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Betreff: AG Gesundheit
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- From: "Martin E. Waelsch" <dr.m.e.waelsch AT t-online.de>
- To: "'AG Gesundheit'" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-Gesundheit] Homöopathie alleine ist nicht die Zukunft
- Date: Tue, 3 Apr 2012 01:09:21 +0200
- Importance: High
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
Die Diskussion über die Homöopathie bekommt langsam eine totalitäre
Schlagseite.
Es ging ja darum, ob die Homöopathie von der Allgemeinheit bezahlt werden
soll oder nicht. Hierzu besteht die Meinung, dass sie nicht bezahlt werden
soll, weil es eine unbegründete Ausweitung der Verantwortung der
Allgemeinheit wäre für etwas gerade stehen zu sollen, was nicht einwandfrei
als medizinisch heilend bewiesen ist.
Im Leninismus wurde die Umerziehung als Ziel, einen besseren Menschen zu
erreichen postuliert und die ganzen verbrecherischen Taten der
stalinistischen Machthaber haben sich immer auf diesen Grundsatz berufen. Sie
haben es wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus genannt.
Ich kann euch diese geschichtliche Erinnerung auf die Gefahren von
unreflektierten Veränderungen nicht ersparen. Jede neue Bewegung ist in der
Begeisterung "zu neuen Ufern" in der Gefahr, andere zu indoktrinieren.
Natürlich ist es so, dass die Menschen nicht immer wissen, wie sie sich
selbst mit eigenen Kräften helfen können. Sie haben es verlernt, genauso, wie
sie es durch die Fähigkeit zu Abstraktion verlernt haben, Körpersprache zu
verstehen. Sie sehen sie, sie verstehen sie, sie reagieren drauf, aber sie
wissen nicht mehr, worauf sie da eigentlich aktiv geworden sind. Die
vorsprachlichen Fähigkeiten sind in der zivilisatorischen Entwicklung
verschüttet. Bis eben, fortdauernd.
Wir können nicht etwas, was wir nicht mehr verstehen, verordnen, einfordern,
ohne es zu ermöglichen, dass es geschehen kann.
Deshalb ist die Erkenntnis die eine Seite der Münze, die andere Seite ist die
Demokratie: ein Prozess, in dem Erkenntnisse allen verfügbar gemacht werden
können.
Weder die Befürworter noch die Gegner der Homöopathie wissen, was bei der
homöopathischen Behandlung wirkt, wenn es wirkt.
Der Placebo Effekt ist ständig wirksam, meistens in der Werbung und im
Konsum, dann in der Medizin, in menschlichen Beziehungen, überall wo
lebendige Wesen existieren.
Es ist nicht möglich, es einfach durch Regelungen versuchen, zu negieren,
einzugrenzen oder zu verbieten.
Ein unkluge Umgang mit dem Bereich Homöopathie u. ä. führt nur zu
Sektierertum, d.h. zwingt die Menschen sich in nicht transparenten Nischen
von Überzeugungstätern eine Illusion aufdrücken zu lassen.
Ich habe s glaube ich schon gestern oder heute Nacht geschrieben: wir müssen
auf nicht beantwortete Fragen valide Antworten suchen.
Die Homöopathie wird breit angewendet und ebenso breit nicht untersucht. Die
Angst der sog. Schulmedizin und der Pharmaindustrie von Erkenntnissen hat
solche wissenschaftliche Untersuchungen mit den gleichen Argumenten
verhindert, mit denen hier versucht wird, Verbote, Aufkleber, Umerziehung der
Bevölkerung usw. zu begründen.
Das sollten wir lassen, wenn wir Demokratie und Transparenz ernst meinen.
Treibt die Menschen nicht mit dem Wind der Veränderung in Isolation. Das
würde eine kurze Überfahrt auf dem bewegten See der Politik nach sich ziehen.
Ein Polit-Kommissar einer Partei würde sagen, diese Politikart reicht für
etwa 40 Jahre einer Herrschaft, danach zerbricht diese Politik an
selbstaufgestelltem Starrsinn. So sind die Regime, die sich über die Menschen
erheben letztlich zugrunde gegangen. Zum Glück.
Ich denke nicht, dass die Piraten so etwas vorhaben. Aber wir sollten keine
Angst vor dem Unklaren oder Unbekannten haben. Es lässt sich nicht
verhindern, es sei denn, die Menschen haben wieder ein weiteres Stück des
Unbekannten verstanden. Dazu müssen sie aber Freiheit haben.
Diese Freiheit zu garantieren und gleichzeitig den Betrügern und Verführern
keine Chance zu geben, Menschen zu betrügen, das ist die richtige Politik der
Transparenz.
Der Mensch ist dazu verdammt, frei zu sein. Das Interesse an Beantwortung von
Fragen gehört zu Transparenz. Der Mensch lebt für Beantwortung von Fragen.
Die Suche nach Antworten ist die Grundlage von Wissenschaften. Und die wollen
wir doch nicht einschränken.
Also gibt der Homöopathie einen Rahmen, mit dem sie aus der geheimnisvollen
Ecke herausgebracht und nicht zum Missbrauch benutzt werden kann und
organisiert wegen Homöopathie keinen neuen Polizeistaat - den vernetzten.
Es ist eigentlich nicht kompliziert. Die Homöopathie lebt unter unseren
Achtsamkeit und soll, wenn als einer möglicher Blickwinkel dazu dienen,
Anlass für Fragen zu geben, aber dafür muss sie nicht als vermeintlich
erforderliches Heilmittel von der Allgemeinheit bezahlt werden. Das können
die Konsumenten selbst tun, so wie sie sich Kosmetika u. ä. selbst kaufen.
