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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden!

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden!


Chronologisch Thread 
  • From: "info AT pater.net" <info AT pater.net>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Die PKV muss abgeschafft werden!
  • Date: Tue, 13 Dec 2011 12:20:30 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Sorry, falls ich vielleicht etwas am Thema dieser Gruppe vorbeigeschrieben habe.

Nebenbei: Kraftfahrzeuge sind sicher nicht in jedem Fall ein Luxusgut, oder sollen alle zur Arbeit laufen oder auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen, die oft genug nicht zur Verfügung stehen?

Materialistisch. Aber bezahlt werden muß das System doch. Und selbstverständlich muß auch die Diskussion geführt werden, auf welchem Level die Gesundheitsversorgung ein Menschenrecht ist (Stichwort Priorisierung). Und ob man sich damit anfreunden kann oder nicht, man muß auch die Fragen nach den verfügbaren Ressourcen stellen und da kann man sich durchaus einen "Verteilungskampf" vorstellen. So ist vielleicht eben die menschliche Natur.

Die Frage aber bleibt unbeantwortet:

"...ob es in Ordnung ist, dass der eine Patient sich "mehr Behandlung" leisten
kann als der andere..."


Ist ein Modell "Grundversorgung für alle" sinnvoll?
Ist ein Modell "Maximalversorgung für alle" machbar?

Ich glaube, die Auseinandersetzung mit diesen Fragen erlaubt erst ansatzweise eine qualifizierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob man die "PKV" abschaffen sollte.

Gedankenspiele:
Eine kleine Gruppe "Reicher" baut sich ein eigenes Krankenhaus. Rein privat. Verbieten?
Eine große Gruppe "mit gehobenem Einkommen" gründet einen Verein (~PKV)... es gibt bereits zunehmend Leistungserbringer/Arztpraxen, die nur "Privatpatienten" behandeln. Abschaffen?

Danach sollte dann vielleicht auch mal darüber nachgedacht werden, welche Effekte denn von der "Abschaffung der PKV" tatsächlich zu erwarten wären;
neben den vermuteten, immensen Zuflüssen zur GKV gibt es auch Aspekte wie "Familienversicherung" zum Null-Tarif...

Gruß
kp




Am 13.12.2011 09:20, schrieb haarbrandt:
Porsche und Polo sind Luxusgüter, der Zugang zu der
Gesundheitsversorgung Menschenrecht. Auch gibt es arm und reich, aber
wo mir dadurch in der Medizin eklatante Nachteile entstehen kann ich
mich mit diesem materialistischen Denken ehrlich gesagt nicht
anfreunden.

Birger


Am 13. Dezember 2011 09:04 schrieb info AT pater.net<info AT pater.net>:
Moinsen, ...

... und dabei dürfte (nach meiner Meinung) die etablierte Software der
Postbank kaum an die im Gesundheitswesen eingesetzten Softwaresysteme
heran reichen. Was ja meine Aussage unterstützen würde. Und die
eingesetzten Softwaresysteme sind sicherlich nur ein bescheidener Anteil
des "Gesundheitssystems".

Um dein Bild des Ozeandampfers zu benutzen, es ist weder Kohl noch
Schröder noch Merkel als Kapitän unmittelbar vorzuwerfen, dass sie eine
Kursänderung nach rechts oder links angestoßen haben. Ihnen fehlten
einfach die Mittel, vorherzusehen, dass sie damit auf einen anderen
Eisberg zusteuerten.

Die Frage der Finanzierung des Gesundheitssystems lässt sich sicher
nicht dadurch beantworten, indem man überlegt die eine oder andere
Finanzquelle (PKV, GKV) besser oder gerechter sei oder ob die
Abschaffung des einen oder anderen Systems irgendetwas verbessern könne.
Das Erfahrungswissen darüber ist schlichtweg nicht da und so würde
letztlich auch eine Änderung hier nichts anderes bedeuten, als den Kurs
des "Dampfers" zu ändern ohne dabei zu wissen, ob nicht gleich hinter
dem Horizont die nächsten Eisberge lauern.

Viele Argumente hier laufen doch letztlich auf die Beantwortung einer
"Gerechtigkeitsfrage" hinaus. Würde dies wirklich weiter helfen? Ich
sehe diese Bemerkungen jedenfalls in einem anderen Kontext, der
eigentlich nichts zur Sache beitragen kann. Meines Erachtens ist die
zentrale Frage, welchen Kapitalbedarf das System hat und wie der
gestellt werden kann.

Und da muss man dann auch die Frage stellen, ob es eine einheitliche
medizinische Versorgung geben soll oder ob es in Ordnung ist, dass der
eine Patient sich "mehr Behandlung" leisten kann als der andere. Lässt
sich das vergleichen mit der Frage, ob es "gerecht" ist, dass der eine
einen Polo fährt und der andere einen Porsche.

