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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsreform in HH

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsreform in HH


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Antrag Gesundheitsreform in HH
  • Date: Thu, 06 Sep 2012 14:31:14 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Hallo Syna,

daß Du in vielen Punkten nicht meiner Meinung bist, ist mir durchaus klar.

Das ändert aber nichts an meinen Überzeugungen, vor allem ändert es nichts an dem, was ich für piratige Politik halte: Freiheit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung und Solidarität im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe, bei Bedarf auch durch den Staat/die Gemeinschaft.

Dein Ansatz bzw. der Ansatz der Antragsteller ist aus meiner Sicht einfach falsch.

Also lieber Wolfgang,

Deine Rhetorik hier ist wirklich gut, aber etwas verwirrend. Aus meiner
Perspektive betrachtet drehst Dich deadlock-artig in einer Endlossschleife
- wie so ein Brummkreisel: brumm-brummm .....

Du hast nämlich, ganz am Anfang Deiner Überlegungen, einen wichtigen
Unterschied, ein entscheidendes Faktum überrsehen: Das Faktum, dass
das Gesundheitssystem NICHT marktwirtschaftlich funktionieren kann.
Und zwar deshalb, weil wir da immer eine stringente Anbieterdominanz
haben.

---------------------------------
Anbieter-Dominanz
---------------------------------

Anbieter-Dominanz bedeutet, dass auf diesem "Markt" nicht auf
Augenhöhe verhandelt wird, sondern dass der Anbieter - hier der Anbieter
med. Leistungen - klar im Vorteil ist (das nennt man Informations-
Asymmetrie). Was heißt das?

*Beispiel:* Wenn Du Dir eine Waschmaschine, oder ein Auto, oder eine
Immobilie vielleicht kaufst, dann wirst Du wahrscheinlich ein Jahr zuvor
schon Angebote einholen, Kataloge durchblättern, verschiedene Objekte
besichtigen und auch Spaß dabei haben, einige Objekte auszuprobieren.
Du wirst dann irgendwann - nach langem Abwägen - entscheiden.

Wenn Du aber *ernsthaft erkrankst*, dann hast Du höchstwahrscheinlich
nicht Lust - und erst recht nicht die Kraft - Dich ein Jahr zuvor mit dem
Problem auseinanderzusetzen. Möglicherweise kannst Du nicht mehr gut
sehen oder nicht mehr autofahren, bist nicht mehr mobil - kannst Dich
also - selbst wenn Du wolltest und die Zeit hättest - gar nicht so genau
damit auseinandersetzen. Denn Dein Arzt oder Therapeut oder Operateur
wird Dir etwas erzählen, auf das Du vertrauen musst, weil Du es so
schnell nicht nachprüfen kannst. Je ernster Du erkrankt bist, je mehr bist
Du dem "System" ausgeliefert. Da gibt's dann keinen Markt mehr für Dich,
da ist dann nur noch Panik für Dich. Wahrscheinlich ist Deine Psyche
vollends damit ausgelastet, diesen "Schlag" überhaupt zu verarbeiten. Da
kannst Du mit den "Medizinanbietern" NICHT mehr auf Augenhöhe
verhandeln, Du musst ihnen und ihren Motiven (???) vertrauen! Das ist die
"Anbieterdominanz". Das ist KEIN Markt mehr!

Und weil es im Gesundheitswesen also *keinen Markt* gibt, muss die
Gemeinschaft - sprich der Staat - das alles für Dich so organisieren, dass
Du trotzdem gut aufgehoben bist. Dass Du bei einer ernsthafen
Krebserkrankung beispielsweise eben nicht nach Nennung Deiner
Krankenkasse von einem Universitätskrankenhaus schroff abgelehnt wirst.

*Das ist ein gaaanz wichtiger Punkt:* Aufgrund der Anbieterdominanz
können wir im Gesundheitswesen zwischen Patienten und
Leistungserbringern keinen Markt haben. Dieses "Marktgefasel", das ist
schlicht eine Illusion, eine seltsame Vernebelung.

Also Wolfang, vielleicht tritts Du ja etwas aus Deinem
Brummkreiselgefängnis heraus? Oder nicht?

Wolfgang Gerstenhöfer schrieb:
Die Piraten, die ansonsten so kritisch gegenüber dem Staat und auch gegenüber Politikern sind, sprechen sich als "Gesundheitspiraten" für die Schaffung eines staatlichen oder - schlimmer? - quasi-staatlichen Monopols aus.

Na, ich glaube, dass es doch ganz anders ist.

Wir Piraten definieren ja den Bereich des "Gemeinwesens" im Grunde neu:
Es gilt eine Linie zu ziehen, zwischen dem, was "gemeinschaftlich" also
staatlich zu organisieren ist, damit es allen zur Verfügung steht - und so
eigentlich erst Freiheit, Unabhängigkeit und Teilhabe für den Einzelnen
ermöglicht. Dazu gehören also:

BGE, ÖPNV, Bildung, die Wissensallmende, geistig-immaterielle Kulturgüter
usw. und auch: Die Gesundheitsversorgung.

Erst dadurch, dass dieses Allen - unabhängig von Abgaben oder
Einkommen - zur Verfügung steht, bilden sich ja Freiheit, Individualität,
Kunst, Software, Innovation usw. aus.

Und erst auf diesem "Unterbau" kann sich - so meine Überzeugung -
kompetitives und innovatives Unternehmertum ausbilden und gedeihen.
Und dies dann nach wohl regulierten, marktwirtschaftlichen Regeln. Das
ist für mich "piratig"!

Also Wolfgang: Beste Grüsse!

And get out of your humming-top jail!




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