(Übrigens: für viele Kosmetika werden heilende Wirkungen behauptet, was mach
wir damit? Neue Baustelle?)
Ne, der Verbraucherschutz wird wohl gestärkt werden müssen - durch
Unabhängigkeitsgarantie.
Dr. med. Martin E. Waelsch
Marktstr. 13 - 17
73207 Plochingen
Tel: 07153 921931
Fax:07153 921932
Mobil: 0151 52 503 458
Skype: marell1317
Email: waelsch AT mentalnet.de
Web: http://www.mentalnet.de
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de
[mailto:ag-gesundheitswesen-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von
Julitschka
Gesendet: Montag, 2. April 2012 23:50
An: AG Gesundheit
Betreff: Re: [AG-Gesundheit] Homöopathie alleine ist nicht die Zukunft
Hallo Thorsten,
Am 02.04.2012 17:00, schrieb Thorsten Wagner:
> Hallo Birger, hallo Klaus,
>
>> Übrigens ein großes +1 für die Diskussion, das ist so doch schon viel
>> angenehmer. Der Thorsten bringt das auch immer sehr gut auf den Punkt.
> Danke :-)
>>
>> Es lässt sich aber noch die Kernfrage ableiten: was wollen wir an der
>> Stelle nun machen? Da stehen wir uns ja nachwievor gegenüber. Ich
>> finde die
>> Argumente von Klaus gut nachvollziehbar, innerlich sträubt sich bei mir
>> aber alles, wenn man der Homöopathie damit Vorschub leistet. Das Problem
>> der Adelung sehe ich nämlich auch, wobei mich schon interessieren würde,
>> wie groß der Anteil an Selektivverträgen am Kuchen ist. Von leider
>> leichtgläubigen Menschen, die ihr Geld zu den Heilpraktikern tragen
>> ganz zu
>> schweigen, aber da hilft wohl nur langfristig Bildung, Bildung, Bildung.
> Naja, vielleicht kann man noch kein klare Position formulieren, aber
> doch immerhin einen gemeinsamen Nenner hier herausarbeiten:
>
> 1. Homöopathie wirkt pharmakologisch nicht. Das Wirkprinzip ist
> Hanebüchen.
> 2. Eine Placebo-Therapie ist unter Umständen sinnvoll.
> 3. Dabei darf das Placebo manchmal nicht beliebig gewählt werden, da
> viele Menschen aus "nicht rationalen" Gründen bestimmte Placebos (z.B.
> Homöopathie) bevorzugen.
>
> Könnte man sich auf diese drei Punkte einigen? Wenn ja, könnte man
> zentrale Fragen daraus ableiten, die wir dann einzeln diskutieren
> sollten. Dann aber mit dem obigen Punkten als Diskussionprämisse,
> sonst drehen wir uns schnell wieder im Kreis.
>
> Eine Frage lässt sich direkt daraus ableiten:
> - Wie kann man eine Placebo-Therapie unter Berücksichtigung von Punkt
> 3 ausgestalten ?
>
> Gruß
> Thorsten
Ich finde die ersten beiden Punkte sehr gut, bei dem dritten habe ich so
meine Bauchschmerzen, wobei ich den Hintergrund kenne, der hier Vater
des Gedanken war. Vielleicht kann man auch einfach eine sanfte
Aufklärungskampanie anstoßen anstatt die Homöopathie weiter als
Alternative stehen zu lassen. Die Tatsache dass manche Menschen
anfänglich resistent gegen neue Erkenntnisse sind, ("Das haben wir schon
immer so gemacht") sollte uns nicht abschrecken neue Wege zu gehen.
Das zweite Problem sehe ich in der Tatsache dass der Großteil der
Patienten sich seine Medikamente ohne die Konsultierung eines Arztes
besorgt und da finde ich die Idee per Gesetz auf die Verpackung von
Homöopathiepräperaten diesen Warnhinweis zu schreiben gar nicht so
abwegig. Aber man müsste dann auch entscheiden bei welchen Medikamenten
man dieses Label für angebracht hält und bei welchen nicht. Wie trifft
man diese Entscheidung? Wenn man sich am Begriff orientiert könnten die
Hersteller ihre Produkte umbenennen und dann rennt man ewig hinter ihnen
her.
Mir fällt dazu noch etwas anderes ein. Wie wäre es denn, wenn man,
anstatt Placebos, direkt versucht an die Selbstheilungskräfte der
Patienten zu "appellieren" (mir fällt gerade kein passenderes Wort ein,
war ein langer Tag) und sie ermutigt mehr ihren eigenem Körper zu
vertrauen. Viele Menschen stehen ihrem eigenen Körper eher kritisch
gegenüber und haben eben daher das Bedürfnis an ihm "herum zudoktorn".
Zum Beispiel: Jeder kennt die Situation: Kratzen im Hals, oje, nächste
Woche ist aber ein sehr wichtiger Termin auf den ich mich vorbereiten
muss, ergo, ich darf auf keinen Fall krank werden, bin mir aber meiner
Schwächung bewusst und wirke aktiv dagegen, ohne in die typische
"ach-du-scheiße-jetzt-werde-ich-mit-Sicherheit-krank-Falle" zu tappen.
Ich ziehe mich wärmer an, ein Halstuch vielleicht und besonders viel
trinken und viel Schlaf und Voilà, ich werde nicht krank. Ich weiß, dass
ist ein bisschen überspitzt, aber so in etwa funktioniert das ja
psychisch. Ich bin kein Psychologe, der dass jetzt in treffendere Worte
packen kann, aber ich glaube ihr wisst, wo ich hin will, oder?
--
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