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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten


Chronologisch Thread 
  • From: Wolfgang Gerstenhöfer <wolfgang.gerstenhoefer AT gmx.de>
  • To: "AG Gesundheit" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten
  • Date: Sat, 16 Nov 2013 17:27:01 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>


Zunächst einmal sind Privatzahler und Privatpatienten im Prinzip dasselbe. Unterscheiden müßte man höchstens zwischen Privatzahlern und Privatversicherten. Darum geht es aber nicht.
 
Auch eine "Neiddebatte" darüber, welches Einkommen für Ärzte gerechtfertigt ist, möchte ich nicht führen. Das bringt gar nichts.
 
Ich denke, daß zum einen jeder Berufsstand das Recht hat, in dem Moment, in dem er eine Sach- oder Dienstleistung erbringt, auch zu wissen, welchen Geldbetrag er dafür bekommt, und es zum anderen einfach menschlich ist, seinen möglichen Gewinn zu maximieren.
 
Das mag Dir und vielleicht auch mir nicht gefallen, aber wir werden die Menschen auch nicht grundlegend ändern. Wir bzw. Politiker können nur versuchen, die Weichen bzw. die Anreize entsprechend zu stellen bzw. zu verändern.
 
Natürlich sägen die Ärzte selbst seit Jahrzehnten an dem Ast, auf dem sie sitzen. Warum wird denn grundsätzlich der sogenannte Regelhöchstsatz (2,3- bzw. 1,8fach) abgerechnet oder sogar der Höchstsatz (3,5- bzw. 2,5fach) mit Begründungen, über die man im Einzelfall heftig streiten könnte.
 
Man hätte sich den einfachen Satz bzw. die Gebührenspanne auch sparen können. Aber auch hier gilt: Auch Ärzte sind "nur" Menschen.
 
Genau deshalb schlage ich ja eine entsprechende Krankenversicherungsreform vor.
 
Die Bürgerversicherung - also alle zu Kassenpatienten zu machen - löst dieses Problem nicht. Dann wird es nämlich - wie teilweise auch im Ausland bereits - dazu kommen, daß sich eine "Sonderbehandlung" wirklich nur noch die Wohlhabenden - nämlich als Privatzahler - leisten können. Dann haben wir tatsächlich eine Zwei-Klassen-Medizin.
 
Und das möchte ich nicht ...
 
 
----- Original Message -----
From: Morgan le Fay
To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Sent: Saturday, November 16, 2013 11:57 AM
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten

Hallo Wolfgang,

Zum einen würden heute viele Arztpraxen sich gar nicht mehr rechnen, wenn sie keine Privatpatienten hätten

Ich korrigiere und ersetze "Privatpatient" durch "Privatzahler". Die IGeLeien machen den Unterschied.

Bitte verrate uns doch mal, weshalb man behandelnden Ärzten bedingungslos vertrauen sollte, wenn es um Diagnosen und empfohlenen Therapien geht, solange dort nicht das Bewusstsein vorherrscht, fremdes Geld zu verplanen. Wir alle wollen für unsere Arbeit anständig bezahlt werden, das gesteht sicher jeder auch einem Arzt zu. Aber gerade solche Drohungen, wie nach dem steuerfinanzierten Studium ins Ausland abwandern zu wollen, sprechen Bände über die Prioritäten angehender Ärzte. Das sage ich als jemand, der sehr genau weiß, dass auch Landärzte mit 1500 Scheinen im Quartal und wenigen privat Versicherten verdammt gut leben können

Und dann bitte ich auch noch um die Auskunft, weshalb die allermeisten derer, die sich über die GKV aufregen, nicht die Konsequenzen ziehen und die Zulassung zurückgeben. Wir als Optikerehepaar haben das (teilweise) getan. Wir hab
en keine Zulassung mehr als Vertragslieferant für Kontaktlinsen mehr beantragt. Es hat unserer Auftragslage keinen Abbruch getan. Allerdings verlangen wir aber auch nicht vom einen Kunden 200 Euro für XY-Linsen und vom Privaten den 2,3fachen Satz.

