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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Eine Geschichte zum Knobeln

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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Re: [AG-GOuFP] Eine Geschichte zum Knobeln


Chronologisch Thread 
  • From: Patrik Pekrul <patrik.pekrul AT hotmail.de>
  • To: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • Cc: AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Eine Geschichte zum Knobeln
  • Date: Sat, 4 Oct 2014 21:12:09 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>


Am 04.10.2014 um 18:51 schrieb Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>:

Eine Geschichte zum Knobeln
Aus dem Schülerbuch "Geld und Geldpolitik" der Deutschen Bundesbank, 2005

„Es war einmal ein höchst ehrenwerter und seriöser englischer Gentleman,
der seinen Sommerurlaub regelmäßig auf einer netten kleinen Insel im
Ägäischen Meer verbrachte. Er war dort Stammgast und seine Kreditwürdigkeit
war bei den Inselbewohnern über jeden Zweifel erhaben. Die
Inselbewohner hatten keinerlei Einwände dagegen, dass er alles per Scheck
bezahlte. Man hatte ja auf Grund der langjährigen Erfahrung die Gewissheit,
dass diese Schecks stets gedeckt waren. Der Engländer war auf der Insel
schließlich allen so wohlbekannt und genoss ein so großes Vertrauen, dass
die Inselbewohner sich sogar untereinander mit diesen Schecks bezahlten.
Wenn zum Beispiel der Restaurantbesitzer einen Teil seiner Zahlungen an
den Lebensmittelhändler mit einem Scheck, den er für ein Essen erhalten
hatte, leisten wollte, war das dem Lebensmittelhändler nur recht. Er konnte
dann mit dem Scheck seine Benzinrechnung begleichen,
und auf diese Art und Weise zirkulierten die Schecks des
Engländers auf der ganzen Insel. Das ging dann sogar so
weit, dass sie nie die Londoner Bank des Engländers zur
Einlösung erreichten.
Maurice Levi:
Ökonomie ohne Rätsel, Birkhäuser Verlag, Basel, 1982

Lustig, ich habe mal eine ähnliche Geschichte entworfen, um aufzuzeigen, wie das normale "geldgläubige" Volk, von Geldadel verarscht wird: 

"Ein reicher Mann fährt mit seiner goldverzierten Kutsche ins Dorf und macht am Gasthof halt. Der Wirt freut sich über den hohen Besuch und zeigt ihm sein bestes Zimmer. Während der reiche Mann durchs Zimmer streift, meint der Wirt verlegen: "Tut mir leid, sie fragen zu müssen, aber jedermann weiss und sieht wie reich sie sind; würden sie mir etwas Geld leihen, ich brauche es dringend!"

Der reiche Mann überlegt kurz und sagt: "Nun gut, so sei es. Ich kann dir das Geld aber nicht geben, da ich auf Reisen bin und es nicht bei mir trage. Aber jedermann kennt mich und weiss, dass ich ein Ehrenmann bin, also machen wir folgendes: Du unterschreibst einen Schuldschein, und erhältst im Gegenzug einen Schuldschein auf meinen Namen in selber Höhe. Du kannst die Schuld begleichen, indem du mir die Summe bezahlst, oder mir einen anderen Schuldschein in selber Höhe bringst - ich bin da nicht so. Ich verlange einzig, dass ich in diesem schönen Zimmer nächtigen darf und bei dir ein Abendmahl einnehmen kann." 

Der Wirt freut sich und schlägt ein. Nachdem der reiche Mann sich eingerichtet hat, geht er durch das Dorf und sieht in der Auslage des Schneiders einen schönen Mantel; er betritt also den Laden, und während er den Mantel probiert, bittet ihn auch der Schneider um Geld. Man einigt sich auf gleiche Weise, der reiche Mann verlangt für seine Gefälligkeit den Mantel. Der Schneider schlägt ein.

Nun kehrt der reiche Mann wieder ein, um sein Abendmahl einzunehmen. Dabei kommt er mit der Dorfhure ins Gespräch, die ebenfalls gerne Geld von reichem Mann hätte, um ihr verschlissenes Kleid durch ein neues zu ersetzen. Der reiche schlägt ihr also vor: "Kein Problem, ich leihe dir das Geld. Ich verlange nur, einmalig deine Dienst in Anspruch zu nehmen!" Man wird sich einig und verschwindet aufs Zimmer.

Derweil betritt der Schneider das Lokal mit seiner Familie und lässt es sich gut gehen. Er bezahlt mit dem Schuldschein auf den reichen Mann. Als es zu Abend geht und die Gäste verschwinden, will auch die Dorfhure von hinnen, aber der Wirt lädt sich noch auf ein "Weilchen" ein - er bezahlt mit seinem Schuldschein auf den reichen Mann.

Als der Morgen anbricht, läuft die Dorfhure zum Schneider und kauft sich das lang ersehnte Kleid, sie bezahlt - genau - mit dem Schuldschein auf den reichen Mann.

