ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: Christoph Mayer <CU_Mayer AT Menschen-gerechte-Gesellschaft.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen
- Date: Thu, 12 Feb 2015 21:33:16 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hi Wolfgang,
> Am 12.02.2015 um 19:40 schrieb moneymind
>
> Hi,
>
> Habe heute nochmal in Stützels "Paradoxa" gelesen, bis ca. S. 26.
>
> Mir leuchtet folgendes ein:
>
> Wenn Käufe und Verkäufe im Gleichschritt stattfinden, entsteht kein
> nennenswerter Kreditbedarf. Der Kreditbedarf ist also ein reines
> Vorsprungphänomen.
>
> Bedeutet das nicht im Umkehrschluß: wenn wir die gegenwärtige Situation als
> "Schuldenkrise" oder wahlweise auch "Guthabenkrise" wahrnehmen und die
> Ursachen im "Geldsystem" vermuten - übersehen wir dann nicht die sozusagen
> darunter verborgenen Kaufs-/Verkaufs-Ungleichgewichte, die sozusagen das
> Primärphänomen wären?
Die gibt es natürlich. Ich habe Stützel leider nur ein Stück weit gelesen
(die Zeit…). Dazu habe ich folgende Gedanken:
- Die Primärverteilung definiere ich als das, was nach dem Kauf (=Ursprung
des BIP) passiert. Insgesamt gehen da grob gesagt 1/3 an Arbeitsentgelt, 1/3
an Steuern/ Sozialabgaben und 1/3 an Vermögenseinkommen. Und letzteres hat
die höchste Sparquote, stört den Kreislauf am meisten. Darüber hinaus sorg
yes dafür, dass der Arbeitsmarkt gestört ist, denn wenn jemand 3h arbeiten
muss, um sich eine leisten zu können, muss er viele Wochenstunden arbeiten,
um sein Leben zu bestreiten, was anderen die Möglichkeit zur Arbeit wegnimmt.
- Es gibt ein System von Samirah Kenawi, das Geld beim Verkauf entstehen
läßt. Das entspricht einer früheren Gepflogenheit, einen Kauf „auf dem
Kerbholz“ einzuritzen. Da würde immer ein Gegenwartswert verwendet werden.
Leider hat diese Idee sehr viele praktische Schwachpunkte (Umsetzung).
- Wenn man alles in der Vergangenheit bis heute verwendet, um die bisherige
Wertschöpfung zu erfassen (das ist ja messbar und daher gerecht verteilbar)
und diese durch kreditloses Geld ersetzt, ist schon viel gewonnen. Die
Zukunftsprojektion kann ja kreditbasiert bleiben, macht dann nur noch einen
Bruchteil des Ganzen aus.
> Das scheint mir eine ganz essentielle Einsicht zu sein, die aber ja gerade
> bei den Leistungsbilanzungleichgewichten zwischen den verschiedenen Ländern
> offensichtlich ist - aber natürlich nicht nur dort gilt, sondern ganz
> generell.
>
> Habt ihr das hier schon mal systematisch thematisiert? (Ich erinnere mich
> nicht daran, bin aber ja auch noch nicht so lange dabei)
Meiner Kenntnis nach nein.
> Das Thema eines Systems für den systematischen Ausgleich solcher
> Ungleichgewichte, die ja - laufen sie permanent in dieselbe Richtung weiter
> - zu wachsendem Kreditbedarf führen, und, werden sie nicht umgekehrt, zu
> Spannungen zwischen Gläubigern und Schuldnern führen, wäre damit ein
> absolut zentrales, von uns bisher gar nicht wirklich systematisch
> thematisiertes Thema.
>
> Umverteilung über Besteuerung wäre eine mögliche Form des Ausgleichs
> solcher Ungleichgewichte (und damit der Vermeidung von Spannungen zw.
> Gläubigern und Schuldnern), allerdings eine Form, die eine staatliche
> Autorität voraussetzt.
Die Vermögenssteuer wäre eine gangbare Form. Nur ist sie schwer
durchzusetzen, negativ behaftet. Auch hier würde Aufklärung helfen, eine VS
mit hohem Freibetrag bringt keine Nachteile für 90% der Bevölkerung und
stellt ein Stück weit die Funktionsfähigkeit des Kreislaufs wieder her.
Die Steueroasen sind alle Englische Kronkolonien und das Erpressungsmittel
gegen Staaten: Wer Steuern will, aus dessen Land wird das Geld erst mal
entzogen, weil es stets unfaire Alternativen gibt: „Schurkenstaaten“ mit
niedrigsten Steuersätzen, weil fast ohne Kosten für Infrastruktur und Bildung
und großen Einnahmen aus Kapitalverkehr.
Nach seiner Aussage wollte Lafontaine 1999 den Kapitalverkehr regeln und
einschränken, wurde aber von der Clinton-Administration deutlich darauf
hingewiesen, dass er keine Chance hat (Film „Wer rettet wen“).
> Eine weitere Form wäre eben Keynes' "international clearing union", oder -
> wie manche behaupten - frei floatierende Wechselkurse (was aber Christoph
> ja als Mechanismus beschrieben hat, das nicht wirklich zum Ausgleich von
> Ungleichgewichten dient, sondern letztlich dem Starkwährungsland nutzt und
> dem Schwachwährungsland schadet).
>
> Ist es nicht auch so, daß ... wenn kein nennenswerter Kreditbedarf
> entsteht, den Banken ein Betätigungsfeld wegfällt, diese also eher ein
> Interesse an Ungleichgewichten haben müßten?
Richtig. Überhaupt verdienen Banken immer an Schwankungen und Steigerungen,
auch an denen von Währungs- und Aktienkursen.
Nur, warum sollte man denen die Macht über unsere Wirtschaft geben?
> Ich kann das aber noch nicht wirklich präzise formulieren, erstmal mehr
> vage als "Ahnung" mit weiterem Klärungsbedarf, also als ein Set wichtiger
> Fragen, die ich im Hinterkopf behalte und denen ich nachgehen werde.
>
> Was meint ihr dazu, wie seht Ihr das?
>
> Zwischen Christoph und Gerhard scheint da ja eine gewisse Übereinstimmung
> zu bestehen, wenn sich beide - soweit ich sehe - dabei auch nicht direkt
> auf Stützel beziehen, sondern eher auf Keynes, der dies nicht so explizit
> und systematisch wie Stützel behandelt hat, dafür aber eine pragmatische
> Lösung auf der Basis dieser Einsicht erarbeitet hat (clearing union).
Stützel habe ich erst nach Entwicklung meines Konzepts entdeckt. Seine
Erkenntnisse passen aber perfekt in das Bild, was ich schon entwickelt hatte
und ergänzt es. Ich finde, die Saldenmechanik bringt Einfachheit und
mathematische Präzision rein, das hilft sehr z.B. bei der Argumentation
gegenüber bisher Unbedarften.
> Any ideas? Rolf will ja im nächsten mumble zu Stützels Paradoxa auf dieses
> Thema eingehen.
- [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 12.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, Christoph Mayer, 12.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, Rolf Müller, 12.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 12.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, David Finsterwalder, 12.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 12.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, David Finsterwalder, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Ausbeutung, was: Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, Rolf Müller, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Ausbeutung, was: Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, David Finsterwalder, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, Christoph Mayer, 13.02.2015
- Re: [AG-GOuFP] Kredit-/Zahlungsmittelbedarf = reines Vorsprungphänomen, moneymind, 12.02.2015
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.