Versuche es doch einfach mal, Deine Leistungen zu anständigen Privatpreisen anzubieten! Ich bin mir sicher, die Leute rennen Dir die Bude ein.

Eine politische Lösung der durch Misstrauen und Sparzwang geprägten Verhältnisse ist ja nur deshalb erforderlich, weil die Leistungserbringer, inkl. der Augenoptiker, nicht rechtzeitig
die Zeichen der Zeit erkannt haben und verantwortungsvoll mit dem Geld anderer Leute umgegangen sind.
Hinzu kommt die unverschämte Gier der Pharmaindustrie, die bis heute als leider legale Gelddruckmaschine angesehen werden darf. Niemand in politisch verantwortlicher Position hat dem Treiben bisher
Einhalt geboten, auch die Ärzteverbände nicht. Stattdessen hat man lieber die Hand aufgehalten und sich mit Brosamen abspeisen lassen.

Just my 2 Cents
Harry





On 11/16/2013 11:05 AM, Wolfgang Gerstenhöfer wrote:
Hallo Jürgen,
 
eine sehr gute Frage.
 
Zum einen würden heute viele Arztpraxen sich gar nicht mehr rechnen, wenn sie keine Privatpatienten hätten. Auch die Ausstattung könnte in vielen Fällen nicht so sein, wie sie heute ist. Das wäre zum Nachteil des Arztes und seiner Mitarbeiter, aber natürlich auch zum Nachteil der Patienten vor Ort - der Privat- und der Kassenpatienten. Bereits heute beklagen wir einen Mangel an Arztpraxen besonders im ländlichen Raum.
 
Zum anderen - leider liegen mir keine Zahlen vor - gibt es wohl immer mehr niedergelassene Ärzte, die ihre Kassenzulassung abgeben, weil sie sich unter anderem nicht mehr der Bürokratie der Krankenkassen aussetzen wollen. Diese kostet viel Zeit und damit Geld und bringt den Ärzten gar nichts ein.
 
Interessant ist ja auch, daß viele Mediziner nach Ende ihrer Ausbildung lieber ins Ausland gehen, als sich in Deutschland niederzulassen. Dort gibt es in der Regel zwar nicht das deutsche Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung; dafür müssen dann die Menschen aus der eigenen Tasche mehr bezahlen oder sie haben entsprechende private Zusatzversicherungen. (Das ist für mich allerdings auch keine besonders soziale Lösung.)
 
Beste und liberale Grüße
Wolfgang
 
Ich bleibe bei meinem Konzeptvorschlag, an dem sicher noch gefeilt werden kann und auch muß, der aber aus meiner Sicht eine gute und konstruktive Diskussionsgrundlage darstellt:
 
http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Wolfgang_Gerstenh%C3%B6fer#Vorschlag_f.C3.BCr_eine_Positionierung_der_Piraten_zum_Thema_Krankenversicherung
----- Original Message -----
From: Jürgen Junghänel
To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
Sent: Friday, November 15, 2013 11:50 PM
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten

Hi,
Ich möchte mal einen anderen Aspekt in die Diskussion bringen:
Warum haben Ärzte überhaupt neben Privaten auch Kassenpatienten?
Was würde passieren, wenn Ärzte entweder nur Private oder nur Kassenpatienten behandeln dürften. 
Wieviele Ärzte würden sich für den Privatarzt entscheiden, wie viele Privatpatienten würden als Kassenpatient umfirmiert? 
Nur so ein Denkanstossende Frage. 
Jürgen




Von Samsung-Tablet gesendet

Wolfgang Gerstenhöfer <wolfgang.gerstenhoefer AT gmx.de> hat geschrieben:
Auch aufgrund der unten genannten Beispiele ist mein Ziel, daß es künftigt
nur noch Privatpatienten gibt ...

Kann man es den Ärzten verdenken, wenn sie Privatpatienten bevorzugen und
sich diese auch (gern) bevorzugen lassen? Immerhin bekommen die Ärzte für
die gleichen Leistungen von ihnen auch mehr Geld.

