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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] System-Vergleich

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] System-Vergleich


Chronologisch Thread 
  • From: Wolfgang Gerstenhöfer <wolfgang.gerstenhoefer AT gmx.de>
  • To: "AG Gesundheit" <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] System-Vergleich
  • Date: Sun, 11 Mar 2012 19:47:49 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Ahoi zusammen,

für mich ist das ein "schönes" Beispiel dafür, daß wir eine radikale
Gesundheitsreform brauchen, die tatsächlich diese Bezeichnung Reform auch
verdient - kein neues Kostendämpfungsgesetz.

Ein bißchen GKV zur PKV und ein bißchen PKV zur GKV funktioniert eben nicht.
Eines muß man Ulla Schmidt allerdings lassen, sie hat nie einen Hehl daraus
gemacht, die PKV abschaffen zu wollen. Direkt hat sie es nicht erreichen
können, also hat sie es indirekt versucht. Dazu später mehr.

Was bei einer Staatskrankenversicherung mit dem Geld der Versicherten
geschieht, sieht man gerade sehr deutlich: Dr. Wolfgang Schäuble vereinnahmt
sie für den Bundeshaushalt. Ganz einfach und auch noch völlig legal.

Das kann bei einer privatwirtschaftlich organisierten Krankenversicherung
nicht passieren (Grundrecht auf Eigentum). Da bleibt das Geld im System, im
Eigentum der Versichertengemeinschaft(en).

Zurück zur Pleite:

Auch Pleiten gehören (leider) zu einer Marktwirtschaft. Ein
Staatsunternehmen - wie z. B. eine Krankenkasse - kann nicht insolvent
werden oder in Konkurs gehen. Da kann noch so schlecht gewirtschaftet
werden, es geht immer zu Lasten der Steuerzahler weiter.

Für die Versicherten ist das kein Problem. Sie müssen von anderen
Versicherern quasi übernommen werden. Für die Arbeitnehmer ist es natürlich
sehr schlecht. Deshalb brauchen wir gerade in Unternehmen ohne Unternehmer -
wie z. B. Aktiengesellschaften - eine gut ausgebaute und funktionierende
Mitbestimmung der Arbeitnehmer und eine viel stärkere Haftung der Vorstands-
und Aufsichtsratsmitglieder für die Folgen ihrer Entscheidungen ("Eigentum
verpflichtet").

Nun wieder zu Ulla Schmidt und ihrem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz –
GKV-WSG) - die Bezeichnung ist schon eine Glanzleistung der Agitation und
Propaganda.

Was hat die damalige Bundestagsmehrheit beschlossen?

Sie hat der PKV die Gewinnung neuer Kunden erschwert: Bisher schied ein
Arbeitnehmer aus der Versicherungspflicht in der GKV mit Beginn des
Folgejahrs aus, sofern sein Gehalt die Versicherungspflichtgrenze
überschritt und zu erwarten war, daß er auch im Folgejahr ein Gehalt
oberhalb der dann maßgeblichen Grenze bezieht. Seit dem 2.2.2007 sind
Arbeitnehmer erst dann versicherungsfrei, wenn ihr Gehalt die
Versicherungspflichtgrenze übersteigt und in drei aufeinander folgenden
Jahren überstiegen hat. Ebenfalls geändert haben sich die Regelungen für
Berufsanfänger. Diese waren bisher bei Bezug eines Gehalts oberhalb der
Versicherungspflichtgrenze von Anfang an versicherungsfrei. Auch für sie
gilt nunmehr, dass sie die Drei-Jahres-Frist abwarten müssen. Gleiches gilt
für Beamte und Selbständige, die in ein Angestelltenverhältnis wechseln.