Gibt es eigentlich (im Kreise der Piraten) schon die Diskussion eines
steuerfinanzierten Gesundheitssystem?

Gruß
kp




Am 12.12.2011 21:45, schrieb haarbrandt:
Der Einwand ist richtig. Aber hast du mal die Freude gehabt eine
etablierte Software auszutauschen? Die Postbank schafft das seit 20
Jahren nicht. Nicht nur, weil es sehr komplex ist, sondern auch, weil
man einen laufenden Betrieb hat, der auf keinen Fall gestört werden
darf. Deswegen sollte man auch nicht den großen Umbruch machen, das
ist auch gar nicht notwendig. Unter Kohl hätte man 16 Jahre Zeit
gehabt, aber vermutlich braucht man wie bei Atomkraft erst einen
Konsens, damit wechselnde Kapitäne des Ozeandampfers nicht erst nach
links und dann wieder nach rechts steuern und letztendlich die MS
Deutschland auf den Eisberg zurast.

</welt-online-niveau>

Nur kurz zum letzten Punkt der Finanzierung durch die PKV: es gibt
keinen Grund, warum man nicht das Einkommensniveau durch eine
Umstellung der Vergütung nicht auf den jetzigen Stand halten können
soll. Über eine Mischkalkulation ist das möglich. Auch sollte die eine
Seite der anderen nicht unterstellen, dass das mit der Umstellung
nicht getan ist. So naiv und blöd ist hier sicherlich niemand.
Deswegen, lasst uns das in ruhe nun bearbeiten und uns erst wieder
flamen, wenn halbwegs fertige Anträge durch sind. Ansonsten führt das
doch zu nichts!

Und nun viel Spaß bei programmatischer arbeit, auch wenn man mit
solchen Threads hübsch leicht viel Blindleistung produzieren kann.

Schönen Abend und viele Grüße,

Birger



Am 12. Dezember 2011 21:16 schrieb info AT pater.net<info AT pater.net>:
Hallo erst mal,

ich weiß nicht, ob Sie es schon wussten,...

...aber manche Systeme sind schlichtweg zu komplex, um sie zu "renovieren".
Was meines Erachtens fehlt, ist ein umfassendes Alternativmodell. Seit
Jahrzehnten wird immer wieder "reformiert" und in Teilbereichen neu
strukturiert, um dann kurze Zeit später festzustellen, dass die
beschlossenen Reformen wiederum "Nebenwirkungen" in andere Bereiche des
Systems haben, die vorher nicht gesehen wurden und dann doch als unerwünscht
gelten.

Und ich behaupte mal, alle Experten des Landes sind zusammen nicht in der
Lage, das komplexe System "Gesundheitssystem" in seiner Gesamtheit zu
überblicken. Angefangen bei der Akquise der Finanzmittel mit allen
bürokratischen "Ballaststoffen" (z.B. ELENA, Verfallszeit ca. 2 Jahre) bis
hin zur Verteilung derselben an die "Leistungserbringer" des Systems. Wer
kann denn behaupten, auch nur ansatzweise einen Überblick über das ganze
System zu haben. Regelmäßig versagen die Modellrechnungen, es wird versucht
nachzubessern, und so weiter...

Immer mehr Bürokratie versucht scheinbar Herr der Lage zu werden, aber
häufig schimmern da dann Interessen einzelner Player oder Gruppen durch,
nicht zuletzt der Bürokraten in eigener Sache. "Selbstverwaltung" nennt sich
das dann häufig.

Alle wollen Leben, auf die eine oder andere Art, auf die eine die
Bürokraten, Ärzte, Apotheker, Pfleger etc. und auf die andere natürlich die
Patienten.

Meines Erachtens müssen erst mal gesellschaftlich grundsätzliche Fragen
geklärt werden, bevor einzelne "Reformvorschläge" hitzig diskutiert werden.
So ist es doch paradox, dass auf der einen Seite strenge gesetzliche
Reglementierungen und Markteingriffe gelebte Realität sind, auf der anderen
Seite "freie Marktwirtschaft" ebenso gelten soll. So als ob Feuer und Wasser
Geschwister sein könnten.

Ich denke, der Fisch stinkt vom Kopf her, z.B. anno 2001, als die
Pharmaindustrie in der "Bordeaux-Runde" ein "Reformvorhaben" der Regierung
"kauft".

<snip>

*Wie soll ich einem jungen Menschen*, der ins Erwerbsleben eintritt,
erklären,
dass er Sozialabgaben zahlen muss - es gleichzeitig aber eine Gruppe
Privilegierter gibt, die das nicht tun muss?
</snip>

Tja, und wie willst du erklären, dass der eine mehr verdient als der andere?
Das in Bayern die Sonne scheint und es in Niedersachsen regnet?
Der eine fährt einen Polo der andere einen Porsche?
Wo willst du denn da ansetzen?