Bei den Kassenpatienten weiß der Arzt heutzutage zum Zeitpunkt der
Behandlung in der Regel ja noch nicht einmal, wie viel die Leistung
überhaupt wert ist - in jedem Fall weniger als beim Privatpatienten.

Und bitte nicht vergessen, daß ein großer Teil der Apparatemedizin und des
medizinischen Fortschritts nur möglich ist, weil die Privatpatienten das
Gesundheitswesen überproportional finanzieren. Davon profitieren heute die
Kassenpatienten. Sie finanzieren eben nicht nur zehn Prozent - aufgrund der
höheren Honorare.

Der Skandal liegt doch - zumindest nach meiner Meinung - darin, daß eben
nicht jeder die Möglichkeit hat, sich privat zu versichern. Das will ich -
durch ein neues Krankenversicherungssystem - ändern.

W.G.





----- Original Message -----
From: "syna" <syna AT news.piratenpartei.de>
To: <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Friday, November 15, 2013 10:51 AM
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privatpatienten


> wdt-als-aeb schrieb:
>> Deine Punkte 1-5 haben nur was mit "Wohlfühlindikatoren" zu tun, mit der
>> echten Medizin als Heilung oder Linderung hingegen haben sie nichts zu
>> tun. Aber sie sagen natürlich etwas darüber aus, wie sich Ärzte im
>> Behandlungskontext benehmen, vielleicht sollte man mal untersuchen, ob
>> das von der jeweiligen Versicherung abhängt.
>
> Also zu den Wartezeiten gibt es schon Untersuchungen, das weiß man:
> Das hängt davon ab, ob GKV oder PKV! Dass dem so ist, sollte aber jedem
> einleuchten:
> Der typische niedergelassene Arzt hat i.d.R. diverse Kredite, etwa für die
> Einrichtung der
> Praxis, laufen. Und er muss - wie jeder andere Mensch auch - dafür sorgen,
> dass die
> Kredite bedient werden, und er will ja auch noch "gut" leben. Das heißt:
> Er ist auch - ob
> er will oder nicht - ein Unternehmer. Ein Unternehmer, der ganz unbewusst
> und oft sogar
> in Kollision zum hippokratischen Eid, sich seinen lukrativen "Kunden" mehr
> zuwendet.
>
> Nochmal zu den Punkten, den Vorteilen als PKV-Versicherter:
>
> ---------------------------------------------------------------------
>
> 1 --- Keine Wartezeiten bei JEDEM Arzt
>
> 2 --- Zuvorkommenderes Behandeln bei JEDEM Arzt
>
> 3 --- Zuvorkommenderes Behandeln im Krankenhaus
>
> 4 --- Zugang zu ambulanten Behandlung im Krankenhaus (das ist
> für GKV-Versicherte - bis auf wenige Ausnahmen - nicht erlaubt)
>
> 5 --- Zugang zur High-Tech-Medizin in Universitätskrankenhäusern
> oder Spezialkliniken (Wenn da ein GKV-Versicherter nur anruft,
> wird er schon von der Sekräterin abgewiesen oder auf jahrelange
> Wartezeiten hingewiesen) im Falle einer ernsthafen Erkrankung.
>
> 6 --- Selbst einfache Erkrankungen (Blinddarum usw.) werden von
> hochrangigen Spezialisten operiert.
>
> ---------------------------------------------------------------------
>
> Punkte 1 bis 3 sind im Prinzip "Wohlfühl-Eigenschaften". Die Warte-
> zeiten bei Fachärzten könnten aber schon ernste Konsequenzen
> haben, das würde ich nicht verharmlosen.
>
> Punkt 4 ist ein sehr ernsthafter Punkt: Es geht hier um die sogenannte
> "Drehtürmedizin" - ein düsterer Punkt, ein ständiges Macht-
> geplänkel der Lobbygruppen Ärzte, PKV und Politik. Der GKV-ler ist
> dieser Drehtürmedizin voll ausgesetzt, der PKV-ler ist davon nicht
> betroffen. Siehe dazu mein Beispiel unten.
>
> Punkt 5 bezieht sich nicht auf alternde Chefärzte an Dorfkranken-