Sie überzieht die PKV mit Bürokratie: Ein Basistarif muß seit dem 1.1.2009
von allen Versicherungsunternehmen mit Sitz in Deutschland angeboten werden,
welche die private Krankheitskostenvollversicherung anbieten. Der Basistarif
muß sowohl als 100-Prozent-Absicherung als auch in einer beihilfekonformen
Variante angeboten werden. Zudem muss er als Variante für Kinder und
Jugendliche bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres angeboten werden. Die
Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, nachfolgenden Personen
Versicherung im Basistarif zu gewähren: Personen, die zum Zeitpunkt der
Einführung des Basistarifs am 1.1.2009 bereits freiwillig gesetzlich
versichert sind, sofern sie dies bis zum 30.6.2009 beanspruchen, Personen,
die erst nach dem 31.12.2008 freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse
werden, innerhalb von sechs Monaten nach Begründung ihrer freiwilligen
Mitgliedschaft, allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die weder in der
gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, noch
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beanspruchen können, noch
Sozialhilfe erlangen (Ausnahme: Leistungen nach dem 5., 8. und 9. Kapitel
SGB XII), Beihilfeberechtigten, die einen die Beihilfe ergänzenden
Versicherungsschutz benötigen und Privat Versicherten mit Wohnsitz in
Deutschland, die ihren Versicherungsvertrag ab dem 1.1.2009 abgeschlossen
haben. Mit diesem Basistarif ist ein ziemlich hoher Verwaltungs- und
Prüfungsaufwand verbunden.

Dies kann tatsächlich zu Pleiten in der PKV führen und war von Ulla Schmidt
auch gewollt.

Deshalb meine nicht neue Bitte: Bitte vergleicht Äpfel nicht mit Birnen.

Ich will nicht die bisherige PKV für alle und schon gar keine
Bürgerversicherung (= Einheitszwangskrankenversicherung).

Wir müssen aus PKV und GKV ein neues System unter dem Motto "So viel Markt
wie möglich und so viel Staat wie unbedingt nötig" machen.

Piratig-liberale Grüße
Wolfgang


----- Original Message ----- From: Morgan le Fay
To: AG Gesundheit
Sent: Saturday, March 10, 2012 11:06 AM
Subject: Re: [AG-Gesundheit] System-Vergleich




Am 10.03.2012 09:32, schrieb syna:

Ganz aktuell:

Pleite bei Privatversicherungen
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,818847,00.html

Mein Kommentar: Interessanter Artikel zum derzeitigen
Status der PKVen und deren Problemen.

Hintergrund: Ulla Schmidt hatte mit ihren Reformen eine Annäherung zwischen
GKV und PKV versucht: Die PKV solle auch etwas "Solidarlast" tragen, indem
sie z.B. Mitglieder NICHT rausschmeißen darf, wie die GKV ja auch. Fast alle
anderen Privilegien blieben sogar erhalten. Trotzdem schaffen es die PKVen
nicht, effizient zu wirtschaften, sie müssen Ihre Einnahmen über Gebühr
steigern, um überhaupt bestehen zu können. Dies Ulla Schmidt anzulasten ist
ziemlich perfide.


Moin,

volle Zustimmung! Der Artikel, der in gleichem Wortlaut auch bei T-Offline
erschien, ist an unlauterer Stimmungsmache kaum zu überbieten.
Liest man dort die Kommentare der "breiten Masse" dazu, wird klar, dass man
in Ulla Schmidt einen Sündenbock für schier alles gefunden hat.

1.) Die Finanzprobleme der PKV sind nicht neu und nicht von den säumigen
Zahlern oder jenen verursacht, die oft als Selbständige scheitern und dann
in einen Basistarif rutschen. Oder Ältere, deren Beiträge explodieren und
die sie nicht mehr aufbringen. Übrigens gilt der Kündigungsschutz erst seit
2010 und nicht seit Ulla Schmidt.
2.) Die GKV hat ähnliche Probleme, denn über 600.000 Versicherte bringen
ihre (Zusatz-)Beiträge nicht (pünktlich) auf.
3.) Wohin hätten die Kritiker einer Ulla Schmidt denn die Leute, die sich
die PKV nicht mehr leisten können, hingesteckt??

Vor gut 2 Jahren ist ein guter Bekannter von mir an offenen Beinen
gestorben, der sein Leben lang gut als Flugzeugingenieur verdient hatte,
aber durch widrige Umstände (u.a. Auszahlung der Geschwister nach einem
Erbe) alles verlor. Seine PKV hatte im gekündigt, die GKV wollte 4
Jahresbeiträge nachentrichtet haben, was er sich nicht leisten konnte.
Bevor er Transferleistungen bewilligt bekam, ist er unversichert gestorben.
Soviel zu dem Dummgeschwätz im Spiegel und bei T-Online!!

Gruß
Harry






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