<snip>

*Wie soll ich ihm erklären*, dass er im Falle einer schweren Krebserkrankung
nicht von den besten Spezialisten behandelt wird (obwohl dies ökonomisch
möglich wäre)?
</snip>

Auch kapazitiv?
Funktioniert nicht so die Marktwirtschaft?
Angebot und Nachfrage?
Will nicht jeder die beste Behandlung?

<snip>

*Wie soll ich ihm** erklären*, dass er sehr wohl Solidarabgaben
(etwa 1/3 in der GKV) zahlen muss, selbst aber tendenziell schlechter
behandelt wird und im Falle einer schweren OP Opfer der Drehtürmedizin
werden wird?
</snip>

s.o.

Ganz nebenbei behaupten ja die meisten Ärzte, dass Sie ohne
"Privatpatienten" die "GKV-Patienten" gar nicht mehr vernünftig behandeln
könnten. Und einige Privatpatienten trauen sich schon nicht mehr zum Arzt,
weil der nur überflüssige Dinge macht, da er ja hemmungslos abrechnen kann,
im Geheimen nur zum Wohle der GKVler ... :-))

Gruß
kp



Am 12.12.2011 17:36, schrieb syna:


Das Thema, die Forderung: "*Die PKV muss abgeschafft werden*"
wird von einigen gerne als Neid-Debatte abgetan. Ist es
eine Neid-Debatte - oder ist die Forderung vielleicht berechtigt
bzw. ungedingt erforderlich?

Thema "Neid-Debatte":

----------------------------------------------------------------------------------------------------

In diesen Zeiten - Zeiten stärkerer gesellschaftlicher Spaltung - und mit
dem Hintergrund der Vision einer "demokratischen Gesellschaft" ist
es skandalös, wenn eine kleine Gruppe so extrem wie die PKV-
Versicherten ihre Privilegion auf Kosten aller anderen aufrechterhalten
will.

Dass dies bis heute überhaupt geschehen konnte, ist der Komplexität
der Geldflüsse auf der Erhebungsseite des Gesundheitssystems und
der extremen Verwerfungen (Fehlallokationen) im Gesundheitssystem,
die von außen für viele schwer erkennbar sind, geschuldet. Und es ist auch
Resultat der Tatsache, dass die Privilegierten (Politiker, Redakteure,
Beamte, Manager usw.) sehr großen Einfluss auf die Meinungsbildung
in TV und Printmedien haben.

*Die Bevorzugungen der Privilegierten* sind - leider - keine Kleinigkeiten
oder
"nur" Schieflagen der (sozialen) Gerechtigkeit. Nein, sie greifen das
Selbstverständnis unseres Staates an, zermürben die Gemeinschaft
und ruinieren sogar unseren gemeinsamen Wohlstand.

Bei den geforderten Reformen zur gesellschaftskompatiblen Zähmung der
Privilegierten (= z.B Abschaffung oder Solidarisierung der PKVen) geht es
nicht um eine Umverteilung des Wohlstandes, sondern um die
*Schaffung von Gerechtigkeit*, um unseren Wohlstand langfristig zu
sichern und zu mehren. Was die vom Unrecht Profitierenden als Neid abtun,
ist in Wahrheit die Grundlage für den politischen Konsens
in unserer Gesellschaft.

Was passiert denn, wenn Ihre Tochter, ihr Sohn ernsthaft erkranken,
Sie aber keinen Zugang zu den Spezialisten für diese Krankheit haben?
Es geht dann um Leben und Tod - und so ist auch die Debatte im
Gesundheitssystem keine einfache "marktwirtschaftliche" Debatte,
sondern es ist eine *Debatte um den Wert eines Menschen*, es
ist eine Debatte um den *Eid des Hippokrates*.

Diese Debatte, diese Forderung ist für unsere Gemeinschaft *elementar*.
So eine Debatte als Neid-Debatte abzutun halte ich für wirklich
extrem menschenverachtend, für absolut asozial.

----------------------------------------------------------------------------------------------------

*Wie soll ich einem jungen Menschen*, der ins Erwerbsleben eintritt,
erklären,
dass er Sozialabgaben zahlen muss - es gleichzeitig aber eine Gruppe
Privilegierter gibt, die das nicht tun muss?

*Wie soll ich ihm erklären*, dass er im Falle einer schweren Krebserkrankung
nicht von den besten Spezialisten behandelt wird (obwohl dies ökonomisch
möglich wäre)?

*Wie soll ich ihm** erklären*, dass er sehr wohl Solidarabgaben
(etwa 1/3 in der GKV) zahlen muss, selbst aber tendenziell schlechter
behandelt wird und im Falle einer schweren OP Opfer der Drehtürmedizin
werden wird?


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