ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
- To: moneymind <moneymind AT gmx.de>
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB
- Date: Wed, 1 Oct 2014 15:42:06 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Am 01.10.2014 um 09:44 schrieb moneymind <moneymind AT gmx.de>:
> Hallo Arne,
>
>> der Geldschöpfungsgewinn ist eigentlich kein „free lunch“. Wenn jemand vor
>> dem Zähler das Stromnetz anzapft, dann ist dieser Strom für den Abnehmer
>> eine Art „free lunch“ - aber die korrekte Bezeichnung ist m.E. Diebstahl.
>
> Mir wäre es recht, wenn Du die vagen/suggestiven Analogien aus dem Spiel
> lassen könntest und stattdessen präzise beschreibst/erklärst, was Du
> meinst. Danke.
Hallo Wolfgang,
wie du weißt liebe ich Analogien und ich bin weit davon entfernt dich damit
suggestiv zu unterwandern. Was ich erreichen möchte ist, dass man die
Struktur eines Sachverhaltes erkennt, indem man diese Struktur in einem
analogen Sachverhalt wieder erkennt. Dieses Wieder-Erkennen soll dazu
beitragen, dass man einerseits Abstand zu seiner eigenen Sichtweise bekomme
und andererseits man sich der eigenen Sichtweise bewusster wird.
>
>> Die Vorstellung, dass Geld aus dem Nichts entsteht, ist aus meiner Sicht
>> der Dinge so, wie wenn jemand glaubt, dass der Strom nicht nur aus der
>> Steckdose kommt, sondern auch dort erzeugt wird und die ganzen Strommasten
>> nur die Landschaft verschandeln und die Kraftwerke nur die Umwelt belasten
>> - und insbesondere nichts, aber auch gar nichts mit dem Strom zu tun
>> haben, der aus der Steckdose kommt.
>
> "Geld entsteht aus dem Nichts" ist v.a. eine wenig aussagende Leerformel.
> Hier ging es ja um etwas anderes: bei der Münzgeldschöpfung schafft sich
> der Staat Vermögen "aus dem Nichts" (die Differenz zw. Materialkosten und
> Nennwert der von der ZB zum Nennwert angekauften Münzen).
>
>> Geld könnte man auch als „Rechtsenergie“ bezeichnen, die Rechtssubjekte zu
>> einem bestimmten Tun, Unterlassen oder Erdulden zwingt oder antreibt.
>
> Forderungen (Zivilrecht, Schuldrecht) kann man als Rechtsenergie
> bezeichnen, da bin ich ganz mit Dir einig. Forderungen können prinzipiell
> auch alle Geldfunktionen erfüllen, daher ist ein reines Kreditgeldsystem
> auch möglich. Aber nicht jegliches Geld war immer nur eine Forderung (z.B.
> Goldmünzen) - Sachgeld gab es durchaus auch.
Völlig richtig!
Kurantmünzen und Sachgeld sind in dieser Analogie keine Rechtsenergie,
sondern Rechtsmassen.
Kurantmünzen und Kreditgeldmünzen unterscheiden sich zwar nicht wesentlich im
Zahlungsverkehr, aber sie funktionieren anders.
Für Kurantmünzen brauch ich kein Schuldrecht, weil „gleichwertige“ Sachen
ausgetauscht werden und kein Schuldverhältnis entsteht oder im Spiel ist. Das
ist auch der Grund, dass für schuldrechtlich weniger entwickelte
Gesellschaften, Kurantmünzen und Sachgeld die geeigneteren Zahlungsmittel
darstellen.
Gesellschaften mit Kurantgeld oder Sachgeld sind weniger dynamisch als
Gesellschaften mit Kreditgeld, weil die „Rechtsenergie“ aus dem
Währungssystem fehlt, die die Menschen und Unternehmen auf trapp hält.
> Natürlich hat auch dieses eine rechtliche Seite (Eigentumsrecht). Kann man
> das aber als "Energie" bezeichnen?
Nein.
Eigentumsrechte sind Rechtsmassen, die mit Hilfe von Rechtsenergie bewegt
werden.
Die Rechtsmasse von Rechtsenergie ist wie in der Physik gleich 0, weil sich
eine Forderung mit der zugehörigen Verbindlichkeit ausgleicht.
>
> Die "Energie" (naja, schon wieder so eine vage Metapher) der Forderungen
> besteht ja in der vertraglichen Verpflichtung des Schuldners, die der
> Gläubiger durchsetzen kann. Die Verpflichtung "treibt" den Schuldner an
> bzw. begründet für ihn bestimmte Handlungsmotive (Tilgung).
>
>> Kredit-Geld besteht aus Rechtsbeziehungen. Das eine Ende dieser Beziehung
>> nennt man Forderung, das andere Ende Verbindlichkeiten. Forderungen und
>> Verbindlichkeiten sind zueinander inverse Elemente. Und zueinander inverse
>> Dinge haben tatsächlich die Eigenschaft, dass sie in einem gewissen Sinne
>> aus dem Nichts entstehen und ins Nichts verschwinden. Das ist wie bei der
>> Stromspannung. Wenn man ein Spannungspotential überbrückt, dann wird aus
>> z.B. +12 V und -12 V 0V.
>
> Ja, seh ich genauso.
>
>> Ich glaube aber nicht, dass diejenigen, die sagen, dass Geld aus dem
>> Nichts entsteht, an diese inversen Eigenschaften von Forderungen und
>> Verbindlichkeiten gedacht haben.