Hier nimmt die Geschichte nun zwei Wendungen:

Variante A:
Als der reiche Mann am morgen aus seinem Zimmer kommt, stehen der Schneider, der Wirt und die Hure Spalier. Die drei drücken ihm je einen Schuldschein in die Hand. Er zerreisst alle sechs Schuldscheine und wirft sie in die Flammen. Sodann steigt er in die Kutsche und fährt von hinnen. Während die Kutsche am Horizont verschwindet, kratzt sich der Schneider am Kopf und meint: "Er hat bei uns logiert und gegessen, hat sich einkleiden lassen und gef...., und was haben wir dafür bekommen?" "NICHTS!" schreien alle drei wie aus einer Kehle.

Variante B:
Die drei stehen morgens vor dem Zimmer des reichen Mannes und warten bis Mittags. Schließlich treten sie ein und stellen fest, dass der reiche unverrichteter Dinge abgereist ist. Sie jubeln, denn nun müssen sie ihre Schulden nicht mehr begleichen. Dann kratzt sich der Schneider am Kopf und meint: "Er hat bei uns logiert und gegessen, hat sich einkleiden lassen und gef...., und was haben wir dafür bekommen?" "Schuldscheine!" meint die Hure. Darauf der Wirt: "Ja, aber wenn wir damit bei ihm auftauchen, dann werden sie einfach gelöscht, faktisch haben wir..." "NICHTS!" schreien alle drei wie aus einer Kehle.

Wer es jetzt noch nicht verstanden, der soll sich doch weiter f... lassen ;-)"


• Wer hat denn nun eigentlich die Ferien des Engländers
bezahlt?

Siehe oben, alle die glaubten, dass Geld einen Wert hat :-)


Diese Geschichte ist mir in Erinnerung gekommen bei dem Thema "Verbrennen von Bargeld".

Patrik hat mE zurecht ausgeführt, dass durch das Verbrennen von 10.000 € Bargeld durch eine Nichtbank diese Geldmenge einfach vernichtet worden ist. Für den Zahlungskreis der Nichtbanken korrekt.

Muss man aber an dieser Stelle nicht auch die Entstehung der 10.000  näher ins Auge fassen?
Als Nichtbank möchte ich 10.000 € Bargeld in meiner Tasche haben. Hierzu nehme ich bei der Bank einen Kredit über 10.000 € auf. Um mir diese 10.000 € bar auszuzahlen, muss die Bank einen Kredit über 10.000 € bei der Zentralbank aufnehmen. Das dabei entstehende Zentralbank-Buchgeld lässt die Bank sich dann in Bargeld auszahlen und zahlt wiederum mir die 20 Scheine je 500 € aus. Diese Scheine sind Schuldscheine der Zentralbank und gleichzeitig allgemein akzeptierte Zahlungsmittel auf der Banken- und auch Nichtbankenebene.

Wenn ich jetzt die 20 Geldscheine zum Feueranzünden benutze, habe ich die Schuldscheine der Zentralbank endgültig vernichtet. Geblieben sind jedoch meine Schulden einschl. Zinszahlungen gegenüber der Geschäftsbank. Auch die Schulden der Geschäftsbank gegenüber der Zentralbank sind geblieben und müssen weiterhin mit Zinsen bedient werden. Die Zentralbank hat hingegen auf der Passivseite 10.000 € an Bargeld stehen und muss theoretisch damit rechnen, dass diese irgendwann zur Einlösung in Zentralbank-Buchgeld vorgelegt werden.

Nicht erkennen kann ich, wie hier das Eigenkapital der Geschäftsbank oder der Zentralbank steigen sollte?

Da hast du allerdings recht, interessanter Punkt.

Solange in der real existierenden Welt die Zentralbank nicht weiß, dass die 10.000€ im Ofen gelandet sind - und woher sollte sie wissen? - wird sich an der Bilanz der Zentralbank genau gar nichts ändern. Wenn sie aber irgendwie mitbekommt, dass die 10.000€ weg sind, dann sind auf der Passivseite der Bargeldumlauf, während die Aktivseite unverändert bleibt, somit steigt ihr Eigenkapital. Ich vermute, dass in der real existierenden Wirklichkeit, die Zentralbank tatsächlich keine Ahnung davon hat, wie viele ihrer Banknoten tatsächlich "draussen" sind; sie wird den Bargeldumlauf wohl erhöhen, wenn sie Noten herausgibt, und reduzieren, wenn welche zurückkommen. Da nie eine "Generalinventur" stattfindet, ist der tatsächlich Bestand reine Spekulation.

Interessante Konsequenz: Wenn die ZB diese Korrektur in ihrer Bilanz nicht nachvollzieht, ist das verbrannte Geld in der Tat ersatzlos weg.

Es fehlt auch nicht, um den Kredit zu bedienen; dieses Thema hatten wir ja schon vor Urzeiten zum Thema Zins diskutiert, man kann auch mit weniger Scheinen als Schulden alle Schulden bedienen, denn man kann einen Schein x Mal verwenden, entscheidend ist das Einkommen nicht der Geldbestand. Wie das Delta zwischen Schulden und Geldbestand zustande kommt, ob durch Zinsen (Schulden werden größer als Geldbestand) oder durch Bargeldvernichtung (Geldbestand wird kleiner als Schulden) ist qualitativ unerheblich.









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