> häusern, sondern auf hoch dotierte Spitzenchirurgen bzw.
> Speziallistenteams an Unikliniken. Zu denen werden Sie als
> GKV-ler selten Zugang erhalten, der PKV-Patient jedoch schon.
>
> Punkt 6 bezeichnet die Fehlallokation durch das duale Vergütungs-
> system. Das ist alleine aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht gravierend
> und verursacht hohe Zusatzkosten - wie jede Fehlallokation eben.
>
> wdt-als-aeb schrieb:
>> Die Behauptung, dass der PKV-Versicherte wählen könne ist insofern
>> falsch, als die asymmetrische Kommunikation das nicht zulässt. Selbst der
>> kranke Arzt hat bei seinen behandelnden Kollegen nicht unbedingt noch
>> viel freie Wahl, wenn auch ein wenig mehr, aber übrigens ohne
>> Berücksichtigung der Versicherungsart.
>
> Da haben Sie allerdings recht. Trotzdem: Dem Arzt stehen seinem
> PKV-Patienten
> mehr Mittel zur Verfügung, aus denen er auswählen kann. Das wird manchmal
> ausgenutzt, aber oftmals ist es ein Vorteil für den PKV-ler.
>
> Zudem: Bei chronischen Krankheiten ist es ja oft so, dass der Patient
> selbst zum
> Experten für seine Krankheit wird. In solchen Fällen löst sich die
> "asymmetrische
> Kommunikation" mit der Zeit auf - und der Patient kann bewusst wählen.
>
> wdt-als-aeb schrieb:
>> Meinen gesetzlich versicherten Blinddarm hat mir ein engagierter
>> Assistent entnommen, war eine gute Leistung. Meine zerrissene Netzhaut
>> hat mir ein Oberarzt geflickt, einmal gut und einmal an anderer weniger
>> gut. Der "Chef" mit dem großen Namen schüttelte mir die Hand mit seiner
>> nicht mehr ganz so unzittrigen Hand bei Entlassung. Was mir wirklich gut
>> bekam: das Einzelzimmer. Aber das war nicht Medizin, das war Luxus.
>
> Na, ich steuere auch mal ein Beispiel aus meiner Praxis bei:
>
> Zur Zeit beschäftigt mich der Fall eines überaus begabten jungen Juristen,
> der eine großartige Karriere vor sich hat. Er leidet an Multipler
> Sklerose.
> Da er privat versichert ist, bekommt er Medikamente, die keine gesetzliche
> Krankenkasse bezahlt, die ihm aber helfen.
>
> Bei der MS gibt es viele experimentelle Behandlungen, die bei einigen
> Patienten
> wirken, bei anderen nicht. Die gesetzlichen Kassen dürfen die Kosten
> grundsätzlich nicht übernehmen - es sei denn, die Behandlung erfolgt im
> Rahmen von speziellen klinischen Studien. Daran aber können gesetzlich
> Versicherte in der Regel nur dann teilnehmen, wenn die Krankheit bereits
> weit
> fortgeschritten ist. Denn sie dürfen - im Gegensatz zu Privatpatienten -
> in der Klinik nur stationär, nicht aber ambulant behandelt werden.
>
> Unser Jurist muss in Kürze seine private Krankenversicherung verlassen,
> weil er angestellt sein wird. Er verdient nicht mehr genug, um privat
> versichert
> zu bleiben. Damit wird er nicht nur den Arzt der Universitätsklinik
> verlieren,
> der ihn bislang behandelt hat, sondern auch auf seine Medikamente
> verzichten
> müssen. Er hätte in Zukunft nur dann eine Chance, sie zu bekommen, wenn
> er ins Krankenhaus eingewiesen werden muss. Sein Gesundheitszustand
> müsste sich also dramatisch verschlechtern, damit er eine Behandlung
> erhält,
> die ihm bislang hilft, gesund zu bleiben.
>
> Die Krankenkasse wird dann nicht nur die Kosten für die Medikamente tragen
> müssen, sondern auch noch die für den Klinikaufenthalt.
>
> So: What is wrong?
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