>
> Wir waren ja beim Münzgeld. Wo ist für Dich die Verpflichtung, die durch
> die Seignorage entsteht, genau?
Das hängt von der zugrundeliegenden Theorie ab.
1. Aus der Sicht meiner „Einheitstheorie“ (Münzen, Banknoten und Giralgeld
sind alles Ansprüche auf Geld, die lediglich unterschiedlich nachgewiesen
werden.) lautet die Antwort:
Die Verbindlichkeit liegt beim Bund. Würde der Bund eine Bilanz erstellen,
dann hätte er genauso wie die Bundesbank für die Banknoten eine
Bilanzposition auf der Passivseite mit der Bezeichnung Münzen im Umlauf.
2. Aus der Sicht der (Bundesbank-)Theorie: "Münzen sind kein Geld, sondern
nur Hilfsmittel zur Vereinfachung des Barzahlungsverkehrs.“ lautet die
Antwort:
Münzen sind nicht wie in der 1. Theorie zinslose Inhaberschuldverschreibungen
(= Wertpapiere), sondern nur Sachen, die im Zahlungsverkehr genauso verwendet
werden dürfen, wie Banknoten.
In diesem Fall gibt es keine Verbindlichkeitsseite und daher auch keine
Verbindlichkeit und Verpflichtung.
Tatsächlich aber ist der Bund verpflichtet abgenutzte Münzen zu ersetzten
oder gegen Banknoten oder ZB-Giralgeld einzutauschen. Diese Verpflichtung
wird aber von der Bundesbank als Erfüllungsgehilfe wahrgenommen.
Aufgrund dieses Widerspruchs halte ich die 2. Theorie für falsch.
>
>> Die Gegenleistung des Staates für den Geldschöpfungsgewinn ist die
>> Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Schuldrechts.
>
>
> Das kann man so sehen - stimme zu. Der Staat bräuchte aber für die
> Aufrechterhaltung und Durchsetzung des Schuldrechts keinen
> Geldschöpfungsgewinn - er könnte das trotzdem problemlos machen.
Völlig richtig.
Der Staat könnte auch für die Banken alle Bürogebäude bauen und sie den
Banken kostenlos zur Nutzung überlassen. - Auch das würde problemlos
funktionieren.
Ich bezweifle aber, dass eine solche Maßnahme im Sinne des Gemeinwohls und
der fairen Gleichbehandlung wäre.
Was ich eigentlich nur sagen will ist, dass der Staat, die von ihm
geschaffenen Ressourcen weder verschenken noch verschleudern sollte, sondern
zum angemessen Preis verkaufen und den Gewinn für seine Aufgaben einsetzen.
>
>> Ohne Schuldrecht kein Kreditgeld und keine Kreditverträge. Stell dir vor
>> der Staat würde ein Gesetz erlassen, dass Ansprüche auf Geld nicht mehr
>> eingeklagt werden könnten. Ich bin überzeugt, dass noch bevor das letzte
>> Wort eines solchen Gesetzes verkündet ist, wäre bereits der gesamte
>> Bankensektor zusammengebrochen und mit ihm alles GB-Giralgeld verschwunden.
>
> Ja, natürlich.
>
>>> (Daß sich aus der Giralgeldschöpfung der GBen per se irgendein free lunch
>>> ergäbe, sehe ich bisher nicht -
>> Stell dir vor, dass das gesamte GB-Giralgeld abgeschafft werden würde.
>> Dann müssten alle Zahlungen und Kredite mit Zentralbankgeld abgewickelt
>> werden. Die Zentralbankgeldmenge würde sich entsprechend erhöhen und
>> müsste von der Zentralbank gekauft oder geliehen werden. Diese Einnahmen
>> abzüglich der Herstellungs- und Betriebskosten des Währungssystem sind der
>> realisierte Geldschöpfungsgewinn. Dieser Gewinn wäre erheblich höher als
>> der derzeitige Gewinn der Zentralbanken. Die Differenz aus den beiden
>> Systemen ist der „free lunch“ des Bankensektors.
>> Aber wie gesagt handelt es sich m.E. nicht um einen wirklichen „free
>> lunch“, sondern um Diebstahl.
>
>
> Sorry, bei dieser gewagten Konstruktion kann ich nicht wirklich folgen,
> Arne. Sie lebt ja von der a-priori-Voraussetzung, nur der Staat dürfe
> Zahlungsmittel schaffen.
Nicht ganz.
Aus meiner Sicht der Dinge ist das, was als Geldschöpfung bezeichnet wird,
der letzte Schritt in einer viel größeren Prozess und vergleichbar mit dem
Kopieren eines Programms.
Natürlich kann man jetzt die Auffassung vertreten, dass der Staat auf Kosten
der Allgemeinheit die Programme entwickeln, warten und den
Second-Level-Suport stellen soll. Die Aufgabe der Banken besteht darin die
Programme zu kopieren, zu nutzen und möglichst teuer an ihre Kunden zu
verkaufen.
Sorry, bei dieser Konstruktion habe ich das Gefühl, dass sie nicht ganz
ausgewogen ist, Wolfgang. Sie lebt ja von der a-priori-Voraussetzung, dass es
in Ordnung ist, wenn Kosten sozialisiert und Nutzen privatisiert wird. :=)
Viele Grüße
Arne
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- Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB, (fortgesetzt)
- Re: [AG-GOuFP] Münzregal: Buchung der Münzen bei ZB, moneymind, 01.10.2014
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