gut. Der "Chef" mit dem großen Namen schüttelte mir die Hand mit seiner nicht mehr ganz so unzittrigen Hand bei Entlassung. Was mir wirklich gut bekam: das Einzelzimmer. Aber das war nicht Medizin, das war Luxus.

Na, ich steuere auch mal ein Beispiel aus meiner Praxis bei:

Zur Zeit beschäftigt mich der Fall eines überaus begabten jungen Juristen,
der eine großartige Karriere vor sich hat. Er leidet an Multipler Sklerose.
Da er privat versichert ist, bekommt er Medikamente, die keine gesetzliche
Krankenkasse bezahlt, die ihm aber helfen.

Bei der MS gibt es viele experimentelle Behandlungen, die bei einigen Patienten
wirken, bei anderen nicht. Die gesetzlichen Kassen dürfen die Kosten
grundsätzlich nicht übernehmen - es sei denn, die Behandlung erfolgt im
Rahmen von speziellen klinischen Studien. Daran aber können gesetzlich
Versicherte in der Regel nur dann teilnehmen, wenn die Krankheit bereits weit
fortgeschritten ist. Denn sie dürfen - im Gegensatz zu Privatpatienten -
in der Klinik nur stationär, nicht aber ambulant behandelt werden.

Unser Jurist muss in Kürze seine private Krankenversicherung verlassen,
weil er angestellt sein wird. Er verdient nicht mehr genug, um privat versichert
zu bleiben. Damit wird er nicht nur den Arzt der Universitätsklinik verlieren,
der ihn bislang behandelt hat, sondern auch auf seine Medikamente verzichten
müssen. Er hätte in Zukunft nur dann eine Chance, sie zu bekommen, wenn
er ins Krankenhaus eingewiesen werden muss. Sein Gesundheitszustand
müsste sich also dramatisch verschlechtern, damit er eine Behandlung erhält,
die ihm bislang hilft, gesund zu bleiben.

Die Krankenkasse wird dann nicht nur die Kosten für die Medikamente tragen
müssen, sondern auch noch die für den Klinikaufenthalt.

So: What is wrong?
--
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https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen






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